Freitag, 1. Februar 2013

Tage in Burma (1): Yangon - Besuch bei Freunden

3.1.2013 bis 7.1.2013
Burma (deutsch meist "Birma", seit 1989 offiziell "Union von Myanmar") ist kein gewöhnliches Reiseziel und beschäftigt uns deshalb schon im Vorfeld intensiv. Gerne würden wir von Thailand aus einfach so über die Grenze radeln, aber die Einreise ist in der Regel nur per Flugzeug möglich. Viele Gebiete sind immer noch gesperrt oder man kann sie nur mit Sondergenehmigungen bereisen. Die touristische Infrastruktur ist abseits der Hauptrouten bescheiden oder schlicht gar nicht vorhanden. Für uns als Individualreisende ist deshalb der neueste Stand der Informationen besonders wichtig: Wie kommen wir in Burma an Geld, wie sieht es mit Unterkünften aus, welche Erfahrungen haben andere Radler gemacht - das alles müssen wir bereits vor unserer Abreise recherchieren. Zwar sind wir im Besitz des neuesten Reiseführers von 2012, aber seit der politischen Öffnung des Landes ändert sich alles so rasant, dass selbst dieser zum Teil schon wieder überholt ist.
Laut Internet soll es in größeren Städten neuerdings internationale Geldautomaten geben, aber nur vereinzelt und nicht zuverlässig. Kreditkarten kann man in Myanmar ebenso vergessen wie Reiseschecks, unsere Notreserve. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als ausreichend Bargeld zum Tauschen mitzunehmen, aber wie viel Geld braucht man für knapp vier Wochen in einem Land, in dem z.B. die Hotelpreise explodieren? Akzeptiert werden nur US $ und Euro, aber die Scheine müssen absolut makellos sein. Ein kleiner Knick und schon wird der Schein abgelehnt - das werden wir später selber erleben. So pilgern wir etliche Male zum Wechselbüro um die Ecke von unserem Hotel in Bangkok und lassen uns Dollar- und Euronoten vorlegen. Die Damen von der Bank kennen das Problem schon und bieten Myanmar-Reisenden nur "gute" Scheine an, wobei burmataugliche Dollars leichter zu bekommen sind als Euros. Immerhin gibt es keinen Zwangsumtausch mehr wie noch bei unserem ersten Besuch in Burma vor 10 Jahren, auch die Sonderwährung "FEC" (Foreign Exchange Certificate) für Ausländer wurde abgeschafft, die man seinerzeit nur auf dem Schwarzmarkt in die Landeswährung Kyat tauschen konnte.

Seit der politischen Öffnung will alle Welt nach Burma (ganz früher bekam man nur ein Visum für 7 Tage, jetzt dürfen Touristen immerhin 28 Tage bleiben); außerdem sind wir zur besten Reisezeit dort, im trockenen und kühleren Winter. Internetberichten zufolge ist deshalb im Moment mit Engpässen bei der Unterbringung zu rechnen. Touristen mussten auf Hotelfluren übernachten, weil es keine freien Betten mehr gab..... Einen kleinen Vorgeschmack bekommen wir, als wir versuchen, eine Unterkunft in Yangon zu finden. Die meisten Hotels sind längst ausgebucht, erst nach intensiver Recherche schaffen wir eine Reservierung für vier Nächte.

Am 3.1.2013 geht es endlich los, nach einer Stunde Flug landen wir gegen 17.30 Uhr in Yangon. 2003 war der Flughafen eine triste Angelegenheit, düster, schmutzig, wenig einladend. Mittlerweile hat Yangon ein neues Flughafengebäude, hell, sauber, freundlich, in der Ankunftshalle gibt es sogar einen Geldautomaten und einen Wechselschalter. Wir staunen. Vor 10 Jahren wurden wir schon bei der Einreise von uniformierten Beamten flüsternd angesprochen, ob wir nicht unsere FEC in Kyat tauschen wollten....

Es ist schon dunkel, als wir mit unserem umfangreichen Gepäck ins Taxi steigen. Unser Fahrer spricht gut Englisch und hat seine Freude daran, wie wir über die Veränderungen in Yangon staunen. Vor 10 Jahren fuhren wir mit den Rädern in die Stadt, über holprige Straßen, auf denen kaum Autos unterwegs waren. Yangon bot damals einen traurigen Anblick. Jetzt stehen wir auf der gut ausgebauten Straße teilweise im Stau, unglaublich! Wir sehen schicke Restaurants und Kinos mit Glitzerreklame - 2003 waren die Kinoplakate noch handgemalt. Es scheint sich etwas getan zu haben.....

Die Ankunft im Zentrum ist dann schon etwas ernüchternder. Unser 110 $-Hotel liegt in einer schäbigen Gasse, in der sich stellenweise der Abfall türmt. Mittendrin wird gekocht und gegessen, in improvisierten "Restaurants" mit niedrigen Plastikhockern, die ziemlich typisch für Burma sind und die wir so auch schon vor 10 Jahren gesehen haben. Die blankpolierten Glastüren unseres Hotels stehen in merkwürdigem Gegensatz zu dieser tristen Umgebung. Ganz in der Nähe ist sogar eine richtige Luxusherberge, das Traders Hotel - schön und hässlich, sauber und schmutzig, reich und arm so dicht nebeneinander.

In unserem sehr bescheidenen, völlig überteuerten, aber blitzsauberen Zimmer halten wir uns nicht lange auf - wir wollen unbedingt noch kurz raus, einen kleinen Eindruck bekommen. Die Burmesen haben ein langes Wochenende vor sich, morgen ist  Unabhängigkeitstag. Unser Hotel liegt mitten im Zentrum, die Straßen sind brechend voll, die Bürgersteige und Straßenränder voll gepackt mit Verkaufs- und Ess-Ständen. Wir müssen aufpassen, wohin wir unsere Füße setzen, überall lauern Fallen, Löcher, Unebenheiten, lose Platten, zerbrochene Kanalabdeckungen. Wir fühlen uns nach Sri Lanka zurückversetzt, auch das Gewusel auf den Straßen erinnert uns daran und die vielen, sehr einfachen indischen Restaurants gleich um die Ecke von unserem Hotel. Während der britischen Herrschaft in den 30er Jahren stellten die Inder mehr als die Hälfte der Bevölkerung Yangons und noch immer leben viele in der Innenstadt. Wir trauen uns, Masala Dosai zu essen, den leckeren südindischen Pfannkuchen, schmeckt gut, aber in die Küche möchte ich hier lieber nicht schauen.... Lange bleiben wir nicht draußen. Die Sicherheitslage in Burma ist gut, aber wir sind mit einer Barschaft von mehreren tausend Euro unterwegs und man muss das Schicksal ja nicht herausfordern. Vom Hotel aus, das übrigens trotz des überzogenen Preises jeden Abend ausgebucht ist, rufen wir noch Wah Wah an und vereinbaren ein Treffen für morgen.

Wah Wah kommt am nächsten Tag mit Di Di, ihrer 13jährigen Tochter. Wir kennen die Familie, zu der noch Wah Wahs Ehemann Moh und der 9jährige Sam gehören, über eine gemeinsame Freundin aus Hawaii und haben sie schon 2003 getroffen. Den Vieren geht es im Vergleich zu der Mehrheit in Burma, die in großer Armut lebt, relativ gut. Moh betreibt eine Art Reiseagentur, aber jetzt gibt es mehr Konkurrenten auf dem Markt und er muss kämpfen. Wah Wah hat einen guten Job bei einem australischen Arbeitgeber. Die Familie lebte und arbeitete eine Zeitlang in Singapur und ist erst vor kurzem zurückgekommen.

Wir verbringen den Vormittag mit den beiden Damen. Di Di ist ein aufgewecktes, hübsches Mädchen und unterscheidet sich eigentlich nicht von deutschen Teenagern ihres Alters. Natürlich gehört sie zur Facebook-Gemeinde, mag moderne Kleidung und träumt von einem iPhone. Wir spazieren zusammen zur Sule-Pagode, die unweit unseres Hotels mitten in einem Kreisverkehr liegt. Die Sule-Pagode ist bei weitem nicht so groß und prächtig wie die berühmte Shwedagon-Pagode. Es ist mehr ein Alltagstempel, dorthin geht man mal eben zwischendurch und in der Mittagspause.

Wir essen mit Wah Wah und Di Di zu Mittag, in einem Restaurant mit typisch burmesischer Küche, sehr lecker. Wegen des Unabhängigkeitstags ist heute überall viel los, aber Wah Wah meint, mit ironischem Unterton natürlich, die Briten wären mal besser im Land geblieben, dann würde es ihnen heute besser gehen. Di Di zuliebe kehren wir auch noch in einem "Donuts" ein, aber das ist kein Ableger der amerikanischen Kette, sondern nur die burmesische Kopie. Ich hätte nicht gedacht, dass man Donuts noch schlechter machen kann als sie ohnehin schon sind. Ausländische Fast Food-Ketten haben sich in Burma noch nicht angesiedelt, aber bald soll der erste McDonalds in Yangon eröffnen, außerdem eine Ikea-Filiale - das wird einen Ansturm geben..... 

Am Nachmittag verabschieden wir uns von den beiden Damen und gehen zu Fuß zur Shwedagon-Pagode. Die Orientierung im Zentrum ist einfach, dank der Engländer, die die Straßen des Stadtkerns quadratisch anlegten und durchnummerierten, nur die breiten Straßen haben Namen.
Die Shwedagon-Pagode ist die Hauptsehenswürdigkeit in Yangon und eine der berühmtesten Pagoden überhaupt, Pilgerstätte für Buddhisten aus aller Welt, uralt, wunderschön, unverwechselbar, sicher ein Höhepunkt für jeden Burma-Reisenden. Sie ist das bekannteste Bauwerk Burmas, für die Burmesen auch wichtig als Symbol des Landes und als Ort der Freiheitsbewegung - die "Lady", Aung San Suu Kyi, hielt 1988 hier ihre erste öffentliche Rede. Vier lange überdachte Aufgänge führen über niedrige Stufen hinauf zu dem vergoldeten, 100 m hohen Haupt-Stupa, der auf einer fast 60.000 qm großen Marmorplattform ruht, die voller reich geschmückter Schreine, Gebetshallen, Pavillons und Buddhas steht. 64 kleinere und 4 große Stupas umgeben den Haupt-Stupa, Tonnen von Gold und Tausende von Edelsteinen wurden hier verarbeitet. 2003 haben wir die Pagode natürlich auch besucht, damals waren wir fast die einzigen Touristen, heute wimmelt es von Ausländern. Überhaupt ist sehr viel los, vielleicht wegen des Feiertags, und weil die kühleren Abendstunden einfach mehr Besucher anziehen.

Die Stimmung ist schwer zu beschreiben. Viele Gläubige sitzen ganz still im Gebet oder bringen Buddhafiguren Blumenopfer, andere halten in Grüppchen zusammen ein Schwätzchen oder machen Picknick, dösen, spazieren um den Stupa herum, Kinder spielen, Touristen fotografieren die Einheimischen und diese mit ihren Handys wiederum die Touristen.
Kurz - andachtsvolle Ruhe herrscht hier eigentlich nicht, mehr ein ständiges Kommen und Gehen, aber die Stimmung ist trotzdem irgendwie feierlich, besonders als es auf den Abend zugeht und alles beleuchtet wird. Wir bleiben fast drei Stunden. In der Dunkelheit ist die Pagode so schön, dass man gar nicht mehr weg möchte. 

Zurück nehmen wir ein Taxi. Es gibt übrigens eine Besonderheit auf Burmas Straßen, die uns gestern schon aufgefallen ist: Hier wird rechts gefahren (seit 1970), aber der Fahrer sitzt auch rechts, also auf der falschen Seite. Das ist total verrückt. Das ganze Land fährt im Prinzip Autos, die eigentlich für Linksverkehr gedacht sind, was uns immer wieder irritiert, wenn wir ein Fahrzeug überholen und nicht der Fahrer, sondern der Beifahrer aus dem Fenster winkt.

Wir  überlegen, ob wir heute noch im teuren Traders Hotel gleich neben unserem Hotel zu Abend essen sollen, schließlich habe ich heute Geburtstag, entscheiden uns aber dann doch für ein bescheideneres Restaurant, was vielleicht ein Fehler war. In der Nacht wird mir schon schlecht, am Morgen ist mir speiübel, den Tag kann ich streichen. Gerold geht es auch nicht gut, aber ihn hat es nicht ganz so schlimm erwischt, er ist zumindest in der Lage, ab und zu aufzustehen. Was der Auslöser war - keine Ahnung, das ist einfach Pech oder vielleicht eine Warnung zur rechten Zeit. Die hygienischen Verhältnisse in Burma sind katastrophal, das werden wir während unseres Aufenthalts noch sehen. Dagegen war Sri Lanka ein Paradies an Sauberkeit. Die Bevölkerung kann nichts dafür, das Land wurde in den langen Jahren der Militärregierung auf unglaubliche Weise heruntergewirtschaftet, die öffentliche Hand kümmert sich offenbar um gar nichts. Am Inle-See besuchen wir später einen großen, regelmäßig stattfindenden Markt mit Hunderten von Besuchern, auf dem es nicht eine einzige Toilette gibt. Einheimische wie die zahlreichen Touristen erleichterten sich auf die Schnelle und ohne Sichtschutz am Straßenrand. Die Leute tun im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles, um ihre nähere Umgebung sauber zu halten. Hier wird ständig gefegt, geputzt, gewaschen. Auch die Ärmsten legen Wert auf reinliche und ordentliche Kleidung.

Eins ist klar: Auf der Straße dürfen wir hier nichts essen, auch Restaurants müssen wir uns vorher ganz genau anschauen. Fleisch und Fisch sind ab sofort gestrichen.

Bis zum Abend geht es mir nicht schlechter, eine Lebensmittelvergiftung ist es also glücklicherweise nicht, aber auch nicht besser, was besonders ärgerlich ist, weil Wah Wah uns zum Essen eingeladen hat. Gerold muss alleine hinfahren, ich lasse mir später von ihm berichten. Wah Wah hat lecker burmesisch gekocht (Myanmar Coconut Noodles), Gerold hat das Rezept notiert, wir kochen ja zu Hause gerne nach. Moh ist viel beschäftigt und kommt erst später dazu. Er ist ein wacher Kopf, ein Intellektueller, für den die Situation in Burma besonders unerträglich sein muss. Moh schätzt die "Wende" im Land vorsichtig optimistisch ein. Zu 75 %, meint er, sei die Entwicklung nicht mehr umkehrbar, ein Gegenputsch ultrakonservativer Offiziere sei aber immer noch möglich. Bei der Bevölkerung sei aber bisher von den Veränderungen noch wenig angekommen, bis auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten, darüber hatte schon der Taxifahrer geklagt. Gerold war mit Wah Wah in einem Supermarkt und wunderte sich über die hohen Preise. Für ein paar kleine Einkäufe hat sie umgerechnet 16 Euro bezahlt - ein Lehrer verdient hier monatlich zwischen 15 und 25 Euro.



Straße vor unserem Hotel




Typisches burmesisches Straßenrestaurant neben unserem Hotel



Spielende Jungs auf der Hotelstraße




Mit Wah Wah und Di Di im Donuts-Restaurant



Die Sule-Pagode im Zentrum der Altstadt von Yangon



Mitpassagiere im Bus auf dem Weg zum Mittagessen.




Mittagessen in einem burmesischen Restaurant. 
Gerade wird das Essen serviert - und was macht Di Di?!
 


Das Menu: Diverse Currys und Gemüse mit einem Dip



Shwedagon-Pagode: Gläubige beim Gebet



Gläubige bringen Opfer


Liegender Buddha in einer Nebenhalle



Diese Familie hat zuerst uns mit dem Handy fotografiert, dann wir sie.



Hübsches junges Mädchen mit dem typischen burmesischen Make-up



Burmesische Familie auf der Plattform der Shwedagon-Pagode



Dieses kleine Mädchen hat Angst vor uns.
 


Kurz vor Sonnenuntergang 
 


Shwedagon-Pagode in der Abenddämmerung



Nachtaufnahme 

 

                                          Zu Hause bei Wah Wah und Moh