22.4. bis 1.5.2013
Von Nara fahren
wir zurück nach Kyoto, wo wir 1 ½ Wochen bleiben. Kyoto kennen wir von zwei
früheren Besuchen schon ganz gut, es ist unsere Lieblingsstadt in Japan. Der
erste Eindruck mag zwar für viele Besucher ernüchternd sein - Kyotos Zentrum
besteht aus gesichtslosen Hochhäusern, riesigen Kaufhäusern und eher
langweiligen Konsummeilen und unterscheidet sich damit nicht wesentlich von
anderen japanischen Großstädten. Der besondere Charme erschließt sich erst auf
den zweiten Blick, etwa bei einem Spaziergang durch das alte Geishaviertel Gion
mit seinen wunderschönen Häusern im traditionellen Stil, in denen heute feine
Restaurants und Teehäuser untergebracht sind; oder wenn man am Kamo-gawa
entlangradelt, der mitten durch die Stadt fließt; nach Einbruch der Dunkelheit
durch Nebengassen mit schummerig beleuchteten Bars und Restaurants schlendert;
einen besonders schönen Tempel oder japanischen Garten abseits der
Touristenpfade entdeckt, mit dem man gar nicht gerechnet hatte, und, und……
Kyoto ist
optimal mit dem Fahrrad zu erkunden. Entlang der Hauptstraßen gibt es breite
Bürgersteige mit Fahrradspuren, die allerdings nicht immer ganz ungefährlich
sind, weil die Japaner selber oft schnell und unberechenbar fahren. Meist
radeln wir aber eh am Kamo-Fluss entlang, wo immer eine entspannte, schöne
Atmosphäre herrscht. Hier wird gepicknickt, gejoggt, gespielt, musiziert,
geflirtet…. Unter den zahlreichen Brücken „wohnten“ früher Obdachlose, jetzt
ist dort alles abgeriegelt.
So sehr uns
das Radeln in Kyoto gefällt, so sehr nervt uns, dass es im Zentrum in vielen
Straßen verboten ist, die Räder abzustellen – wie übrigens auch in anderen
japanischen Städten. Fahrradgaragen gibt es, aber nicht viele, und sie sind nur
auf Japanisch ausgeschildert und für uns nicht leicht zu finden. Wenn man sein
Rad in den verbotenen Zonen abstellt, was viele Japaner tun, muss man damit
rechnen, es später nicht mehr vorzufinden. Nicht ordnungsgemäß geparkte Räder
werden nämlich regelmäßig „beschlagnahmt“. Die Fahrradpolizei schreckt auch
nicht davor zurück, Schlösser durchzuschneiden, und man kann sein Rad dann nur
gegen eine hohe Strafgebühr irgendwo außerhalb wieder in Empfang nehmen. Wir
selber haben solche Fahrradrazzien schon beobachtet, bei denen Lastwagen voller
Räder „entfernt“ wurden…. Das ist uns zu riskant, deshalb nehmen wir
zähneknirschend oft lange Fußwege in Kauf, nur damit die Räder in Sicherheit
sind. Trotzdem – ich kann mir nicht vorstellen, Kyoto ohne Rad zu besuchen,
zumal die Sehenswürdigkeiten weit verstreut über das Stadtgebiet und in den
Außenbezirken am Fuße der Berge liegen - wir radeln während unseres
Aufenthaltes fast 300 km in Kyoto.
Kyoto war
lange kaiserliche Hauptstadt (von 794 bis 1868) und ist immer noch so etwas wie
das kulturelle Zentrum des Landes. Hier gibt es 17 UNESCO-Welterbestätten, mehr
als 1600 buddhistische Tempel und über 400 Shinto-Schreine. Die Top-Sehenswürdigkeiten
haben wir fast alle schon bei unseren ersten beiden Besuchen gesehen, manche
besuchen wir jetzt wieder, ansonsten konzentrieren wir uns auf weniger bekannte
Tempel und Gärten, die abseits der Haupttouristenpfade liegen, was gut ist, denn
zum Abschluss unserer Japanreise geraten wir in die sogenannte „Golden Week“,
in der sich insgesamt vier Feiertage mit Brückentagen zu einer ganzen
Urlaubswoche strecken lassen, ganz Japan ist dann unterwegs. Wir haben erst vor
kurzem davon erfahren und können von Glück sagen, dass wir unsere Unterkünfte
frühzeitig gebucht haben. Im Laufe der Woche wird es immer voller, und obwohl
uns Kyoto wie immer gut gefällt, ist uns dieser touristische Massenandrang am
Ende doch zu viel.
Für die
ersten sechs Übernachtungen haben wir das Tani House im Norden von Kyoto
reserviert, das in unmittelbarer Nachbarschaft der Daitokuji-Tempelanlage
liegt, auf deren Gelände sich neben dem Haupttempel noch 24 Nebentempel
befinden. Acht davon sind der Öffentlichkeit zugänglich und u.a. bekannt für
ihre Zen-Gärten, sorgfältig geharkte „trockene“ Gärten, die wir besonders
mögen. Schon zum dritten Male schauen
wir uns dort den Kourin-in, Zuiho-in und Ryogen-in an. Alle drei Tempel haben
schöne Gärten, der Ryogen hat alleine 5 Mini-Gärten. Neu ist für uns der
Oubai-in, der im Rahmen einer Sonderöffnung besichtigt werden kann, und der
Koto-in. Zum Oubai-in Tempel gehören mehrere sensationelle Zen-Gärten, der
Koto-in ist bekannt für seine prächtigen Ahornbäume, die v.a. im Herbst viele Besucher
anziehen, und ein berühmtes Teehaus. Das Beste: Auf dem Gelände des Daitokuji
ist wie immer ganz wenig los. In Kyoto gibt es so viele andere
Sehenswürdigkeiten, dass dem normalen Touristen kaum Zeit bleibt, sich die
Kleinode im Daitokuji anzuschauen.
Auch im
Bezirk Arashiyama im Nordwesten von Kyoto gibt es noch viel Neues für uns zu
entdecken: die Schlucht des Hozu-Flüsschens z.B., in die wir ein Stück
hineinradeln und zu einem kleinen versteckten Tempel hochsteigen. Ein
Spazierweg führt durch den kleinen Ort Saga Toriimoto, vorbei an wunderschönen
traditionellen Häusern und interessanten Läden mit japanischem Kunsthandwerk,
zu ganz außergewöhnlichen Tempeln: Auf dem Gelände des Adashino Nembutsuji gibt
es einen Friedhof mit mehr als 8000 Buddhafiguren aus Stein. Jedes Jahr im
August wird der Seelen der Verstorbenen in einer Zeremonie gedacht, der ganze
Friedhof ist dann ein Lichtermeer. Der
Otagi Nembutsuji ist ebenfalls etwas ganz Besonderes: Über 1200 Buddha-Skulpturen
„sitzen“ hier in einem steilen Hang, alle in humorvollen Posen. Wir sind fast
die einzigen Besucher und können die witzigen „Rakans“ in Ruhe genießen.
An einem
anderen Tag radeln wir zu dem kleinen Ort Ohara, gut 10 km nordöstlich von
Kyoto, und schauen uns den Sanzen-in
Tempel an, der berühmt ist für seinen großen Garten, einer der
meistfotografierten in Japan. Er sieht aus wie ein Meer aus Moos, mit
sorgfältig angeordneten Felsen. Eines der Hauptfotomotive sind hier
Buddhasteinfiguren, die in dem Moos ruhen.
Dann ziehen
wir vom Tani House ins Uronza Guesthouse im Zentrum um. Das Uronza ist eine
Herberge in traditionellem Stil, mit wunderschönen Tatami-Räumen und bis ins
Detail liebevoll und sorgfältig eingerichtet und blitzsauber. Der Gegensatz zum
Tani House könnte größer nicht sein. Es ist zwar auch traditionell
eingerichtet, aber längst nicht so gut geführt, was sich im Internet-Zeitalter
nicht mehr verheimlichen lässt – vielleicht war deshalb im Tani House trotz
Golden Week so wenig los. Wir mögen aber beide Lokalitäten und auch die etwas
schrullige Frau Tani, die jeden Gast mit einer Tasse Tee und japanischen
Süßigkeiten empfängt und sich mit einem kleinen Geschenk von uns verabschiedet
hat.
Vom Uronza Guesthouse aus konzentrieren wir
uns auf Sehenswürdigkeiten, die im Süden von Kyoto liegen. Den Fushimi-Inari
Taisha Schrein besuchen wir zum zweiten Male. Er ist bei japanischen Touristen
sehr beliebt und entsprechend groß ist der Andrang. Die insgesamt fünf Schreine
dieser Anlage stehen an bewaldeten Hängen. Tausende von „Torii“ (Torbögen)
verbinden sich hier zu leuchtend roten Gängen, die einen Hügel hinaufführen und
ein spektakuläres Fotomotiv darstellen. Zum großen Teil handelt es sich dabei
um Spenden von Firmen, aber auch von Privatleuten. Wir laufen bis zum höchsten
Punkt. Weiter unten sind noch sehr viele Touristen unterwegs, oben wird es
immer einsamer. Überall stehen Steinfüchse, denn der Fuchs wird als Bote des
Reisgottes Inari angesehen, dem der Schrein gewidmet ist. Viele Fuchsstatuen
sind mit roten Lätzchen versehen. Dies ist auch bei anderen Statuen üblich, von
denen sich Gläubige direkten Beistand erhoffen. Es ist eine Art Opfergabe, die
sich zu einem allgemeinen Brauch entwickelt hat, wobei unklar ist, woher dieser
Brauch stammt. Wir verbringen fast den ganzen Tag auf dem Schreingelände, im
oberen Bereich, wo weniger Besucher unterwegs sind, herrscht auf den Friedhöfen
und in den kleinen Schreinen mit ihren vielen kleinen und großen Fuchswächtern
eine geheimnisvolle und fast mystische Atmosphäre.
Auch den
Kenninji und Tofukuji, zwei riesige Tempelanlagen mit wunderschönen Gärten,
kennen wir schon von einem früheren Besuch. Sie sind aber auch beim zweiten
Male noch beeindruckend.
Neu ist für
uns der Kiyomizudera, einer der meistbesuchten Tempel in Kyoto und Weltkulturerbe.
Auf der von Souvenir-Läden gesäumten Hauptzufahrtsstraße wird man eher
geschoben, als dass man gehen kann – wir befinden uns jetzt mitten in der
Golden Week. Die Haupthalle des Tempels ist in einen steilen Hang hineingebaut;
auf der großen Veranda davor, die spektakulär über den Hang hinausragt und
tolle Blicke auf Kyoto bietet, drängen sich die Besucher, um für ein
Erinnerungsfoto zu posieren. Auffallend viele junge Japanerinnen in traditionellen Kimonos sind darunter, man kann sich nämlich gegen eine Leihgebühr entsprechend einkleiden und zurechtmachen lassen und in diesem Outfit einen Tag lang durch Kyoto spazieren. Vielleicht ist das während der Golden Week ein besonders beliebtes Vergnügen, wir haben jedenfalls in Kyoto noch nie so viele Kimono-Damen gesehen.
Von den
Tempeln und Gärten in Kyoto können wir gar nicht genug bekommen, aber natürlich
nehmen wir uns auch Zeit für einen Bummel durch die überdachten
Einkaufspassagen Teramachi und Shiun Kyogoku im Zentrum. Besonders gerne
schauen wir in die 100-Yen-Shops, vergleichbar mit unseren 1-Euro-Shops, nur
viel besser und interessanter sortiert. An einem Regentag schlendern wir über
den bekannten Nishiki-Markt, wo man ungewöhnliche und köstliche Lebensmittel
kennenlernen kann. Am Ende wird uns die Zeit wieder knapp und wir haben schon
viele neue Ideen für einen weiteren Kyoto-Besuch.
Unser Flug nach San Francisco geht am 1. Mai. Da Kyoto selber keinen Flughafen hat, müssen wir nach Osaka reisen, zum Kansai International Airport. Das sind mehr als 100 km durch dicht besiedeltes Gebiet, die wir natürlich nicht mit dem Rad zurücklegen möchten. Für den Zug müssten wir die Räder in Boxen verpacken, mit unserem zusätzlichen umfangreichen Gepäck ist diese Variante ausgeschlossen. Aber gottseidank gibt es ja noch den Flughafenbus. Eine Garantie, dass wir dort mitgenommen werden, haben wir allerdings nicht, auch wenn es bei unseren beiden letzten Kyoto-Abreisen geklappt hat. Wir müssen auf einen halbleeren Bus hoffen und sind vom guten Willen des Busfahrers abhängig. Da unser Flug schon um die Mittagszeit geht, beschließen wir deshalb, schon einen Tag vorher nach Osaka zu fahren, um bösen Überraschungen vorzubeugen. So reisen wir schon am frühen Morgen des 30. April aus Kyoto ab, mit dem Bus gibt es keine Probleme, und verbringen unseren letzten Japantag im komfortablen Kansai Airport Hotel – mal ganz etwas anderes und völlig stressfrei!