Samstag, 21. September 2013

Deutschland 2: Berlin, Berlin!!!

10.8.2013  und  11.8.2013

Zwei Tage bleiben wir bei Peter und erkunden mit den Rädern Berlin. Viel Zeit ist das nicht, aber wir sind ja nicht zum ersten Male hier. Uns interessieren v.a. Spuren der geteilten Stadt. Deshalb schauen wir uns zuerst die Gedenkstätte zur Mauer in der Bernauer Straße an. Der Ort ist gut gewählt, Bilder von der Bernauer Straße gingen seinerzeit um die Welt, z.B. von den Fenstersprüngen verzweifelter DDR-Bürger aus den oberen Stockwerken, während im Erdgeschoss bereits die Fenster zugemauert wurden. Oder das berühmte Foto des DDR-Soldaten Conrad Schumacher, der hier am 15. August 1961 über den Stacheldraht in den Westen sprang. Später wurden hier von Hand Fluchttunnel unter Mauer und Todesstreifen hindurch gegraben. Heute ist in der Bernauer Straße u.a. noch ein Mauerabschnitt mit sämtlichen Sperranlagen zu sehen, eingefriedet mit meterhohen Stahlwänden. Durch Sehschlitze kann man in die Anlage schauen, aber den besten Blick hat man vom Aussichtsturm gegenüber. Außerdem gibt es ein sehr interessantes Dokumentations- und ein großes Besucherzentrum. Die Gedenkstätte wurde bereits 1998 eingeweiht, wird aber immer noch weiter ausgebaut.

Zum wiederholten Male schauen wir uns die „Eastside Gallery“ an, mit rund 1300 m das längste noch verbliebene Stück Ostberliner Hinterlandmauer, das 1990 von Künstlern aus aller Welt bemalt wurde. Unweit des Brandenburger Tors gibt es in der Niederkirchnerstraße noch ein ca. 200 m langes Stück Vorderlandmauer, dort fahren wir auch wieder vorbei. Überall drängen sich Touristen, alle wollen natürlich die Mauerreste sehen. Viel ist ja nicht übriggeblieben von den fast 160 km Mauer, die Westberlin von der DDR trennten.

Natürlich schauen wir uns auch im Regierungsviertel um, schlendern durch das multikulturelle Kreuzberg, fahren zum Alexanderplatz und die Straße des 17. Juni entlang zur Siegessäule, zum ehemaligen Grenzübergang „Checkpoint Charlie“ und, und..... Mit dem Fahrrad ist das alles kein Problem.

Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof suchen wir nach dem Grab von Herbert Marcuse, der 1979 während einer Deutschlandreise in Starnberg starb. Seine Witwe ließ ihn in Österreich einäschern, weil sie fand, dass in Deutschland schon zu viele Juden verbrannt wurden. Die Asche überführte sie in die USA, wo sie jedoch nie bestattet wurde, sondern in einem Beerdigungsinstitut in Vergessenheit geriet. Eines Tages erhielt Enkel Harold, den wir vor kurzem in Kalifornien kennengelernt haben, eine Anfrage, wo denn sein berühmter Großvater beerdigt sei. So kam es, dass die Urne wiederentdeckt und schließlich 2003 auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof beigesetzt wurde. In der Nähe entdecken wir mehr zufällig das Grab von Fritz Teufel, geschmückt mit einer großen Haschischpflanze, einem kleinen Pflasterstein und einem Mini-Fahrrad – Teufel arbeitete zuletzt als Fahrradkurier. Auf dem Grabstein steht sein berühmter Spruch: „Wenn’s der Wahrheitsfindung dient!“  Der Aschenbecher auf dem Grab von Heiner Müller ist leer, bei unserem letzten Besuch lag dort eine Zigarre. Der Schriftsteller war passionierter Zigarrenraucher und starb an Lungenkrebs. Viel gibt es zu entdecken auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof,  der letzten Ruhestätte zahlreicher bedeutender Persönlichkeiten, Bertolt Brecht, Helene Weigel, Hanns Eisler, Fichte, Hegel, Heinrich Mann, Anna Seghers, Johannes Rau, um nur einige zu nennen.

Leider vergeht die Zeit wie im Fluge. Am letzten Abend gehen wir mit Peter in Potsdam zum Italiener. Von dieser wunderschönen Stadt und ihrer amphibischen Umgebung haben wir dieses Mal gar nichts gesehen, aber wir waren ja früher schon mal hier.


Unsere Berlin-Tage beginnen immer am Brandenburger Tor.

Als nächstes auf dem Programm: Besuch bei Mutti (Bundeskanzleramt) 

Pause im Regierungsviertel am Spreebogen

Früher mussten wir unser DDR-Visum lange vorher beantragen, 
heute erhält man es ganz unbürokratisch direkt hinter 
der Zonengrenze am Brandenburger Tor :-))

Ausländische Besucher zwischen Soldaten der "Schutzmächte"

Auf dem rund 160 km langen Mauerradweg erfährt man viel 
über die Geschichte der deutschen Teilung.
Der frühere Verlauf der Berliner Mauer ist durch eine
 Doppelreihe Pflastersteine gekennzeichnet.


Blick vom Aussichtsturm auf den komplett erhaltenen/restaurierten Mauerabschnitt, u.a. mit Wachturm, Kolonnenweg und Todesstreifen an der Mauergedenkstätte Bernauer Straße.


Mauerabschnitt an der Bernauer Straße



Checkpoint Charly - mit amerikanischem Kulturinstitut im Hintergrund

Museumskomplex "Topographie des Terrors" an der Wilhelmstraße: 
Hier befanden sich in der Nazizeit die Zentralen von Gestapo, SS 
und Reichssicherheitshauptamt. 
Unten sieht man Reste von Gestapo-Folterkellern,
 im Hintergrund ein Abschnitt der Berliner Mauer.


Im Museumskomplex werden Machtergreifung und Nazi-Terror dokumentiert. Diese Foto z.B. zeigt begeisterte Nazi-Anhänger 
bei der Bücherverbrennung im März 1933 . 

Plakatsäulen des Themenjahres 2013
"Zerstörte Vielfalt in Berlin 1933-1938-1945" 

Berliner Dom auf der Spreeinsel in (Ost-) Berlin Mitte

East Side Gallery: Breschnew und Honecker beim Bruderkuss


East Side Gallery: Republikflucht (1)


 Republikflucht (2): Das konnte nur der Trabbi.


Wie man auf diesem Parkplatz sieht, ist der Trabbi 
auch heute noch in Berlin sehr beliebt...


Gute Geschäftsidee, aber gar nichts für uns: Stadtsafari im Trabbi 

Die Mauer führte mitten durch den Invalidenfriedhof, auf dem viele Prominente aus der preußisch-deutschen  Militärgeschichte beerdigt sind.
Hier z.B. das Grabmal des preußischen Militärreformers v. Scharnhorst

Hier liegt Generaloberst v. Seeckt, in der Weimarer Republik Chef der Heeresleitung der  Reichswehr. Er starb 1936 - seine Grabinschrift lässt sich als Hinweis auf die Zukunftspläne der Nazis lesen.

Grab des Philosophen  Herbert Marcuse, Spiritus rector 
der Studentenbewegung, auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof - 
die Form des Grabsteins soll an sein berühmtes Buch 
"Der eindimensionale Mensch" erinnern.

Hier liegt  Ex-Kommunarde und 68iger Enfant terrible Fritz Teufel
Die "Ausstattungsdetails": u.a. (Kurier-)Fahrrad, Pflasterstein 
mit Anarcho-"A", vier Marihuana-Pflanzen (man sieht hier nur die Stengel).
Mit seinem Spruch oben hat er seinerzeit Justizgeschichte geschrieben ...


Während Marcuse, Teufel und Johannes Rau (s.u.) erst vor wenigen Jahren auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof bestattet wurden, liegen Bertold Brecht und Helene Weigel schon länger hier (seit 1956 bzw. 1971).


Der Philosoph Friedrich Hegel ruht hier sogar schon seit 1831.

Viele der "berühmten" älteren  Gräber werden von DDR-Liedermacher 
Wolf Biermann in seinem Lied über den Berliner "Hugenottenfriedhof" erwähnt. Am 13. November 1976 singt Biermann dieses Lied 
zum ersten Mal im Westen, und zwar...
         Wolf Biermann bei Konzert in der Kölner Sporthalle am 13.11.1976
        ... bei seinem legendären Auftritt in der Kölner Sporthalle.
Unter den Zuschauern, in der ersten Reihe: 
Der junge Student Gerold Neuenburg.


Am Grab des ehemaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten
SPD-Vorsitzenden, SPD-Kanzlerkandidaten und Bundespräsidenten 
Johannes Rau auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof.
Ein trauriger Moment für mich, denn wir waren seit Mitte der siebziger Jahre "Duzfreunde" (kein Scherz). Zum letzten Mal begegnet sind wir uns 
bei dieser Gelegenheit im Juni 2001 in Bonn ...


Nicht weit vom Friedhof entfernt in der Chausseestraße 131 essen wir lecker beim Italiener. In diesem Haus hat übrigens lange Wolf Biermann gewohnt und auch sein erstes Album aufgenommen.

Karl Marx und Friedrich Engels 
mit Besuchern aus der kommunistischen Volksrepublik China

... und einem westdeutschen Reiseradler


Abschied vom Reichstag ....


... und von unserem Freund Peter




Mittwoch, 18. September 2013

Deutschland 1: Von Rostock nach Berlin

4.8.2013  bis  9.8.2013

Vor genau einem Jahr sind wir am 4.8. von Köln aus aufgebrochen, heute kehren wir wieder nach Deutschland zurück. Ein schönes Gefühl, obwohl damit unwiderruflich das Ende des Sabbatjahres naht.  Die deutsche Sprache klingt uns nach so langer Abwesenheit am Anfang immer etwas fremd in den Ohren. Am meisten vermisst haben wir dunkles Brot, aber da wurde unser Nachholbedarf schon in Island gestillt.

Unsere erste Station in Deutschland ist Rostock in Mecklenburg-Vorpommern. Vor zwei Jahren haben wir hier unsere Fahrradtour entlang der alten innerdeutschen Grenze gestartet, bei grauem, trübem Wetter – da kam uns die einstige Hansestadt nicht so attraktiv vor. Heute dagegen scheint die Sonne und die Stadtsilhouette von Rostock sieht mit ihrer mittelalterlichen Architektur richtig schön aus. Wir bleiben bei Johanna und ihrer kleinen Tochter Lieke, Papa Jelle fährt zur See und ist gerade unterwegs. Auf dem großen Grundstück der Familie steht schon bald unser Zelt unter Obstbäumen – ein toller Auftakt für den letzten Teil unserer Reise.

Fünf Tage brauchen wir von Rostock bis nach Berlin, meist dem Fernradweg Berlin-Kopenhagen folgend. Das Radwegenetz in Mecklenburg-Vorpommern ist ausgezeichnet, es gibt unendlich viele Routen, nirgendwo sonst in Deutschland haben wir je so viele Radtouristen gesehen – kein Wunder, man fährt hier fast ausschließlich flach.

Hinter Rostock radeln wir schon bald mitten durch die Mecklenburgische Seenplatte, das ist eine eher ruhige Landschaft, aber uns gefällt sie supergut. Nicht ein Tag vergeht, an dem wir nicht ins Schwärmen geraten, wie schön es hier ist – und was es hier alles zu entdecken gibt: Schmucke Kleinstädte mit viel Geschichte, hübsche Dörfer, unzählige Seen, darunter die Müritz, den größten Binnensee Deutschlands..... Durch den Müritz-Nationalpark fahren wir, durch Wälder, Wiesen, Auen, dann wieder folgen wir Alleen mit prächtigen Bäumen – die Strecke ist sehr abwechslungsreich und es ist ein Jammer, dass wir nicht mehr Zeit zum Schauen und Verweilen haben. Den kurzen Abstecher zum früheren Jagdsitz von Erich Honecker am Drewitzer See gönnen wir uns aber – die Anlage wurde mittlerweile in ein Hotel umgewandelt, in dem man edel übernachten kann, u. a. in Zimmern, die ganz in Rot ausgestattet sind. Ansonsten staunen wir immer wieder, wie sang- und klanglos die DDR untergegangen ist. Fast nichts ist, jedenfalls rein äußerlich, übrig geblieben aus den 40 Jahren – außer ein paar mausgrauen Häusern, verfallenden LPG-Gebäuden und dem entzückenden Ampelmännchen.  Aber natürlich lebt die DDR in der Ostalgie weiter, Soljanka und Bautzner Senf sind nur ein paar Beispiele dafür, gleichzeitig aber auch gute Geschäftsideen!

Was uns noch auffällt, ist die große Hilfsbereitschaft hier: Fast immer wenn wir anhalten und auf Karte oder GPS schauen, werden wir angesprochen: Ob wir Hilfe bräuchten, wohin wir denn wollten.....Manchmal gehen oder fahren die Leute ein Stück mit uns, nur damit wir bloß den richtigen Weg finden. In Westdeutschland wird uns das später nicht mehr so häufig passieren. Ist das ein Loblied auf die „Ossis“? Ja, ist es. Schon bei unserer Grenztour im Sommer 2011 fühlten wir uns als Radfahrer hier außerordentlich freundlich aufgenommen.

Am 9.8. kommen wir gegen Mittag am Brandenburger Tor an. Das ist schon ein tolles Gefühl – vor einem Jahr in Köln aufgebrochen, einmal rund um die Welt und jetzt in Berlin! Es ist knallheiß, wir machen eine lange Pause und genießen die „Berliner Luft“. Aber wir müssen noch weiter – in der Nähe von Potsdam erwartet uns heute Abend Peter, ein alter Freund aus Studententagen. Er hat lecker gekocht und serviert uns am nächsten Morgen ein Sonntagsfrühstück, obwohl doch erst Samstag ist. Jeden Tag verwöhnt Peter uns mit leckeren Brötchen und frisch gebrühtem Kaffee – so einen Luxus hatten wir lange nicht mehr!



Die Skyline von Rostock


Bei Johanna und Lieke


Revolutionärer Reiseradler  (unten im Bild)
vor der "Gedenkstätte revolutionärer Matrosen" 
aus der DDR-Zeit am Warnow-Ufer in Rostock


Wappen von Meck-Pom mit mecklenburgischem Stier und pommerschem Greif




Brauchbar nur noch als Storch-Biotop: Oft sieht man
 verfallende LPG-Gebäude aus DDR-Zeiten.


In der DDR gab es keine Fassadenfarbe, deswegen 
sahen damals ALLE Häuser so mausgrau aus.


Ostalgie: Scharf-saure Soljanka


Ostalgie: Ampelmännchen


Verfallendes Gebäude aus längst vergangener Zeit



Einschusslöcher in der Fassade: Dieses Haus wurde im II. Weltkrieg beschädigt - und bis heute nicht repariert!!


Honeckers Jagdhaus in der Nähe von Müritz: Eine holländische Hotelkette hat das...
Die Datsche von DDR-Staatschef Erich Honecker am Drewitzer See: 
Heute ein Viersterne-Hotel

       Honni mit Kleinbürger-Geschmack: Röhrender Hirsch vor seiner Datsche

Eine Sitzgruppe in der 100 Quadratmeter großen Honecker-Suite in der Jagdresidenz des früheren Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, aufgenommen am Montag (21.11.11) in Drewitz. Foto: dapd
Hier empfing Honnecker seine Staatsgäste,
meist aus den sozialistischen Bruderländern.




UNSER "wildes" Sterne-Domizil 

Allee mit Maulbeerbäumen aus dem 18. Jahrhundert.
Der Alte Fritz ließ in Preußen Millionen von Maulbeerbäumen 
zur Seidenproduktion pflanzen.


Der Soli macht´s möglich: 
Genussradeln auf super ausgebauten Fahrradstraßen
 im waldreichen Meck-Pom

Wassersportparadies Meck-Pom

Mecklenburgische Seenplatte: Abendstimmung am Zelt


Besser als Dusche: Reiseradlers Morgentoilette

Wir überqueren die Grenze nach Brandenburg



Hier wurden die Ziegeln für den Ausbau Berlins gebrannt: 
Ziegeleipark Mildenberg, heute ein Museum 



Die Radroute geht mitten durch die Zehdenicker Tonstichlandschaft - 
eine der schönsten Regionen Brandenburgs



Radlparadies Ostdeutschland


Oranienburger Schloss mit Schlosspark


Zelten direkt am Schlosspark 
auf dem Campingplatz des Kanuvereins in Oranienburg


 Überbleibsel aus DDR-Zeiten: 
Informationstafel an einem Haus in Oranienburg 

Ich verstehe nicht, warum Uschi diese Friseur-Werbung so toll findet.

An der Havel kurz vor Berlin

Geschafft! Wir sind in Berlin, am Reichstag