Mittwoch, 6. März 2013

Exkurs: Kurze Geschichte des modernen Burma


Der letzte burmesische König, der im Königspalast von Mandalay lebte, wurde 1885 von den Briten ins indische Exil geschickt und Burma zu einer Provinz der Kolonie Britisch-Indien degradiert. Jahrzehntelang verschwand das einst so stolze Königreich von der politischen Landkarte.

                                                                                               
Während des 2. Weltkrieges wurde Burma von japanischen Truppen besetzt. Auf ihrer Seite kämpfte  der spätere Nationalheld  AUNG  SAN, weil er sich von den Japanern Unterstützung im Kampf um die Unabhängigkeit von den Briten erhoffte. Zuerst als Befreier empfunden, entpuppten sich die Japaner in Burma jedoch sehr bald als brutale und arrogante Besatzer, die selbst die britischen Kolonialherren in den Schatten stellten. Ihr Slogan „Asien den Asiaten“ war nichts als eine Leerformel zur Verdeckung ihrer imperialistischen Intentionen. Als die Amerikaner und Briten 1944 in Burma einen Rückeroberungsfeldzug gegen die Japaner begannen, stellte sich Aung San deshalb auf die alliierte Seite und begann nach der Kapitulation Japans im Mai 1945 direkt mit den Briten über die Zukunft seines Landes zu verhandeln. Aber der Vielvölkerstaat Burma war innerlich zerrissen, und dass Aung San viele Feinde im eigenen Land hatte, zeigte sich spätestens am 19.7.1947, als der erst 32jährige während einer Sitzung des Verfassungskomitees zusammen mit anderen Politikern erschossen wurde. Seine Tochter, AUNG SAN SUU KYI , die ab 1988 in die Geschicke ihres Landes eingreifen sollte, war damals erst 2 Jahre alt.


Am 4. Januar 1948 wurde Burma unabhängig. Die junge Demokratie hatte es schwer. Weil einzelne Volksgruppen nach Autonomie strebten, kam es überall zu Unruhen, Rebellenarmeen begannen das Land zu kontrollieren, ganz Burma drohte im Chaos zu versinken. Im März 1962 übernahm General Ne Win, einer der früheren Gefährten Aung Sans, durch einen Militärputsch die Macht. Er ließ führende Politiker ins Gefängnis werfen, protestierende Studenten inhaftieren und propagierte schon bald den „burmesischen Weg zum Sozialismus“, eine krude Mischung aus Marxismus und Buddhismus, mit vollständiger Autarkie als zentralem Ziel. Privatbetriebe wurden verstaatlicht, ausländische Firmen des Landes verwiesen, sämtliche Oppositionsparteien verboten. Außenpolitisch führte Ne Win Burma in die absolute Isolation. Fast 10 Jahre lang konnten sich Ausländer höchstens 24 Stunden bis 3 Tage im Land aufhalten, Anfang der 70er Jahre wurden die Visa dann auf 7 Tage verlängert. Innerhalb weniger Jahre war das völlig abgeschottete Land durch Inkompetenz, Korruption und die maßlose Selbstbereicherung des Militärs völlig heruntergewirtschaftet. Ne Win starb, damals schon lange entmachtet, 2002 im Hausarrest. In Burma weinte dem Despoten sicher niemand eine Träne nach. Der General interessierte sich, wie so viele Burmesen, für die Wahrsagerei und war ein Anhänger der Zahlenmystik. Sein fanatisches Verhältnis zur Glückszahl 9 nahm 1987 mit der Einführung von 45- und 90-Kyatnoten bizarre Formen an. Angeblich war ihm geweissagt worden, er würde 90 (er wurde 91), wenn er das Währungssystem auf die Basis der Zahl 9 umstellen würde. Die gängigen Banknoten wurden ohne Kompensation für ungültig erklärt, viele Menschen verloren damals ihr Erspartes. U.a. deswegen kam es zu schweren Unruhen, die im März 1988 eskalierten und sich zu Massendemonstrationen ausweiteten, die brutal niedergeschlagen wurden. 

Zu diesem Zeitpunkt hielt sich Aung San Suu Kyi, die Tochter des so früh verstorbenen und von allen Burmesen verehrten Nationalhelden Aung San in Burma auf, um ihre schwerkranke Mutter zu pflegen. Sie hatte bis dahin hauptsächlich im Ausland gelebt, war mit dem Engländer Michael Aris verheiratet und hatte zwei Söhne, führte also ein eher unauffälliges Leben. Ihren Vater hatte Suu Kyi kaum gekannt, sich aber viel mit ihm beschäftigt und ein Buch über ihn geschrieben. Ihrer Verantwortung für Burma als Tochter des Nationalhelden war sie sich jedoch stets bewusst und bereit, ihre Rolle zu übernehmen, wenn sie gebraucht würde. 1988 war dieser Zeitpunkt gekommen. Suu Kyi blieb in Burma, gründete mit Freunden die „National League for Democracy“  (NLD)  und wurde schnell zur Leitfigur der Demokratiebewegung und zum Symbol des gewaltlosen Widerstandes gegen die Militärregierung. Im Sommer 1988 hielt sie in der Shwedagon-Pagode in Yangon ihre erste öffentliche Rede. Dem Militär war die kämpferische „Lady“, wie sie von den Burmesen auch respektvoll genannt wird, natürlich ein Dorn im Auge. Um sie zum Verlassen des Landes zu bewegen, wurde ihrem Mann und ihren damals noch minderjährigen Söhnen bald die Einreise nach Burma verweigert, aber sie blieb. Bereits 1991 erhielt sie für ihren gewaltlosen Kampf für Demokratie und Menschenrechte den Friedensnobelpreis, den ihre Familie für sie entgegennahm. Sie selbst konnte an der Verleihung nicht teilnehmen, weil sie befürchten musste, nicht wieder nach Burma einreisen zu dürfen. Aus Angst vor ihrer Popularität stellte das Militär sie die meiste Zeit unter Hausarrest, traute sich aber offenbar nicht, gegen die Tochter des Nationalhelden gewaltsam vorzugehen. Sie konnte auch ihren krebskranken Mann nicht mehr sehen, der 1999 im Alter von nur 53 Jahren starb.


Für die meisten Beobachter unerwartet vollzog sich ab 2010  in der burmesischen Innenpolitik ein radikaler Wandel: Die Militärregierung machte die wirtschaftliche Öffnung und Demokratisierung des Landes zu ihrem erklärten Ziel. Im November 2010 wurde Suu Kyi aus dem Hausarrest entlassen. Mittlerweile hat sie einen Parlamentssitz inne und nahm im Mai 2012 in Bangkok an einem Wirtschaftsforum teil. Es war ihre erste Auslandsreise seit 24 Jahren. Ebenfalls 2012 unternahm sie eine Europareise und empfing im November 2012 Barack Obama in ihrer privaten Residenz in Yangon. Es gibt also Anlass zu Optimismus, dass sich Burma nachhaltig verändert.


Über die Gründe dieser Kehrtwende kann nur spekuliert werden. Unser burmesischer Freund Moh sieht als zentrales Motiv die Sorge der Militärjunta um ihre persönliche Sicherheit. Auf lange Sicht konnte die Politik der Unterdrückung nicht mehr funktionieren. Die Erfolgsaussichten der Wende schätzt Moh auf 75%. Es sei zwar unwahrscheinlich, aber auch nicht völlig auszuschließen, dass ultrakonservative Generäle eine Rückkehr zur „alten“ Politik durchzusetzen versuchten, meinte er.

Manche ausländischen Beobachter vermuten, dass die Militärregierung durch das vermehrte Anlocken westlicher Investoren ein Gegenwicht zur chinesischen Dominanz  schaffen will.  Die Chinesen waren quasi dabei, Burma zu ihrem Vasallenstaat zu machen. Ganz abgesehen davon sind sie bei den Burmesen nicht sehr beliebt, sie gelten als herrisch, arrogant und rüde.

Wie auch immer die Rolle von Aung San Suu Kyi in Zukunft aussehen wird – sie bleibt mit Sicherheit eine bedeutende politische und moralische Kraft. Wie sehr sie vom Volk geliebt und geschätzt wird, konnten wir auf unserer Fahrradtour sehen:  Die „Lady“ und ihr berühmter Vater sind allgegenwärtig, ihre Bilder finden sich wirklich überall. Dieser geballten Ikonographie haben die Militärmachthaber nichts entgegenzusetzen.




Die "National League for Democracy" ist die Partei von AUNG SAN SUU KYI 



Ein Parteibüro der NLD in den Bergen vor Kalaw. 
Als wir dieses Foto machen, werden wir ins Haus gebeten...



 Im NLD-Parteibüro (1): Fotos der Friedensnobelpreisträgerin 
 AUNG SAN SUU KYI und ihres Vaters, Bogyoke (General) Aung San.



                            Im NLD-Parteibüro (2): Vater und Tochter



                                               Im NLD-Parteibüro (3)



"Tatmadaw and the people cooperate and crush all those harming the nation."
Politische Propaganda des Militärs (burmesisch "Tatmadaw") 
an den Mauern des Königspalastes von Mandalay (1).



   Politische Propaganda in Mandalay (2):
   "The Tatmadaw shall never betray the national cause"



In einem Bierlokal am Inle-See



In unserem Lieblingsrestaurant am Inle-See



Fahrradrikscha mit Bild von AUNG SAN SUU KYI (Mandalay)




Parteisymbol der NLD