Mittwoch, 12. Dezember 2012

Sri Lanka 3: Von Kandy zur Ostküste



14. bis 19. November

Nach unserem Abstecher in die Berge fahren wir in den nächsten Tagen zurück ins heiße Tiefland und weiter zur Ostküste. Unser erstes Ziel hinter Kandy ist Sigiriya, ein über 200 m hoch aus der Ebene ragender Granitmonolith mit einer Felsenfestung. Es ist ein langer Tag, fast 100 km, der Verkehr ist mörderisch und wir haben keinen Seitenstreifen, Alternativstrecken gibt es nicht. Erst kurz vor Sigiriya können wir endlich auf eine ruhige Nebenstraße ausweichen und ganz entspannt die letzten Kilometer radeln - wir hatten ganz vergessen, dass Radfahren auch Spaß machen kann. Es ist zu spät, heute noch zu dem schon von weitem beeindruckenden Felsen hochzuklettern. So spazieren wir nur durch den kleinen Ort, der offenbar wenig vom Felsentourismus profitiert. Sigiriya ist Weltkulturerbe und gehört zu den Haupt-Touristenattraktionen in Sri Lanka, aber die meisten Besucher kommen im Rahmen einer Tour und sind am Abend wieder verschwunden. 

Am nächsten Morgen ist der Felsen in Wolken und es regnet in Strömen. Bis 10 Uhr warten wir ab, dann fahren wir in einer Regenpause weiter, ohne die Festung erklommen zu haben. Alles ist verschlammt und tropft und trieft vor Nässe. Schade, aber 60 US $ gespart - bei den Eintrittspreisen werden die ausländischen Besucher hier ganz schön abkassiert.

Unser nächstes Ziel ist Pollonaruwa, wo es die Ruinen der zweiten Königsstadt zu besichtigen gibt, ebenfalls Weltkulturerbe. Wir finden ein schmales, praktisch autoloses Sträßchen, das ca. 15 km mitten durch den Dschungel und kleine Orte führt. Die Leute grüßen wie immer freundlich und schauen neugierig bis fassungslos. Viele Gepäckradler können die hier noch nicht gesehen haben. Am Ende müssen wir dann doch wieder auf eine A-Straße, aber auch die ist erfreulich ruhig. Verglichen mit den ersten Tagen ist das heute reinstes Genussradeln, zumal es immer noch leicht abwärts geht. Nur der Regen bleibt uns auf den Fersen, wir müssen uns mehrfach unterstellen.

Pollonaruwa ist wie viele Orte in Sri Lanka: Man läuft einmal durch und ist dann froh, wieder "daheim" im Guesthouse zu sein. Wir lieben es, Städte zu Fuß zu erkunden, aber es gibt hier einfach keinen Raum für Fußgänger. Ein Gang durch die Stadt gleicht oft einem Hindernislauf. Man muss parkenden  Fahrzeugen, fliegenden Händlern, improvisierten Verkaufsständen, schlafenden Hunden etc. ausweichen. 

Als es am nächsten Morgen immer noch nieselt, verzichten wir auf die Tempelruinen und fahren weiter Richtung Ostküste. Bald verändert sich die Landschaft, auch die Besiedlung nimmt ab. Wir fahren durch eine fast baumlose Ebene mit vielen Rinder- und Wasserbüffelherden. Es gibt etliche militärische Checkpoints auf der Strecke (und später an der Ostküste auch Militärcamps), aber wir werden nie kontrolliert, die schwerbewaffneten Soldaten, die z.T. hinter Stacheldrahtrollen sitzen, schauen nur neugierig und grüßen freundlich. Wir nähern uns dem Gebiet, das (wie der Norden Sri Lankas) von dem 26 Jahre währenden Bürgerkrieg zwischen Singhalesen und Tamilen besonders betroffen war. 

Die Singhalesen, die dominierende Volksgruppe, stellen ca. 74 % der Bevölkerung, sind zum großen Teil buddhistisch und leben fast ausschließlich an der Westküste, im Süden und im Zentrum. Die srilankischen Tamilen haben einen Anteil von etwa 12,6 %, wanderten später als die Singhalesen aus Indien ein und siedelten vorwiegend im Norden (auf der Jaffna-Halbinsel) und entlang der Ostküste. Der Großteil der Tamilen ist hinduistisch, etwa 1/5 christlich. Zwischen Singhalesen und Tamilen gab es schon immer Konflikte. Die britischen Kolonialherren spielten die ethnischen Gruppen gegeneinander aus: Nach der bewährten Methode "Divide et Impera"  wurde die tamilische Minderheit bevorzugt, um die singhalesische Mehrheit in Schach zu halten. Nach der Unabhängigkeit 1948 drehten die Singhalesen den Spieß um, entfernten die Tamilen aus fast allen wichtigen Positionen und wollten sogar Tamil als Landessprache abschaffen. Es folgten Unruhen, Übergriffe auf Tamilen etc., bis der jahrzehntelang schwelende Konflikt 1983 in einen Bürgerkrieg mündete, der erst 2009 endete. 

Dem Gebiet, das wir jetzt durchradeln, ist anzusehen, wie sehr es als Folge des Krieges in seiner Entwicklung zurückgeworfen wurde. Die Orte, die wir passieren, wirken im Vergleich zur Westküste viel ärmlicher, das Angebot in den Läden ist dürftiger, die Häuser sehen schäbig aus. Das ist ein anderes Sri Lanka hier - auch was den Verkehr betrifft übrigens. Bis auf ein paar Überlandbusse und Lkws haben wir die Straße quasi für uns, ein völlig neues Fahrgefühl. Erst jetzt, wo die Straße ruhiger ist, merken wir, dass das Hupen nicht nur "Mach Platz!!!" bedeutet, sondern sehr oft auch Gruß, Anerkennung und Respekt vor unserer Leistung. Manchmal wird zusätzlich noch die Lichthupe eingesetzt und fröhlich gewunken. 

Nach angenehmen 70 km erreichen wir am frühen Nachmittag die Ostküste und biegen Richtung Süden ab. Eigentlich wollten wir für heute Schluss machen und im Bereich der Passekudah oder Kalkudah Bay bleiben, die besonders schön sein sollen, aber wir können keine einzige Unterkunft entdecken und fahren dann doch noch ca. 40 km weiter bis zum nächsten größeren Ort, Batticaloa, wo es allerdings auch keine große Auswahl an Hotels gibt. Die touristische Infrastruktur ist - als Folge des Bürgerkriegs - an der Ostküste noch sehr bescheiden. Zwischen Pollonaruwa und Arugam Bay treffen wir keinen einzigen anderen Touristen. So ist es auch kein Wunder, dass wir hier viel mehr Aufsehen erregen als an der Westküste. Wir können uns vor Zurufen kaum retten: Woher, wohin, wie gefällt uns Sri Lanka etc. V.a. ich als Frau werde oft ungläubig angestarrt, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass wir uns hier in Muslim-Gebiet befinden. Die muslimischen Moors ("Mauren") haben einen Bevölkerungsanteil von etwa 8 % und leben vorwiegend an der Ostküste. Eine Frau auf dem Fahrrad, dazu noch in Shorts, scheint zwischen all den tief verschleierten Damen eine kleine Sensation zu sein. (Shorts trage ich natürlich nur beim Radfahren.)

Am nächsten Tag fahren wir durch bis Arugam Bay, fast 120 km, brettflach, aber bei einer Affenhitze - mittlerweile sind wir schon ziemlich gut akklimatisiert. Bis auf die Ortsdurchfahrten haben wir kaum Verkehr. Nach etwa 70 km wird es sehr einsam und wir fahren teilweise direkt am Meer entlang, die Strecke ist traumhaft schön. Wir wundern uns über die vielen Häuserruinen zur Küstenseite hin. "Tsunami" sagen uns die Einheimischen. Der Tsunami vom 26. Dezember 2004, ausgelöst durch ein gewaltiges Seebeben vor Sumatra, betraf über 1100 km des insgesamt 1330 km langen Küstenstreifens von Sri Lanka, ca. 35.000 Menschen verloren damals ihr Leben. An der Ostküste richtete die Flutwelle besonders schlimme Schäden an.

Auch in Arugam Bay, wo wir am Nachmittag ankommen, wütete der Tsunami. Arugam zählt zu den Top-Surfspots in der Welt und konnte sich im Gegensatz zu allen anderen Touristenzielen an der Ostküste auch während des Bürgerkriegs behaupten. Selbst in den schwierigsten Zeiten blieben viele Hotels geöffnet. Wir haben freie Auswahl bei den Unterkünften (aber gottseidank nicht, weil es eine Tsunami-Warnung gibt), im Moment ist hier Nebensaison, weil die Wellen für die Surffreaks zu niedrig sind. So sind wir mit ein paar anderen Touristen alleine hier und mieten uns für zwei Tage in einem wunderschönen Zimmer mit Balkon und Meeresblick ein.





Regen hinter Kandy: Bei diesem kleinen Geschäft stellen wir uns
 unter und bekommen sogleich einen Stuhl angeboten.



Sigirya: Granitmonolith mit Felsenfestung aus dem 5. Jahrhundert




Arbeitselefant bei Sigirya



Verkehresfreies Sträßchen hinter Sigirya. 
 Der Stock dient als Abwehrwaffe bei Hundeattacken.




Regenpause



Gepäckradler unter sich (1)




Gepäckradler unter sich (2)



  Da kommt Neid auf: Mit einem Ochsenkarren kann man
 viel mehr transportieren als mit einem Fahrrad.



 Immer noch sichtbar: Tsunamischäden an der Ostküste



Die "Evacuation route" verläuft hier parallel zur Küste!??



 Lagune kurz vor Arugam Bay



 Arugam Bay: Der dänische Besitzer dieses Hotels kam 2004 bei dem Tsunami ums Leben.



 Nomen est omen: Dieses Hotel wurde 5 Jahre vor dem Tsunami eröffnet.



Freie Auswahl für uns: Es gibt zahlreiche Hotels in Arugam Bay, aber jetzt in der Nebensaison kaum Gäste.



 Sandy Beach Hotel in Arugam Bay: 
Wohl unsere schönste Unterkunft in Sri Lanka






 Blick von unserem Balkon




 Tagesausflug in Richtung Yala East Nationalpark: Wasserbüffel



Unser Ausflug (2)


Unser Ausflug (3)


Bananen als Proviant für die Fahrt ins Hochland