Donnerstag, 4. Juli 2013

Washington D.C. (2): Radtour am C&O Canal

20. bis 25. Juni 2013

Unsere Radtour führt uns am Potomac River entlang, der mitten durch Washington fließt. Parallel zu diesem mächtigen Fluss verläuft in nordwestlicher Richtung der „Chesapeake and Ohio Canal“, auch kurz „C&O Canal“ genannt. Er sollte die Ostküste der USA auf dem Wasserweg mit den Großen Seen und dem Ohio River verbinden, da der Potomac wegen vieler Stromschnellen und Fälle nur begrenzt schiffbar ist. Der Kanalbau dauerte von 1828 bis 1850, es war ein ehrgeiziges Projekt und gestaltete sich aus unterschiedlichen Gründen schwierig. Z.B. sorgte der Potomac selber für immer neue Überraschungen, da seine Wasserstände erheblich schwankten. Später gab es große Konkurrenz durch die teilweise parallel verlaufende Eisenbahn. Trotzdem war der C&O Canal von 1850 bis 1924 in Betrieb, bis schließlich eine Hochwasserkatastrophe die Anlage so stark beschädigte, dass sich eine Wiederherstellung nicht mehr lohnte und es zur Einstellung des Kanalbetriebs kam. 

Jahrzehntelang kümmerte sich niemand um den Kanal. Danach gab es unterschiedliche Ideen, was mit dem alten Wasserweg passieren solle. Einige plädierten dafür, den Kanal zuzuschütten und auf seiner Trasse eine Straße anzulegen, um so den Autofahrern eine angenehme Fahrt den Potomac entlang zu ermöglichen. Am Ende siegten aber gottseidank diejenigen, die die gesamte Kanallandschaft bewahren wollten. So entstand 1971 der „Chesapeake and Ohio Canal National Historical Park“, der die gesamte Kanalstrecke als Kulturgut unter Schutz stellt – beginnend in Washington, im Stadtteil Georgetown, endend ca. 300 km weiter in der Stadt Cumberland. Der alte Treidelpfad, von dem aus vor langer Zeit die Transportkähne gezogen wurden, ist jetzt ein Wander- und Fahrradweg – und genau den wollen wir radeln.

Georgetown ist nicht sehr weit von der „National Mall“ im Zentrum von Washington entfernt, wo sich die Touristen drängen, aber als wir den alten Kanalweg erreichen, fühlen wir uns plötzlich wie in einer Oase der Ruhe – und das mitten in diesem dicht besiedelten Balllungsraum. Im Stadtbereich von Washington ist auf dem Weg noch relativ viel los, Spaziergänger, Jogger, Radfahrer, dann wird es sehr ruhig. Wir sind insgesamt sechs Tage unterwegs und haben sehr gutes Wetter. Nur am vorletzten Tag regnet es etwas, ansonsten bleibt es trocken, meist scheint voll die Sonne, glücklicherweise, denn der gesamte Weg ist geschottert und nasser Schotter lässt sich schwer fahren. Von den regnerischen Tagen davor haben wir zu Beginn noch viele matschige Stellen, später trocknet die Oberfläche immer mehr ab und wir können richtig Tempo machen. Manchmal verläuft der Kanal durch Wald und wir radeln wie durch einen grünen Tunnel, oft haben wir aber auch offene Blicke, zum Kanal und zum Potomac hin – wir fahren ja genau zwischen den beiden Wasserwegen.

 Der C&O-Kanal führt allerdings nur noch teilweise Wasser, dort sind dann Ausflugsboote und Kajaks unterwegs, ansonsten ist er zugewachsen und kaum noch als Kanal zu erkennen. Über 70 Schleusen halfen, den Höhenunterschied auf der Strecke zu überwinden, die Häuser der Schleusenwärter wurden restauriert und können z.T. als Unterkünfte gemietet werden. Der National Historical Park ist auf den gesamten 300 km mit kostenlosen „hiker-biker campsites“ ausgestattet, einfachen Übernachtungsplätzen mit Raum für eine begrenzte Anzahl von Zelten. Alle verfügen über einen Tisch, „pits“ (mobile Toiletten) und Wasser aus einer Pumpe. Manche Pits kann man riechen, bevor man sie erreicht, das Wasser ist mit Jod behandelt und gesundheitlich unbedenklich, aber fast ungenießbar. Doch sind die Plätze immer schön gelegen, oft mit Blick auf den Potomac. Solange wir am Kanal bleiben, befinden wir uns in einem abgeschotteten Raum. Bis auf die Stellen mit Straßenzugang sind insgesamt sehr wenig Leute unterwegs, wir hören nur die Vögel zwitschern, beobachten Hirschkühe mit Kitzen und Eichhörnchen, die über den Weg flitzen. Wenn wir abends rausfahren, um Wasser zu holen und fürs Abendessen einzukaufen, sehen wir erst, was „da draußen“ los ist: stark befahrene Straßen, sehr heiß – und extrem hügelig, am Kanal fahren wir ausschließlich flach. Dann sind wir froh, wieder zu unserem einsamen, ruhigen und vergleichsweise kühlen Kanal zurückkehren zu können….

Eigentlich hatten wir geplant, den ganzen C&O-Kanal zu fahren, bis Cumberland. Dort gibt es Anschluss an einen anderen Kanalweg, der bis Pittsburgh führt, noch einmal 141 Meilen (ca. 230 km), insgesamt also über 500 km. Von Pittsburgh wollten wir dann mit der Bahn zurückfahren, denn wir möchten vor unserer Abreise nach Island auch noch ein paar Tage in Washington verbringen. Aber der einzige Zug, der Räder mitnimmt, würde Pittsburgh nachts um 4 h verlassen, außerdem müssen die Räder in Boxen verpackt werden. Mitten in der Nacht in einer amerikanischen Großstadt mit Rädern zum Bahnhof - das ist sicher keine gute Idee. In Cumberland, am Ende des C&O-Kanals, darf man den Zug mit Rädern gar nicht besteigen. Einen Taxiservice gibt es zwar, aber extrem teuer.So bleibt uns nichts anderes übrig, als denselben Weg wieder zurückzufahren.  Wir radeln bis Meile 130 und kehren dann um. "Leopards Mill", unsere letzte „Hiker-biker Campsite“, bevor wir drehen, ist auch unsere schönste und wir haben sie ganz für uns alleine. Am vorletzten Tag zieht nachmittags ein Gewitter auf, viel Regen fällt nicht, aber der nasse Schotter bremst uns schon deutlich ab. Am nächsten Morgen werden wir oft durch heruntergefallene Äste und querliegende Baumstämme behindert. Einmal müssen wir den Weg sogar verlassen, weil es gar kein Durchkommen mehr gibt. Offenbar hat sich hier das Unwetter so richtig ausgetobt. Vor den Gewitterstürmen in den USA haben wir großen Respekt. Einmal überraschte uns auf einer anderen Fahrradtour von South Dakota nach Las Vegas ein Sommergewitter auf einem Campingplatz im Mittleren Westen. Das Zelt stand schon, wir suchten Schutz in der Toilette. Als wir uns wieder hinauswagten, war draußen alles weiß – von mehr als kirschgroßen Hagelkörnern. Durch unser Zelt floss ein kleiner Schlammbach, die Schlafsäcke waren nicht mehr zu benutzen. Wir riefen ein Motel im Ort an, das uns abholte, Zelt und Fahrräder mussten wir zurücklassen. Mit der Geschichte waren wir einen Tag später im örtlichen Käseblättchen…..

Unsere Radtour am C&O Canal entlang:



       Takoma Park

StepMap Takoma Park





Der Chesapeake and Ohio Canal beginnt in Georgetown, 
einem Vorort von Washington. 
Ab hier ist der Potomac nicht mehr schiffbar.



Am Kanal führt ein Treidelweg entlang, der heute  als Wander- und Radweg genutzt wird. 
Der Potomac fließt parallel zum Kanal, ist aber wegen des dichten
 Uferbewuchses oft nicht zu sehen.



Das Gebiet wird vom US National Park Service verwaltet.




Potomac River



Hier kommt nicht mal ein Wildwasserkajak durch:
Die "Great Falls" des Potomac, ca. 25 km hinter Georgetown.



Unser erster Zeltplatz: Chisel Branch Hiker-Biker Campsite



Historisches Schleusenwärter-Häuschen am Kanal



Am Kanal sieht man häufig Wildtiere, wie z.B. diese Kanadagänse ...



White-tailed Deer (deutsch Weißwedelhirsch)



Great Blue Heron (Amerikanischer Graureiher)



Vorsicht: Schildkröte auf dem Radweg!!




Der Leopards Mill Campground liegt besonders schön, wir zelten unmittelbar am Fluss. 
Die kostenlosen Hiker-Biker Campsites sind im Durchschnitt 
4 bis 8 Meilen voneinander entfernt.



Leopards Mill Campground:  Jeden Abend kochen wir auf dem Hobo ein leckeres Essen.
 Die frischen Zutaten kaufen wir uns tagsüber in einem der Orte, 
die in der Nähe des Kanals liegen.



Der Kanalweg als "grüner Tunnel"



Ehrenamtliche Helfer patroullieren täglich auf dem Kanalweg.



"Grüner Tunnel" (2)



Der Kanal macht müde!



Auf dem Rückweg nach Washington: Horseshoe Bend  Hiker-Biker Campsite



Horseshoe Bend  Hiker-Biker Campsite (2)



Schilderwald am Ortseingang von Brunswick (Maryland), wo wir für das Abendessen einkaufen und uns während eines Gewitters unterstellen. 
Ursprünglich hieß der Ort "Berlin", weil es hier viele deutsche Siedler gab.



Unser letzter Zeltplatz auf dem C&O-Kanal: Calico Rocks



Unwetterschäden: An unserem letzten Tag ist ein Teil des Kanalweges durch 
umgestürzte Bäume blockiert. Glücklicherweise können wir diesen 
Abschnitt auf Straßen und Feldwegen umfahren. 



Zurück am Kanal - nach Georgetown ist es jetzt nicht mehr allzu weit.



Schönes Schleusenwärterhäuschen kurz vor Georgetown ...



... aber ein paar Meilen weiter ist es mit Ruhe und Einsamkeit vorbei,
 wir stehen mitten in Washington, vor dem Kapitol, dem Sitz der 
beiden Kammern des amerikanischen Parlamentes.