Mittwoch, 3. Juli 2013

Kalifornien 4: Vom Kings Canyon/Sequoia National Park nach Fresno und Sacramento

29.5.2013  bis 2.6.2013

 Wir bleiben zwei Tage im Kings Canyon National Park im Herzen der Sierra Nevada, und übernachten auf dem Sunset Campground, unweit des Kings Canyon Besucherzentrums im äußersten Westen des Parks, der mit dem unmittelbar benachbarten Sequoia National Park zusammen verwaltet wird. Das Gelände der beiden Parks ist groß und weist wegen extrem unterschiedlicher Höhen zwischen 400 m und über 4000 m nicht nur in landschaftlicher Hinsicht eine beeindruckende Vielfalt auf. Nur wenige Straßen erschließen das Gebiet, doch gibt es ca. 2000 km markierte Wanderwege. Hauptattraktion sind aber zweifellos die Sequoias, Riesenmammutbäume, die bis zu 94 m hoch und über 3000 Jahre alt werden können und einen Durchmesser von bis zu 12 m erreichen. Das natürliche Verbreitungsgebiet dieser immergrünen Koniferenart liegt nur hier, an den Westhängen der Sierra Nevada in Kalifornien, wo die Giganten in verstreuten Hainen wachsen. Sie sind von der letzten Eiszeit verschont geblieben und so als einzige Überlebende eine Erinnerung daran, wie Bäume aussahen, die vor 100 Mio. Jahren in weiten Teilen der Erde gediehen. Zwar können ihre nächsten Verwandten, die Küstensequoien in Nordkalifornien, noch höher wachsen, sie sind aber viel schlanker und haben bei weitem nicht so viel Masse.
Am Tage unserer Ankunft fahren wir nachmittags noch zum nahe gelegenen „General Grant Grove“, einem Sequoia-Hain, in dem auch der General Grant Tree steht, der volumenmäßig zweitgrößte Baum der Erde, 81 ½ m hoch, an der Basis 10 m Durchmesser, geschätzte 2000 Jahre alt. Wir laufen den Fußweg, der durch den Hain führt. Wie gigantisch diese archaischen Bäume sind, kann man erst wirklich ermessen, wenn man davor steht. Wie Zwerge fühlen wir uns angesichts der unglaublichen Riesen, die endlos in den Himmel zu ragen scheinen. 


Den ersten Weißen, die die Sequoias um 1830 während einer Expedition in der Sierra Nevada entdeckten, glaubte man nicht. Wirklich zur Kenntnis nahm man die Riesen erst ca. 20 Jahre später und sogleich wurde mit dem Fällen der uralten Bäume begonnen, obwohl sich schnell herausstellte, dass das Holz der Sequoias von geringer Qualität war und das Fällen und der Abtransport sich als sehr schwierig gestaltete. Erst die Schaffung des Sequoia National Parks im Jahre 1890 stoppte die Abholzung und stellte die einzigartigen Bäume unter Schutz. Der „Big Stump Trail“ in der Nähe des Parkeingangs zum Kings Canyon National Park führt durch ein altes Abholzungsgebiet mit riesigen Baumstümpfen. Hier wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die vermutlich größten Sequoias überhaupt gefällt.


Der Abend auf dem Campingplatz ist angenehm kühl – wir befinden uns ja hier auf ca. 2000 m Höhe - und auch sehr ruhig. Die meisten Touristen zieht es wohl eher nach Lodgepole im Sequoia National Park, wo es mehr Serviceangebote für Besucher gibt und den bekannten „Giant Forest“, einen besonders spektakulären Sequoia-Hain. 


Die Sierra Nevada ist auch Lebensraum für die Schwarzbären, jeder Stellplatz auf dem Campground ist deshalb mit einem Stahlschrank ausgestattet, in dem man nach Ankunft unverzüglich sämtliche Lebensmittel verstauen soll, ebenfalls alles, was stark riecht, wie Zahnpasta, Seife, Deo etc., damit die Bären gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen. 1990, als wir zum ersten Mal hier waren, zufälligerweise auch auf dem Sunset Campground, gab es lediglich Warnschilder, die dazu aufforderten, alles Essbare im Auto aufzubewahren. Nachts um 3 Uhr wurden wir damals durch lautes Getöse aus dem Schlaf gerissen, Taschenlampen flackerten plötzlich, Stimmen schwirrten durcheinander. Gerold verfolgte den nächtlichen Aufruhr aus dem Zelt heraus und beobachtete, wie unsere Nachbarn, eine Latino-Großfamilie, die spät am Abend noch aufwendig gekocht hatte, mit großem Lärm einen Bären vertrieb  – die hatten wohl nach dem Essen ihren Tisch zumindest nicht vollständig abgeräumt.....


An den nächsten beiden Tagen erkunden wir mit den Rädern die Nationalparks. Wir fahren rüber nach Lodgepole zum Sequoia National Park. „Rolling Hills“ würden uns hier erwarten, erklärte uns eine Rangerin, am Ende dieses anstrengenden Trips zeigt unser Tacho fast 90 km und über 1700 Höhenmeter. Aber es lohnt sich: Auf dem Generals Highway, der die beiden Nationalparks verbindet, fühlt man sich oft wie auf einer Aussichtsplattform, so spektakulär sind die Blicke ins Central Valley. Die größte Attraktion im Sequoia National Park ist der „Giant Forest“ mit besonders schönen Exemplaren der Riesenmammutbäume. Auf dem Wege dorthin schauen wir uns auch noch den General Sherman Tree an, den volumenmäßig größten lebenden Baum der Erde. Ein Fußweg führt zu dem Giganten, dessen Alter auf unglaubliche 2300 bis 2700 Jahre geschätzt wird.  Mit einer Höhe von 83,8 m ist er fast unfotografierbar. An der Basis hat er einen Durchmesser von 11 m, was einem Umfang von 31 m entspricht. Die Krone ist abgestorben, in die Höhe wachsen kann er also nicht mehr, wohl aber in die Breite. Alte Mammutbäume sind nahezu unzerstörbar. Ihr Holz enthält eine Substanz, die sie quasi immun gegen Insekten- und Pilzbefall macht, auch Stürme können ihnen so leicht nichts anhaben, die dicke Rinde trotzt selbst schweren Waldbränden, die Bäume wachsen einfach unbeeindruckt weiter. Die größte Gefahr für sie geht vom Menschen aus.


In der Nähe des Kings Canyon Besucherzentrums fahren wir noch steil hoch zum Panoramic Point, einem Aussichtspunkt auf 2300 m Höhe, von dem aus man einen phantastischen Blick auf die Berggipfel der Sierra Nevada hat, unter denen es etliche Viertausender gibt, z.B. den Mt. Whitney, den man von hier aus allerdings nicht sehen kann. Er ist mit 4418 m der höchste Berg in den USA außerhalb von Alaska.


Am Tag unserer Abreise laufen wir noch den kurzen Big Stump Trail mit den Riesenbaumstümpfen, auch direkt am Parkeingang gibt es einen beachtlichen Baumstrunk, auf dem ich Gerold mit vier Grazien ablichte. Dann lassen wir uns auf der 180 wieder zurück ins Central Valley rollen, fast 2000 Höhenmeter verlieren wir bei dieser rasanten, über 30 km langen Abfahrt. Oben in der Sierra Nevada war die Temperatur angenehm, hier unten im Tal empfängt uns Backofenhitze. Für heute sind wir bei Susan und Brian von „Warmshowers“ in der Nähe von Fresno angemeldet, wo wir am späten Nachmittag nach einer glutheißen Anfahrt durch endlose Orangenplantagen ankommen. Unsere Gastgeber wohnen inmitten einer Granatapfelplantage, die sie aber eher hobbymäßig betreiben, und mit Blick auf den Kings River, der für den dramatischen Kings Canyon im Nationalpark verantwortlich ist. Brian stammt von hier und war früher Manager von Rosinenfarmen, Susan ist Lehrerin und kommt aus der kühleren Bay Area. An die Sommerhitze im Valley habe sie sich nach all den Jahren immer noch nicht gewöhnt, meint sie, da müsse man wohl hier geboren sein. Zum Anwesen gehört auch noch ein wunderschöner Garten mit Teich, den die beiden selber gestaltet und bepflanzt haben. Beim Abendessen – es gibt frisch zubereitete Leckereien aus dem Garten, dazu köstlichen Granatapfelsaft aus 100 % Frucht – erzählen wir von unseren Plänen, durch das Valley zum Yosemite National Park in der Sierra Nevada zu radeln. Brian rät uns dringend ab. An den  nächsten Tagen soll die Temperatur auf über 40 Grad steigen. Außerdem seien die Campgrounds im Yosemite schon Wochen im Voraus ausgebucht. Nur einige wenige Plätze würden für Besucher ohne Reservierung freigehalten und jeden Tag neu vergeben, dafür würden die Leute aber morgens schon stundenlang anstehen. Brian hat eine viel bessere Idee: Als Radfahrer weiß er, dass man auf der Strecke Fresno – Sacramento Räder unverpackt im Zug mitnehmen darf. Auf diese Weise könnten wir den Glutofen Central Valley bequem und klimatisiert verlassen. Wir sind schnell überzeugt – die Hitze war heute schon brutal und ein Abstecher in den Yosemite macht wegen der Übernachtungsprobleme auch keinen Sinn. 


Am nächsten Morgen bringen uns Brian und Susan mit ihrem Pickup zum Bahnhof nach Fresno, total nett. Zum Frühstück gab es frisch zubereiteten Brotpudding mit den letzten Aprikosen aus dem Garten, superlecker. Außerdem bekommen wir zwei Flaschen tiefgefrorenen Granatapfelsaft mit auf den Weg. Dick eingepackt in mehrere Kleidungsstücke bleibt er lange kühl und erfrischt uns bis zum Nachmittag.





Nach rund 2000 Höhenmetern Anstieg gabelt sich die Straße. 
Wir wollen einige Tage im Kings Canyon Nationalpark zelten und von dort Tagesausflüge in die Umgebung machen.


Hier oben ist die Sierra Nevada dicht bewaldet.




Besonders schöne Sequoia-Bäume im Kings Canyon National Park - 
leider hat die Parkverwaltung unmittelbar daneben Toilettenhäuschen aufstellen lassen.



Vor den  Sequoias (2)



      "Nationaler Weihnachtsbaum" der USA im General Grant Grove 
(Kings Canyon National Park): Dieser Riesenmammutbaum 
(Sequoiadendron giganteum) heißt nach einem General aus dem amerikanischen Bürgerkrieg "General Grant Tree" und ist, gemessen am Holzvolumen des Stammes, der zweitgrößte Baum der Welt.
Im Jahr 1926 wurde er durch eine Präsidentenverfügung 
zum "Nation´s Christmas Tree" erklärt.



General Grant Tree (2)



General Grant Tree (3)



General Grant Tree (4): Hier erkennt man, dass der Baum schon viele Waldbrände erlebt hat, die ihm aber nicht wirklich etwas anhaben konnten. 
Seine dicke, schwer entflammbare Rinde schützt ihn.



Waldlichtung auf dem Weg zum "Panoramic Point" 



"Panoramic Point" im Kings Canyon NP auf 2200 m Höhe 
mit Blick auf die Viertausender der Sierra Nevada


Unser Zeltplatz im Nationalpark: 
Zu jeder Campsite gehört eine Sitzbank, eine Feuerstelle und ein Stahlschrank, in dem man alle Nahrungsmittel verstauen muss ...



... um hungrigen Schwarzbären keine Chance zu geben!
Haben die Tiere nämlich erst einmal gelernt, dass es auf Campingplätzen etwas zu holen gibt, kommen sie immer wieder, dringen auf der Suche nach Essbarem in Zelte ein, brechen Autos auf.
Solche Problembären sind für Menschen gefährlich 
und werden "destroyed", d.h. abgeschossen.



Das  Abendessen kochen wir fast immer auf dem selbstgebastelten "Hobo-Stove". Als Brennstoff reichen in paar Zweige.



Anstrengender Tagesausflug (fast 90 km und 1700 Höhenmeter) zum 
Sequoia National Park



Unterwegs zum Sequoia National Park (2)



                        Unterwegs zum Sequoia National Park (3)



Unter einem Mammutbaum



Die Baumriesen sind gar nicht so einfach zu fotografieren!



Größter, aber nicht höchster Baum der Welt: 
Der "General Sherman Tree" im Sequoia National Park. 
Er wurde nach einem Bürgerkriegsgeneral benannt, 
ein paar Jahre lang hieß er aber auch "Karl Marx Tree" . 
Sein Alter wird auf über 2000 Jahre geschätzt



http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/2/28/Baumstumpf_2.jpg
Rund 90% des Bestandes an Riesenmammutbäumen 
fiel der Holzindustrie zum Opfer.




Zusammen mit vier Grazien auf einem über 100 Jahre alten Sequoia-Stumpf.



Riesensequoia-Baumstumpf (2)

2000 Höhenmeter "downhill" vom Nationalpark nach Fresno im Central Valley



Hier unten ist es flirrend heiß - 
dabei hat  der Sommer noch gar nicht richtig angefangen.



Leckeres Abendessen bei unseren supernetten Warmshowers-Gastgebern Brian und Susan in der Nähe von Fresno. Sie raten uns dringend davon ab, weiter mit dem Rad durchs Valley bis nach Sacramento zu fahren: Eintönige Landschaft und VIEL zu heiß! "Why don´t you take the train?"



Abends relaxen wir gemeinsam mit unseren Gastgebern am Gartenteich.



Wir haben uns überzeugen lassen! Am nächsten Morgen laden wir unsere Räder auf Brians Pickup, unsere neuen Freunde bringen uns zum Bahnhof.



Wir gönnen uns was im Sabbatjahr: 
Vier Stunden superbequeme Zugfahrt nach Sacramento 
statt vier knochenharte Radltage!