Samstag, 27. Juli 2013

Island 1: Von Hafnafjördur zum Gullfoss




1. bis 8. Juli 2013


Wir landen am frühen Morgen in Keflavik/Reykjavik. Island gehört zum Schengen-Bereich, bei der Passkontrolle geht alles schnell für uns, wir fühlen uns fast schon heimisch. Noch am Flughafen treffen wir uns mit Svava und Gunnar zur Schlüsselübergabe und zum kurzen Kennenlernen. Sie fliegen heute nach England und überlassen uns ihr Haus, wir sind echte Glückspilze. Uns bleibt nur noch Zeit für einen gemeinsamen Kaffee, dann müssen die beiden schon los. Sehr schade, wir hätten gerne mehr aus erster Hand über Island und das Leben hier erfahren.

Draußen weht uns kalte Luft entgegen - nur 7 Grad! Das ist ein echter Temperaturschock, in Washington hatten wir gestern noch 35 Grad! Der internationale Flughafen Keflavik liegt ca. 50 km von Reykjavik entfernt, es regnet, deshalb nehmen wir den Flughafenbus und steigen in Hafnafjördur aus, wo Svava und Gunnar wohnen. Bis wir alles Gepäck und die Räder zu ihrem Haus transportiert haben, ist es schon früher Nachmittag. Viel machen wir an unserem ersten Island-Tag nicht, vier Stunden Zeitverschiebung machen uns wegen der schlaflosen Flugzeugnacht schwer zu schaffen. Das Wetter bessert sich, wir fahren noch in den Ort, um uns ein bisschen umzuschauen, und staunen über das Sortiment im örtlichen Supermarkt. Vor ca. 30 Jahren waren wir schon einmal mit dem Auto in Island, damals war die Versorgungslage ziemlich schlecht. Nach unserer Erinnerung gab es praktisch nichts außer tiefgefrorenem oder getrocknetem Fisch, ein paar Grundnahrungsmitteln und Schokoriegeln. Das hat sich gründlich geändert. Der Supermarkt lässt keine Wünsche offen, das Angebot ist "europäisch" - Müsli, Milchprodukte, Käse etc. in ausgezeichneter Qualität, aber auch für die internationale Küche bekommt man viele Zutaten. Es gibt eine Bäckerei, die diesen Namen wirklich verdient, mit richtig gutem Brot und Brötchen. Wir hatten mit Inselpreisen gerechnet, aber auch diesbezüglich erleben wir eine Überraschung. Manche Produkte sind nur unwesentlich teurer oder sogar billiger als in Deutschland, frisches Obst und Gemüse natürlich ausgenommen, aber isländische Tomaten, in geothermisch beheizten Gewächshäusern gezogen, kosten beim Discounter z.B. auch nur 1,70 Euro/kg. Möglicherweise sind die relativ niedrigen Preise aber auch noch die Nachwirkungen des Banken-Crashs, der Island 2008 ziemlich hart traf und zu einer starken Abwertung der Isländischen Krone führte.

Abends um 23 Uhr scheint noch die Sonne - sie verabschiedet sich im Moment nur für ca. drei Stunden und auch da wird es nicht richtig dunkel, sondern nur dämmrig. Die Mitternachtssonne ist ein ganz besonderes Erlebnis, auf das wir uns schon gefreut haben.

Am nächsten Tag radeln wir nach Reykjavik, bei gutem, aber sehr kühlem Wetter. Die isländische Hauptstadt ist nicht gerade eine Weltmetropole, hat aber ein sehr nettes Zentrum. Es wimmelt von Touristen, obwohl die Saison gerade erst anläuft. Den Mittwoch nutzen wir für eine Erkundung von Hafnafjördur und Umgebung. Der Ort wirbt für sich als „Die Stadt in der Lava“, denn er wurde auf 7000 Jahre alter Lava erbaut. Tatsächlich breiten sich um Hafnafjördur herum riesige Lavafelder aus, viele Häuser stehen mittendrin, wie auch der einzige isländische Ikea, sicher auch für dieses Weltunternehmen ein einzigartiger Standort. Hafnafjördur gehört zu den ältesten Städten Islands und entstand v.a. wegen der guten natürlichen Hafenbedingungen, deutsche und britische Kaufleute handelten hier schon im 15. Jahrhundert. Wir schauen uns das kleine, sehr interessante Museum zur Geschichte des Ortes an und bewundern die schönen, farbenfrohen alten Holzhäuser. Hafnafjördur liegt ca. 10 km von Reykjavik entfernt und gehört zum Hauptstadtgebiet, in dem gut 200.000 von den insgesamt ca. 320.000 Isländern wohnen, was zeigt, wie groß die Verstädterung in Island ist.

Dann fahren wir noch weiter zur Halbinsel Alftanes, wo wir uns den Außenbereich von „Bessastadir“ anschauen, seit 1944 Amtssitz des isländischen Staatspräsidenten. Es handelt sich um einen ganzen Gebäudekomplex mit einer sehr schönen Kirche aus dem 18. Jahrhundert.
Am nächsten Tag wollen wir abreisen, aber Gerold hat an seinem Rad Probleme mit Bremse und Schaltung festgestellt und repariert stundenlang, also verschieben wir unseren Aufbruch. 

Am Freitag geht es dann endlich los, obwohl die Wetterprognose schlecht aussieht. Wir sind deshalb früh unterwegs, schaffen es aber nur bis Mosfellsbaer, einen größeren Ort, der noch zum Hauptstadtgebiet zählt. Als wir dort kurz halten, spricht uns ein Mann an und warnt uns vor einem Unwetter, das für den Nachmittag gemeldet sei, mit schwerem Sturm und Starkregen. Tatsächlich sieht der Himmel rabenschwarz aus, wir nehmen die Warnung deshalb ernst und bleiben auf dem örtlichen Campingplatz. Kaum steht das Zelt, um gerade mal 12 Uhr mittags, da beginnt es schon zu schütten. Der Sturm wird im Laufe des Nachmittags so stark, dass wir um unser Zelt fürchten. Es regnet und stürmt ununterbrochen bis zum nächsten Mittag, über 12 Stunden. Am selben Tag schaffen wir es dann immerhin noch, trocken und mit starkem Rückenwind in Þingvellir anzukommen, UNESCO-Weltkulturerbe und eine der Hauptsehenswürdigkeiten in Island. Wenn man den Wind hier im Rücken hat, kann man sich glücklich schätzen, wir werden geradezu geschoben. In Þingvellir holt uns der Regen wieder ein, am Abend können wir uns aber dann doch noch bei besserem Wetter das „nationale Heiligtum“ der Isländer anschauen. Hier trat 930 n. Chr. zum ersten Mal das isländische Parlament („Althing“) zusammen., der Standort lag zentral am Kreuzpunkt zahlreicher Reitpfade aus allen Teilen des Landes. Das Althing in Þingvellir war die höchste politische Instanz des Landes und Parlament und Gerichtsort zugleich, dort wurden Rechtsstreitigkeiten aus dem ganzen Land geschlichtet. Bis 1798 blieb Þingvellir der Hauptversammlungsort der Nation, obwohl Island 1264 Teil des norwegischen und später des dänischen Königreiches wurde. Am 17.6.1944 fand hier die Unabhängigkeitsfeier statt, als die Republik Island ausgerufen wurde, und auch heute noch werden hier große Feste gefeiert. Das Þingvellir-Gebiet ist auch geologisch interessant. Die alte Parlamentsstätte liegt nämlich auf einer Vulkan- und Spaltenzone, die sich quer von Südwesten nach Nordosten durch Island zieht. Die Zone ist Teil des nordatlantischen Rückens, der die nordamerikanische von der eurasischen Kontinentalplatte trennt. Þingvellir liegt in einer Talsenke, die dadurch entstanden ist, dass die Kontinentalplatten auseinanderdriften. Wir haben Glück, diesen besonderen Ort praktisch ohne Touristen zu erleben, am nächsten Morgen ist dort die Hölle los.

Der Sonntag bleibt trocken bis zum Mittag, dann beginnt es wieder zu regnen. Wir machen gerade eine Pause in dem kleinen Ort Laugarvatn, schauen uns den Regen eine Weile an und checken dann in der örtlichen Jugendherberge ein, es ist nämlich dazu wie an den vorherigen Tagen auch noch ziemlich kalt, nur 8 Grad. Die Jugendherberge, eine der größten des Landes, verfügt über mehr als 100 Betten und ist bis zum Abend voll ausgebucht: gestrandete Radler, durchgefrorene Wanderer und frustrierte Autotouristen bevölkern den großzügigen Küchen- und Aufenthaltsbereich. Vor 30 Jahren gab es solche Unterkunftsmöglichkeiten gar nicht, heute findet man überall Hotels, Hütten, Hostels und praktisch jeder auch noch so kleine Ort verfügt über einen Campingplatz. Wir kämpfen tapfer gegen den Frust an, dass wir wegen des Regens pro Tag nicht über 30 km hinauskommen. Immerhin gibt es kostenlosen Internetzugang in der Jugendherberge, was in Island noch eher eine Seltenheit ist, und wir können am Blog arbeiten. Es regnet den ganzen Nachmittag und in der Nacht und am nächsten Morgen immer noch. Wir brechen erst gegen 11 Uhr auf, kaum sitzen wir auf den Rädern, beginnt es schon wieder zu nieseln, die Wolken hängen so tief, dass wir kaum etwas sehen können. Nach ein paar Kilometern platzt Gerold ein Reifen, irgendwie haben wir im Moment eine Pechsträhne. Aber dann erreichen wir doch wie geplant, nur wesentlich später den Geysir „Strokkur“, eine der bekanntesten Springquellen der Erde, von der alle Springquellen dieser Art ihren Namen haben. Weltweit gibt es nur sechs aktive Geysirfelder, immerhin haben wir auch schon die im Yellowstone/USA und Chile gesehen. Vor 30 Jahren konnten wir den „Strokkur“ fast alleine genießen, jetzt ist dort absolut die Hölle los. Es gibt ein großes Service-Zentrum, mit Souvenirshop, Café, Imbiss, Restaurant…. Der Wahnsinn, wie sich hier alles verändert hat. Im letzten Sommer waren so viele Touristen in Island wie noch nie zuvor – das haben uns nicht nur Svava und Gunnar erzählt. Das Wetter ist immer noch trübe, gegen den grauen Himmel sieht der Geysir nicht ganz so beeindruckend aus.

Weiter geht’s zur nächsten Attraktion, dem Gullfoss, einem der bekanntesten Wasserfälle Islands, der in zwei Stufen insgesamt 32 m tief in eine bis zu 70 m tiefe und 2,5 km lange Schlucht stürzt. Es geht schon auf den Abend zu, als wir dort ankommen, aber es ist noch einiges los. Der Wasserfall ist so sensationell wie wir ihn in Erinnerung hatten. In der Nähe gibt es das „Gullfoss Kaffi“, ein Besucherzentrum mit Café, Souvenirshop und Restaurant. Die Entstehung dieses „Kaffi“ ist beispielhaft für die vielen Veränderungen in Island, die der wachsende Tourismus mit sich brachte: Eine Bauernfamilie errichtete 1993 zunächst ein Zelt, um dem müden Reisenden nach der damals viel beschwerlicheren Anreise auf nicht asphaltierten Straßen Erfrischungen anzubieten. Drei Jahre später wurde aus dem Zelt ein Haus mit mehr Komfort und noch einmal drei Jahre später entstand schließlich das derzeitige Gullfoss-Zentrum. Als wir Anfang der 80er Jahre in Island waren, gab es hier nur den Wasserfall. 

Beschwerlich und fast so wie damals geblieben dagegen ist die Reise durch das isländische Hochland. Eine der Hochland-Routen, die sogenannte Kjölur, beginnt ein Stück hinter dem Gullfoss und ist wie alle anderen auch heute noch nicht asphaltiert - warum auch, im Hochland wohnt niemand. Das Gullfoss Kaffi ist der letzte Halt vor dem Hochland, wo es zu jeder Zeit im Jahr richtig kalt und stürmisch werden kann. Wir fahren heute bis kurz vor Beginn der Schotterpiste und zelten wild im Gelände. Das große Abenteuer beginnt erst morgen. Nachdem es den ganzen Tag über genieselt hat, kommt abends um 19 h noch voll die Sonne durch – wenn das kein gutes Vorzeichen ist!



Treffen mit Svava und Gunnar am Flughafen



Hafnafjördur - die Stadt in der Lava



Eines der ältesten Gebäude der Stadt - heute ein Museum



dito



Kirche in Hafnafjördur



Ikea in der Lava



Erlesene isländische Spezialitäten:
 Geschmorte Lammkeule mit Preiselbeersauce
und Rotkraut auf Kartoffelpüree (links)
bzw. Gebratenes isländisches Wildlachsfilet mit Dillsauce,
 Kartoffeln und Zuckererbsen - 
für jeweils nur  etwa 8 Euro!! Wo??? Bei Ikea in Hafnafjördur!!



Der Hafen von Hafnafjördur



Spaziergang am Stadtrand 



Unterwegs zur Halbinsel Alftanes: Garðakirka



Islandpferd



Kirche in Bessastadir - dem Amtssitz des isländischen Staatspräsidenten



Blick auf Reykjavik. In der Mitte die Hallgrimskirka, die evangelisch-lutherische Pfarrkirche der Stadt



Abschied von "unserem" Haus in Hafnarfjördur


So schöne Radwege gibt es in Reykjavik!
 Leider fehlt eine Beschilderung, daher ist die Orientierung schwierig. 
Immer wieder müssen wir anhalten und unser GPS einschalten.
Wegen der Unwetterwarnung flüchten wir uns auf diesen Campingplatz. 




Blick aus dem Zelt bei Sturm und Regen



Am nächsten Mittag scheint endlich wieder die Sonne.



Am größten Binnensee Islands: Wir erreichen den Þingvallavatn,
(Das "Þ" ist ein Runenbuchstabe des isländischen Alphabets und wird wie das englische "th" ausgesprochen.)



Am Þingvallavatn (2)



In der Schlucht von Þingvellir: Hier tagte das älteste Parlament der Welt, 
das isländische Althing - zum ersten Mal im Jahre 930 n. Chr.!



Þingvellir (2): Der Althing war auch der oberste Gerichtshof des Landes.
Todesurteile durch Ertränken wurden in diesem kleinen See vollstreckt.



Þingvellir (3): Als Wahrzeichen Þingvellirs gelten die Kirche aus dem Jahr 1859
 und eine kleine Gruppe von Holzhäusern.



Þingvellir (4): Wasserfall (Öxarafoss) am Rand der Schlucht 



Þingvellir (5): Die z.T. wassergefüllten Spalten hier entstanden durch 
das Auseinanderdriften der eurasischen und der nordamerikanischen Kontinentalplatten.



Þingvellir (6): Besichtigen macht hungrig:



Aus Reykjavik haben wir leckere isländische Lebensmittel mitgebracht. 
Auf dem Bild: Skyr, eine Art Quark; Roggenbrot mit Nüssen und Früchten;  Tomaten, die aus mit geothermischer Energie beheizten Gewächshäusern stammen. 




In Laugarvatn (1): Vorsicht, gefährliche heiße Quellen!



In Laugarvatn (2): Die Regenwolken hängen tief, Radelwetter sieht anders aus.



Sobald der Regen nachlässt, fahren wir weiter.



Der Strokkur ist der aktivste Geysir im Heißwassertal Haukadalur.
 Er spritzt etwa alle 5 Minuten, die Wassersäule erreicht eine Höhe von 25 - 30 Metern.



Strokkur (2)



Wieder so ein Zufall: Am Geysir treffen wir diese Nachbarn aus Jexmühle!



Der Gullfoss ist der energiereichste Wasserfall Europas.