7.4.2013
bis 13.4.2013
Wir
verbringen zwei angenehme Tage in Matsuyama, der größten Stadt auf der Insel
Shikoku. Der Ort gefällt uns richtig gut, er hat ein gewisses Flair, mit der
Matsuyama-Burg, die sich malerisch auf einem Hügel mitten im Stadtzentrum
erhebt und die wir von unserem Hotelzimmer aus sehen können. Wir schauen uns
die Burg an, leider ist die Kirschblüte schon vorbei, aber immer noch
picknicken viele Japaner unter den verblühten Bäumen, obwohl es nach einem
Temperatursturz winterlich kalt geworden ist. In Matsuyama befindet sich
außerdem eines der ältesten Thermalbäder Japans, das Dogo-Onsen. Das
dreistöckige Holzgebäude ist schon von außen eine Augenweide, ein Bad ist
natürlich ein Muss. Das Dogo-Onsen hat vier verschiedene Preisklassen, man kann sich
nach dem Bad auch noch Tee und japanische Süßigkeiten in einem Tatami-Raum
servieren lassen, das kostet natürlich mehr. Ein öffentliches japanisches Bad ist übrigens sehr
speziell, man sitzt mit anderen zusammen in einem Becken und wäscht sich aus
diesem Grund, bevor man im Adamskostüm ins Wasser steigt. Auch in
Privathaushalten, wo man dasselbe Badewasser hintereinander benutzt, ist das
so: Erst in einer Art Vorraum waschen, dann in die Wanne und entspannen. Die
japanische Onsenkultur ist etwas ganz Besonderes. Man könnte allein einen
ganzen Urlaub damit verbringen, verschiedene Onsen zu besuchen. Es gibt nämlich
ganz verschiedenartige, unter freiem Himmel, versteckt in den Bergen etc. etc.
Durch
Shikoku verläuft ein uralter Pilgerweg, ca. 1200 km lang und an 88 Tempeln
vorbei. Einige davon befinden sich in Matsuyama, z.B. der Ishite-Tempel, den
wir uns anschauen, als gerade eine Pilgergruppe eintrifft, die allerdings mit
dem Bus angereist ist. Wir haben unterwegs aber auch wandernde Pilger gesehen.
Sie sind leicht zu erkennen an ihrem typischen Gewand und dem
charakteristischen runden Pilgerhut. Unverdrossen stapften sie im Regen die stark
befahrene Straße entlang, der größte Teil des Weges ist so geführt – da würde
ich vielleicht auch lieber in einen Bus steigen. Aber mit dem Rad könnte man diese Pilgerreise einmal
machen, das wäre ein Projekt für den nächsten Japan-Urlaub - diesmal haben wir eine Tour ins Iya-Tal im
Zentrum der Insel geplant. Shikoku hat
viele Gipfel von fast 2000 m Höhe, es wird also wieder anstrengend, aber das
reizt uns ja gerade. Dass Japan ein Land der Gegensätze ist, erleben wir auch
hier wieder hautnah: Hinter Matsuyama müssen wir uns noch lange durch dichten
Verkehr kämpfen, dann biegen wir Richtung Berge ab und befinden uns nach nur
ein paar Kilometern in einer völlig anderen Welt. Über einen niedrigen Pass
erreichen wir ein tief eingeschnittenes Tal. An den steilen Berghängen kleben
verstreut Häuser, das erinnert mich irgendwie an die Alpen. Wir fahren unten im
Talgrund in leichtem Auf und Ab über ein ganz schmales Sträßchen, auf dem kaum
Autos unterwegs sind. Verrückt! Eben haben wir noch über die Autos geflucht und
sind an einem Supermarkt nach dem anderen vorbeigefahren. Jetzt versorgen wir
uns für den Abend in einem Dorfladen, in dem eine alte Dame freundlich lächelnd
auf einer Tatamimatte sitzt, um sie herum stapeln sich in chaotischem
Durcheinander die Waren.
Das
abgelegene Iya-Tal im Osten Shikokus erreichen wir nach 1 ½ Tagen. Es ist von
hohen Bergen umgeben, dicht bewaldet und sehr einsam. Wir fahren über die alte
Straße Nr. 32 in die Schlucht hinein, die dem Lauf des glasklaren
Iya-Flüsschens folgt. In der ersten Nacht bleiben wir auf einem offiziellen
Campingplatz, der eigentlich noch geschlossen ist, aber es ist unmöglich, in
dem engen Tal anderswo einen geraden Platz für das Zelt zu finden. Am nächsten
Tag haben wir auf der Weiterfahrt spektakuläre Blicke in die Schlucht.
Landschaftlich ist es vielleicht unsere schönste Strecke in Japan. In Nishi Iya
sind wir schon wieder aus der Schlucht heraus, aber es bleibt auch weiterhin schön. Der Ort ist
bekannt für die „Kazura-bashi“, eine
kunstvoll geflochtene Lianenhängebrücke. Die Flüsse in den Bergen von Shikoku
waren früher häufig von solchen Brücken überspannt, heute gibt es nur noch
einige wenige als Touristenattraktion. An der Brücke lernen wir Lois aus
Österreich kennen, den einzigen ausländischen Reiseradler, den wir in Japan
treffen, ebenfalls Lehrer und schon im 7. Sabbatjahr mit dem Fahrrad unterwegs.
Leider hat es zu regnen begonnen. Später lichten sich die Wolken und wir können
sehen, dass auf den Bergspitzen Neuschnee gefallen ist. An diesem Abend zelten
wir auf ca. 800 m Höhe, in der Nacht friert es. Am nächsten Tag fahren wir über
einen ca. 1300 m hohen Pass wieder aus den Bergen heraus, auf einer
abenteuerlichen Straße, die teilweise in sehr schlechtem Zustand ist. Hier
wohnt niemand mehr, aber in der Ferne hören wir das Hämmern von Maschinen,
irgendwo hier oben läuft offenbar ein großes Bauprojekt zur „Panzerung“ der
Natur. Auf der Passhöhe beginnt es zu
schneien. Die Abfahrt ist so steil, dass ich teilweise schiebe. Ich muss mir
Plastiktüten über meine Handschuhe ziehen, so kalt ist es. Weiter unten fahren
wir an verlassenen Häusern vorbei, auch in den Bergen von Kyushu haben wir das
häufig gesehen. Um die noch bewohnten Häuser herum herrscht z.T. ein unbeschreibliches Chaos. Sind wir hier
wirklich in Japan, denken wir dann manchmal, dem Land mit den perfekt gestylten
Häusern und gepflegten Gärten und den sorgfältig eingerichteten Tatami-Räumen?
Aber die Unordnung in japanischen Haushalten ist offenbar genauso typisch. Wenn
ich da nur an die Dorfläden denke oder an Frau Tani in Kyoto, die in ihrem
vollgeplunderten Raum kaum Platz zum Sitzen hat.
Je weiter
wir abfahren, desto wärmer wird es und desto mehr Kleidungsstücke können wir
ablegen. Ganz unten sind wir wieder zurück in der Welt des Konsums. Eigentlich
mögen wir die einsamen Berge ja lieber, aber da oben gibt es keine Sushi…. Wir schaffen
es noch am gleichen Tag bis zum Hafenort Takamatsu. Gegen Morgen, exakt um 5.33
h, wie wir später im japanischen TV sehen, beginnt das Hotel zu wackeln. Ein
Erdbeben!!! Und wir sind im 10. Stock. Der Schreck dauert eine gefühlte
Ewigkeit, in Wirklichkeit waren es wahrscheinlich nur ein paar Sekunden. Aus
den Nebenzimmern hört man Geräusche, offenbar sind auch andere Hotelgäste wach
geworden, aber niemand läuft schreiend auf den Flur und es wird auch kein Alarm
ausgelöst. Trotzdem fühle ich mich danach in unserem Zimmer nicht mehr wohl.
Das Beben hatte eine Stärke von 6,3 und ist Thema in den TV-Morgennachrichten,
wo wir Aufnahmen von zitternden
Hochhäusern und Brücken sehen.
Wir bleiben
noch einen Tag in Takamatsu und schauen uns den schönen “Ritsurin-koen“ an,
einen Landschaftsgarten im japanischen
Stil. Über 300 Kirschbäume stehen hier, leider alle schon verblüht, aber der Garten ist auch so wunderschön. Ansonsten
genießen wir nach den spartanischen Tagen in den Bergen wieder ausgiebig die
japanische Küche. Die großen Supermärkte sind immer noch ein Erlebnis für uns. Hier
werden den ganzen Tag über Speisen frisch zubereitet und dann abgepackt zum
Verkauf angeboten: Okonomiyaki (eine Art Pfannkuchen), Takoyaki (cremige
Teigbällchen mit einem Stück Oktopus darin), Tonkatsu (japanisches Schnitzel),
Yakitori (gegrillte Spieße), eine Art Kroketten mit verschiedenen Füllungen,
Tempura (Fisch oder Gemüse im Ausbackteig), Reisgerichte, Kartoffelsalat nach
japanischer Art, leicht gesüßtes japanisches Rührei und, und….. Praktisch in
jedem größeren Supermarkt gibt es eine Mikrowelle für die Kunden, wo man
schnell mal etwas aufwärmen kann. Natürlich kommt auch immer wieder Nachschub
an Sushi und Sashimi, die zu unseren Favoriten gehören. Tofu gibt es in vielen
Variationen, ebenso Pilze, beides sehr billig. Überhaupt ist Japan viel
günstiger als man im Allgemeinen so denkt. Natürlich kann man hier in kurzer
Zeit viele Yen loswerden, aber es geht auch viel billiger.
Wir feiern
in Takamatsu die im Iya-Tal erreichten 10.000 Kilometer nach – mit einer zünftigen
Sushi-Mahlzeit.
Unsere Route durch die Seto-Inlandsee und Shikoku:
Unsere Route durch die Seto-Inlandsee und Shikoku:
Die Burg von Matsuyama ist eine der am besten erhaltenen Burgen des Landes
Zusammen mit der Burgwache müssen wir "Matsuyama-jo" rufen ("Jo" ist Japanisch für "Burg").
Diese Japaner nutzen den Ausflug zur Burg für ein ausgiebiges Picknick. Dabei werden auch eine ganze Reihe großer Sake (= Reiswein) - Flaschen geleert.
Es gibt einen Riesenspaß, als ich mich beim Gruppenfoto mit ins Bild schmuggle.
Dass wir aus "Doitsu" (= Deutschland) kommen, freut die Leute ganz besonders.
Im Burghof gibt es leckeres Matcha - Eis, aromatisiert mit feingemahlenem grünem Tee.
Das Dogo-Onsen ist eines der berühmtesten Badehäuser Japans
Wie bei allen Sehenswürdigkeiten in Japan gibt es in der Umgebung des Onsen
eine Vielzahl von Geschenk- und Souvenirläden.
Pilger im Ishite -Tempel am Stadtrand von Matsuyama
Buddha-Statue mit rotem Lätzchen im Tempel
An den Tempeln können die Pilger buntbedruckte Votivtäfelchen kaufen und dann mit einem Wunsch beschrieben aufhängen. Wenn kein Platz mehr ist, werden die Täfelchen abgenommen und rituell verbrannt. So steigen die Wünsche mit dem Rauch gen Himmel.
Schöner Wildzeltplatz an einem Park
Vor der Fahrt in die Berge Shikokus stärken wir uns mit Sushi, Süßkartoffel-Tempura, Kalamares-Ringen und einer leckeren Sahnecreme mit Früchten.
Diese Sushi - Varianten sind besonders originell - und lecker.
Aufstieg in die Berge auf kleinen, kaum befahrenen Straßen
Hier oben ist vom Frühling noch nicht allzu viel zu sehen
- nur die wilden Azaleen blühen schon.
Leider auch typisch Japan: In den Bergen werden Steilhänge sehr oft mit unglaublich hässlichen, überdimensionierten Betonarmierungen versehen - angeblich, um Steinschlag und Erdrutsche zu verhindern. Meine Vermutung: Dahinter steckt der (bisher vergebliche) Versuch, über staatliche "Infrastrukturmaßnahmen" die seit dem Zusammenbruch der Bubble-Economy Anfang der 90er Jahre dahinsiechende Konjunktur anzukurbeln - das Ergebnis ist die mit Abstand höchste Staatsschuldenquote der Welt (245% des BIP für 2013)!
Der Campingplatz im Iya-Tal ist noch geschlossen, aber wir klettern
über die Absperrung und bauen trotzdem unser Zelt auf.
Schluchtstrecke im Iya-Tal, dem "japanischen Tibet"
Männeken Pis an der Iya-Schlucht
Iya-Schleife
"Kazura-bashi“ - die aus Lianen geflochtene Hängebrücke bei Nishi Iya
11.4.2013 an der Kazura-bashi: Wir haben 10.000 km geschafft.
Und dieser Kollege hat das Bild oben gemacht: Lois Jäger aus Österreich, Hardcore-Radreisender, schon sieben(!) Sabbatjahre auf dem Fahrrad, hat gerade eine mehrmonatige Tour im südlichen Afrika hinter sich, jetzt in Japan unterwegs.
Er ist der einzige ausländische Reiseradler, den wir in Japan treffen -
ausgerechnet hier im Iya-Tal, bei km 10.000 !!
Wir verlassen das Iya-Tal auf einer Nebenstrecke.
Auf dem Weg zum Pass
Passhöhe erreicht - es ist eiskalt, sogar ein paar Schneeflocken sind in der Luft.
Vor uns liegt eine Abfahrt von ca. 1300 Höhenmetern.
Bergdorf an der Strecke
In den Bergen sieht man häufig aufgegebene, baufällige Gebäude.
In diesem Schuppen rostet ein VW Käfer 1302 - so ein Auto hatte ich auch schon mal.
Bergbach auf unserer "Downhill"-Strecke
Völlig durchgefroren kommen wir weiter unten im Tal an.
In Japan findet man auf der Deichkrone größerer Flüsse z.T. gut ausgebaute Radwege
- wir müssen aber leider in eine andere Richtung.
Bildhauer-Werkstatt kurz vor Takamatsu
Der Ritsurin-koen in Takamatsu gilt als einer der schönsten
historischen Landschaftsgärten in Japan.
Ritsurin-koen (2): Besucher lassen sich durch den Garten rudern.
Ritsurin-koen (3)
13.4.2013 Schreck am frühen Morgen: Heftiges Erdbeben in Japan, Stärke 6,3 auf der Richter-Skala, und wir (fast) am Epizentrum, ausgerechnet im 10. Stock des Toyoku Inn in Takamatsu. Das Hotel schwankt eine gefühlte Ewigkeit lang.
http://www.japantoday.com/category/national/view/m6-quakes-hits-western-japan
In Takamatsu feiern wir die "10.000" nachträglich mit einem landestypischen Abendessen.
Im Uhrzeigersinn von unten:
Japanisches "Tonkatsu"-Schnitzel (zwei Stücke fehlen schon :-)),
13 verschiedene Sushi (beim Transport auf dem Fahrrad z.T. etwas verrutscht),
Inari-Sushi, Macadamia-Nüsse mit Schokoladenüberzug (als Nachtisch),
zwei Sorten Sashimi (Lachs und Weißer Thunfisch). Als Aperitif und zum Nachspülen: Reiswein /Sake (im Tetrapack, hier absolut üblich auch für hochpreisige Weine).
Japanisches "Tonkatsu"-Schnitzel (zwei Stücke fehlen schon :-)),
13 verschiedene Sushi (beim Transport auf dem Fahrrad z.T. etwas verrutscht),
Inari-Sushi, Macadamia-Nüsse mit Schokoladenüberzug (als Nachtisch),
zwei Sorten Sashimi (Lachs und Weißer Thunfisch). Als Aperitif und zum Nachspülen: Reiswein /Sake (im Tetrapack, hier absolut üblich auch für hochpreisige Weine).