Sonntag, 5. Mai 2013

Japan 4: Inselhüpfen durch die Seto-Inlandsee


4.4.2013  bis  6.4.2013

Von Hiroshima reisen wir zurück nach Shikoku, der kleinsten der vier japanischen Hauptinseln. Um schneller aus dem Ballungsraum Hiroshima herauszukommen, nehmen wir eine Fähre zu der ein gutes Stück weiter östlich gelegenen  Stadt Kure. Von dort aus wollen wir uns inselhüpfend durch das Seto-Inlandsmeer Shikoku nähern. Das „Seto-nai-kai“ ist ein Binnenmeer, eingerahmt von drei der großen Inseln (Kyushu, Honshu und Shikoku), und nur durch vier schmale Wasserstraßen mit dem offenen Ozean verbunden. Mehr als 3000 Inseln und Inselchen liegen hier. 

Die Idee, durch das Inlandsmeer zu radeln, kam uns spontan, als wir recherchierten, welche Route am fahrradfreundlichsten ist  – und stellt sich als Volltreffer heraus. Hinter Kure fahren wir noch durch dicht besiedeltes Gebiet, dann radeln wir über eine Brücke in die Inlandsee und finden uns in einer anderen Welt wieder, jenseits von Großstadthektik, Verkehrsstaus, Konsum und Kommerz. Hier geht es fast so ruhig und beschaulich zu wie in den Bergen von Kyushu. Über eine weitere Brücke erreichen wir die nächste Insel und bald steht unser Zelt unter einem blühenden Kirschbaum, hoch über einem Örtchen, mit Blick aufs Meer – keine Menschenseele weit und breit.

Am nächsten Tag radeln wir bei sonnigem Wetter fast immer am Meer vorbei, auf ganz ruhigen Straßen, über weitere Inseln, die durch Brücken verbunden sind, und haben nur nette Begegnungen. Als wir noch beim Frühstück sitzen, kommt ein älteres Ehepaar vorbei. Wir wollen gerade losfahren, da kommen sie mit Kisten voller Orangen zurück und schenken uns ein paar besonders schöne Exemplare.  Es ist wirklich ein Jammer, dass wir uns gar nicht verständigen können. Ein paar Kilometer weiter lädt uns eine Dame spontan zu einem Kaffee in ihr Haus ein. Sie kann etwas Englisch und informiert uns, dass für morgen und übermorgen schlechtes Wetter mit schweren Regenfällen gemeldet ist. Das bestätigt uns kurze Zeit später ein japanischer Radler, der eine Tagestour macht und eine Weile mit uns fährt. Er zeigt uns ein Dorf mit besonders schönen alten Häusern. Überhaupt sehen wir hier viele Radler. Über die Inseln verläuft eine ausgeschilderte Fahrradroute, die ziemlich populär zu sein scheint. Kein Wunder – schöner kann radeln nicht sein, fast autofrei, ganz einsam, praktisch immer mit Meeresblick. Überall auf den Inseln werden Orangen angebaut, die Ernte ist gerade in vollem Gange – merkwürdig, so kurz nach dem Winter. Vielleicht liegt es daran, dass die Seto-Inlandsee wegen ihrer geschützten Lage zwischen den großen Inseln durch ein gemäßigtes Klima begünstigt ist.  In Okamura verabschieden wir uns von dem netten japanischen Radler. Der kleine Ort ist eine Sackgasse, hier geht es nur noch mit Fähren weiter. Wir müssen zwei Stunden auf das nächste Boot warten und haben das Gefühl, dass hier die Zeit stehen geblieben ist. Der Dorfladen hat ein spartanisches Sortiment, auf der Straße sieht man nur alte Leute, das ist ein ganz anderes Japan. 

Die Fähre bringt uns in kurzer Zeit wieder zurück in die „Zivilisation“ und dichter besiedeltes Gebiet. Bald haben wir Anschluss an das Shimanami-kaido-Brückensystem, das als eines von insgesamt drei Brückensystemen Honshu mit Shikoku verbindet. Bis in die 80er Jahre hinein war Shikoku in erster Linie nur mit Fähren erreichbar und führte ein recht abgeschiedenes Dasein, was sich durch die Brücken enorm geändert hat. Entlang der Shimanami-Brücken führt auch ein perfekt ausgebauter und ausgeschilderter Fahrradweg mit aufwendigen Brückenauffahrten, der in Onomichi/Honshu beginnt und ca. 70 km lang ist. Eigentlich wollten wir diesen Weg komplett fahren, haben aber wegen der schlechten Wettervorhersage entschieden, schnellstmöglich nach Shikoku zu radeln. Am nächsten Morgen schaffen wir es gerade noch, das Zelt trocken abzubauen, da beginnt es schon zu regnen. Nach ca. 20 km erreichen wir die Stadt Imabari, die letzte Brücke, die Kurushima-Kaikyo, ist auch die beeindruckendste, sie stützt sich auf mehrere kleine Inseln. 

In Imabari ist auch der Fahrradweg zu Ende. Hier gibt es ein aufwendiges Terminal mit Informationen zum Radweg, Leihrädern und günstigen Zimmern zum Übernachten für die Radfahrer. Bei unserem ersten Japan-Besuch vor 10 Jahren suchte man Fahrradwege noch vergeblich, da hat sich erfreulicherweise einiges getan. Wir machen eine kurze Pause und bewundern die schönen Plakate, die den Eingangsbereich des Terminals schmücken. Die würden sich auch gut bei uns zu Hause machen….. Ich frage einfach mal nach, ob man nicht eins von den Postern kaufen könne. Kann man nicht, aber zwei Angestellte diskutieren eine Weile und nehmen dann kurzerhand ein Plakat für uns von der Wand ab. Super! Verdient haben wir es, ich transportiere es regensicher verpackt durch die Berge von Shikoku und noch weiter bis Kyoto, wo es in unserem letzten Japan-Paket die lange Seereise nach Deutschland antritt. Wir fahren an diesem Tag bei Dauerregen noch bis Matsuyama, der nächsten größeren Stadt.

Unsere Route durch die Seto-Inlandsee und Shikoku:


                     Shikoku und Inlandsee

StepMap Shikoku und Inlandsee




Die erste der vielen Brücken auf unserem Weg durch die Seto-Inlandsee.



Wildcampen unter Kirschblüten ...



... und mit Meeresblick




Eine freundliche Bäuerin schenkt uns zuckersüße Orangen.



Als wir kurz für ein Foto anhalten ...



... werden wir von dieser netten Japanerin auf eine Tasse Kaffee eingeladen.




Manche der Inselchen in der Inlandsee sind nur ein paar Quadratmeter groß.



Dieser japanische Radlerkollege hat einen "Geheimtipp" für uns:



        Ein Dorf mit viel alter Bausubstanz,  einem wunderschön gelegenen Schrein ...



... mit Kirschbäumen in voller Blüte, dahinter ein alter Leuchtturm in traditioneller Bauweise.



Ein markierter Radweg führt über die Inseln.





Fährhafen in Okamura



Gegen Abend sind wir wieder in dichtbesiedeltem Gebiet -
schließlich finden wir diesen versteckten Wildzeltplatz
in der Auffahrt zu einem verlassenen Gebäudekomplex.



Auf der  Kurushima-Kaikyo-Brücke: 
 Warnung vor "unkonventioneller" Müllentsorgung 



                                        Kurushima-Kaikyo-Brücke (2)



     Kurushima-Kaikyo-Brücke (3): Bei dieser Ausfahrt nur für Radler hat das 
              japanische Verkehrsministerium weder Kosten noch Mühen gescheut.



Kurushima-Kaikyo, die letzte der Brücken nach Shikoku



Nach weiteren 40 Radel-Kilometern bei regnerischem Wetter: 
Ankunft  in Matsuyama, der größten Stadt auf Shikoku


   


       

StepMap Shikoku und Inlandsee