4.4.2013 bis 6.4.2013
Von Hiroshima reisen wir zurück nach Shikoku, der kleinsten
der vier japanischen Hauptinseln. Um schneller aus dem Ballungsraum Hiroshima
herauszukommen, nehmen wir eine Fähre zu der ein gutes Stück weiter östlich
gelegenen Stadt Kure. Von dort aus
wollen wir uns inselhüpfend durch das Seto-Inlandsmeer Shikoku nähern. Das
„Seto-nai-kai“ ist ein Binnenmeer, eingerahmt von drei der großen Inseln (Kyushu,
Honshu und Shikoku), und nur durch vier schmale Wasserstraßen mit dem offenen
Ozean verbunden. Mehr als 3000 Inseln und Inselchen liegen hier.
Die Idee,
durch das Inlandsmeer zu radeln, kam uns spontan, als wir recherchierten, welche
Route am fahrradfreundlichsten ist – und
stellt sich als Volltreffer heraus. Hinter Kure fahren wir noch durch dicht
besiedeltes Gebiet, dann radeln wir über eine Brücke in die Inlandsee und
finden uns in einer anderen Welt wieder, jenseits von Großstadthektik,
Verkehrsstaus, Konsum und Kommerz. Hier geht es fast so ruhig und beschaulich
zu wie in den Bergen von Kyushu. Über eine weitere Brücke erreichen wir die
nächste Insel und bald steht unser Zelt unter einem blühenden Kirschbaum, hoch
über einem Örtchen, mit Blick aufs Meer – keine Menschenseele weit und breit.
Am nächsten Tag radeln wir bei sonnigem Wetter fast immer am
Meer vorbei, auf ganz ruhigen Straßen, über weitere Inseln, die durch Brücken
verbunden sind, und haben nur nette Begegnungen. Als wir noch beim Frühstück
sitzen, kommt ein älteres Ehepaar vorbei. Wir wollen gerade losfahren, da
kommen sie mit Kisten voller Orangen zurück und schenken uns ein paar besonders
schöne Exemplare. Es ist wirklich ein
Jammer, dass wir uns gar nicht verständigen können. Ein paar Kilometer weiter
lädt uns eine Dame spontan zu einem Kaffee in ihr Haus ein. Sie kann etwas
Englisch und informiert uns, dass für morgen und übermorgen schlechtes Wetter
mit schweren Regenfällen gemeldet ist. Das bestätigt uns kurze Zeit später ein japanischer Radler, der eine Tagestour macht und eine Weile mit uns
fährt. Er zeigt uns ein Dorf mit besonders schönen alten Häusern. Überhaupt
sehen wir hier viele Radler. Über die Inseln verläuft eine ausgeschilderte
Fahrradroute, die ziemlich populär zu sein scheint. Kein Wunder – schöner kann
radeln nicht sein, fast autofrei, ganz einsam, praktisch immer mit Meeresblick.
Überall auf den Inseln werden Orangen angebaut, die Ernte ist gerade in vollem
Gange – merkwürdig, so kurz nach dem Winter. Vielleicht liegt es daran, dass
die Seto-Inlandsee wegen ihrer geschützten Lage zwischen den großen Inseln
durch ein gemäßigtes Klima begünstigt ist.
In Okamura verabschieden wir uns von dem netten japanischen Radler. Der
kleine Ort ist eine Sackgasse, hier geht es nur noch mit Fähren weiter. Wir
müssen zwei Stunden auf das nächste Boot warten und haben das Gefühl, dass hier
die Zeit stehen geblieben ist. Der Dorfladen hat ein spartanisches Sortiment,
auf der Straße sieht man nur alte Leute, das ist ein ganz anderes Japan.
Die
Fähre bringt uns in kurzer Zeit wieder zurück in die „Zivilisation“ und dichter
besiedeltes Gebiet. Bald haben wir Anschluss an das
Shimanami-kaido-Brückensystem, das als eines von insgesamt drei Brückensystemen
Honshu mit Shikoku verbindet. Bis in die 80er Jahre hinein war Shikoku in
erster Linie nur mit Fähren erreichbar und führte ein recht abgeschiedenes
Dasein, was sich durch die Brücken enorm geändert hat. Entlang der
Shimanami-Brücken führt auch ein perfekt ausgebauter und ausgeschilderter
Fahrradweg mit aufwendigen Brückenauffahrten, der in Onomichi/Honshu beginnt
und ca. 70 km lang ist. Eigentlich wollten wir diesen Weg komplett fahren,
haben aber wegen der schlechten Wettervorhersage entschieden, schnellstmöglich nach
Shikoku zu radeln. Am nächsten Morgen schaffen wir es gerade noch, das Zelt
trocken abzubauen, da beginnt es schon zu regnen. Nach ca. 20 km erreichen wir
die Stadt Imabari, die letzte Brücke, die Kurushima-Kaikyo, ist auch die
beeindruckendste, sie stützt sich auf mehrere kleine Inseln.
In Imabari ist
auch der Fahrradweg zu Ende. Hier gibt es ein aufwendiges Terminal mit
Informationen zum Radweg, Leihrädern und günstigen Zimmern zum Übernachten für
die Radfahrer. Bei unserem ersten Japan-Besuch vor 10 Jahren suchte man
Fahrradwege noch vergeblich, da hat sich erfreulicherweise einiges getan. Wir
machen eine kurze Pause und bewundern die schönen Plakate, die den
Eingangsbereich des Terminals schmücken. Die würden sich auch gut bei uns zu Hause
machen….. Ich frage einfach mal nach, ob man nicht eins von den Postern kaufen
könne. Kann man nicht, aber zwei Angestellte diskutieren eine Weile und nehmen
dann kurzerhand ein Plakat für uns von der Wand ab. Super! Verdient haben wir
es, ich transportiere es regensicher verpackt durch die Berge von Shikoku und
noch weiter bis Kyoto, wo es in unserem letzten Japan-Paket die lange Seereise
nach Deutschland antritt. Wir fahren an diesem Tag bei Dauerregen noch bis
Matsuyama, der nächsten größeren Stadt.
Unsere Route durch die Seto-Inlandsee und Shikoku:
Unsere Route durch die Seto-Inlandsee und Shikoku:
Die erste der vielen Brücken auf unserem Weg durch die Seto-Inlandsee.
Wildcampen unter Kirschblüten ...
... und mit Meeresblick
Eine freundliche Bäuerin schenkt uns zuckersüße Orangen.
Als wir kurz für ein Foto anhalten ...
... werden wir von dieser netten Japanerin auf eine Tasse Kaffee eingeladen.
Manche der Inselchen in der Inlandsee sind nur ein paar Quadratmeter groß.
Dieser japanische Radlerkollege hat einen "Geheimtipp" für uns:
Ein Dorf mit viel alter Bausubstanz, einem wunderschön gelegenen Schrein ...
... mit Kirschbäumen in voller Blüte, dahinter ein alter Leuchtturm in traditioneller Bauweise.
Ein markierter Radweg führt über die Inseln.
Fährhafen in Okamura
Gegen Abend sind wir wieder in dichtbesiedeltem Gebiet -
schließlich finden wir diesen versteckten Wildzeltplatz
in der Auffahrt zu einem verlassenen Gebäudekomplex.
schließlich finden wir diesen versteckten Wildzeltplatz
in der Auffahrt zu einem verlassenen Gebäudekomplex.
Auf der Kurushima-Kaikyo-Brücke:
Warnung vor "unkonventioneller" Müllentsorgung
Kurushima-Kaikyo-Brücke (2)
Kurushima-Kaikyo-Brücke (3): Bei dieser Ausfahrt nur für Radler hat das
japanische Verkehrsministerium weder Kosten noch Mühen gescheut.
Kurushima-Kaikyo, die letzte der Brücken nach Shikoku
Nach weiteren 40 Radel-Kilometern bei regnerischem Wetter:
Ankunft in Matsuyama, der größten Stadt auf Shikoku