Samstag, 10. November 2012

Spanien 8: Andalusien - Von Antequera nach Gibraltar

21.10. - 24.10.2012

Von Antequera nach Ronda steht uns wieder eine anstrengende Bergetappe bevor. Es geht rauf und runter, aber auf einer wunderschönen Strecke mit sehr einsamen Straßen. Gegen 17.30 Uhr erreichen wir El Burgo, den letzten Ort vor Ronda. Eigentlich ist es schon zu spät, um noch weiterzufahren, um 20 Uhr wird es jetzt dunkel, aber es sind nur noch 24 km, allerdings über eine Passhöhe. Mehr als 10 km steigen und steigen wir, schließlich beginnt es zu dämmern, Nieselregen setzt ein, Nebel zieht auf - am Ende müssen wir einsehen, dass wir es heute nicht mehr bis Ronda schaffen können. Aber wo sollen wir hier bloß zelten? Wir sind mitten in den Bergen, rechts eine Schlucht, links ein steiler Hang, überall Steine. Es ist fast dunkel, als wir etwas oberhalb der Straße endlich einen halbwegs ebenen Platz entdecken. Wir müssen die Räder und das Gepäck querfeldein nach oben schleppen. Nach der Aktion sehen wir aus wie die Schw..... - alles ist lehmverschmiert. Abendessen gibt es heute nicht mehr, von den leckeren Tapas in Ronda können wir nur noch träumen. Die Bilanz des heutigen Tages: 1754 Höhenmeter, fast 80 km, über 7 Stunden auf dem Rad, der längste und anstrengendste Tag bisher.

Am nächsten Morgen stellen wir fest, dass wir nur noch 1 km von der Passhöhe auf knapp 1200 m entfernt waren, die restlichen 12 km bis Ronda sind leicht. Auch Ronda kennen wir schon von einem früheren Besuch. Es ist eine der bekanntesten "weißen" Städte Andalusiens, nicht zuletzt wegen seiner spektakulären Lage auf hohen Felsen. Das beliebteste Fotomotiv ist die "puente nuevo", die "neue Brücke", die sich über eine tiefe, schmale Schlucht spannt. Eigentlich wollten wir uns für Ronda einen Tag Zeit nehmen, aber unser Ziel Gibraltar so nah vor Augen, haben wir keine Ruhe mehr und radeln nach einer langen Pause dann doch weiter. Wir passieren noch einige schöne "weiße" Dörfer und haben den ganzen Tag über Superblicke, weil wir an einem Gebirgskamm entlangfahren. Gegen Abend taucht in der Ferne zum ersten Male das Meer auf. Im Unterschied zu gestern übernachten wir heute geradezu luxuriös in einem schicken Hotel in dem kleinen Bergort Gaucín. Das Beste ist die Dachterrasse. Wir sind noch ca. 600 m hoch und haben von hier oben einen echten Panoramablick: auf die Küste,den Felsen von Gibraltar und Afrika.

Der letzte richtige Fahrradtag in Spanien wird leicht. Hinter Gaucín rollen wir über 10 km nur abwärts. Ein paar Hügelchen haben wir danach noch, aber das ist nichts im Vergleich zu den Bergstrecken der letzten Wochen. In Gibraltar kommen wir am Nachmittag an. Ich hatte mir den Felsen nicht so beeindruckend vorgestellt, er sieht wie eine natürliche Festung aus. Kein Wunder, dass den Spaniern diese britische Enklave direkt vor ihrer Nase ein Dorn im Auge ist. Wer den Felsen hat, hat auch die Kontrolle über die Straße von Gibraltar, den Zugang zum Mittelmeer. Seit Spanien 1713 die Annexion Gibraltars durch die britische Krone anerkennen musste, haben die Spanier immer wieder vergeblich versucht, die Halbinsel zurückzugewinnen. So schlossen sie z.B., um Druck auszuüben, 16 Jahre lang (von 1969 bis 1985) die nur 1,2 km lange Grenze. Vermutlich wäre Großbritannien seine letzte Kolonie auf europäischem Boden mittlerweile gerne los, aber in zwei Volksabstimmungen sprach sich die Bevölkerung  entschieden gegen einen Wechsel zu Spanien aus. Der berühmte Felsen wird also weiter ein Zankapfel bleiben, aber mittlerweile denkt man pragmatisch.

Die Abfertigung an der Grenze läuft jedenfalls zügig, keine langen Warteschlangen, vor denen unser Reiseführer warnt. Wir schieben die Räder durch die Main Street. An mehreren Stellen lächelt uns die Queen anlässlich ihres Thronjubiläums entgegen, Touristen posieren vor roten Telefonhäuschen, in den Shops gibt es Cheddar, Cadbury-Schokolade und zollfreien schottischen Whisky, schon komisch. Gibraltar hat auch eine eigene Währung, das Gibraltar-Pfund, eigene Briefmarken und sogar einen Flughafen. Immerhin fahren die Autos rechts und es gilt auch nicht die GMT. Natürlich übernachten wir in Gibraltar, das muss einfach sein, obwohl die Hotels überteuert sind und nicht den Standard bieten, den wir aus Spanien gewohnt sind.

Am nächsten Tag fahren wir ohne Gepäck mit den Rädern zum Felsen hoch, mit bis zu 16 % Steigung ein gutes Muskeltraining und ein schöner Abschluss für unsere Europatour, die uns über Holland, Schottland, Frankreich und Spanien hierhin führte. Oben lungern Berberaffen herum, die einzigen frei lebenden Affen in Europa, und hoffen darauf, von Touristen gefüttert zu werden. Die Fernsicht ist heute leider nicht optimal, aber die Blicke auf die Stadt Gibraltar sind gut. Ca. 28.000 Einwohner drängen sich am Fuße des Felsens, der selber heute Naturschutzgebiet ist, aber während des 2. Weltkrieges v.a. militärisch genutzt wurde. Zehntausende Soldaten waren damals dort stationiert und die gesamte Zivilbevölkerung wurde evakuiert, weil man einen deutschen Angriff befürchtete. Der Felsen ist durchzogen von aufgegebenen Militäranlagen, deren Reste wir z.T. auf dem Rückweg sehen.
Wir holen unser Gepäck aus dem Hotel und fahren heute noch ca. 30 km weiter zu Mandy von warmshowers. Der Fahrradteil unserer Europareise ist damit beendet.




 In den Bergen hinter Antequera




 Stausee zwischen Antequera und Ronda




 Die EU spendiert dem Dörfchen Ardales eine hochmoderne Tankstelle.




Blick auf El Burgo




Unser Notcamp 12 km vor Ronda 




Am nächsten Morgen: Beladen der Fahrräder 




Puerto del Viento (1190 m), die Passhöhe vor Ronda 




Die 130 m hohe Brücke von Ronda - 
der Architekt selbst ist von der Brücke hinabgestürzt, 
als ihm der Wind den Hut vom Kopf riss und er ihn wiederhaben wollte.




 Hinter Ronda: Wir trocknen unser Zelt am Straßenrand.




 "Weißes Dorf" in den Bergen zwischen Ronda und Gaucin




 Unsere Hotelterrasse in Gaucin (1): 4000 km sind geschafft. 




Unsere Hotelterrasse in Gaucin (2): Blick auf Gibraltar und Afrika




 Der Felsen von Gibraltar




 Im Stadtzentrum von Gibraltar




Ein rotes Telefonhäuschen - Pflichtfoto für alle Gibraltar-Besucher. 




Die Berberaffen von Gibraltar (1)

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Die Berberaffen von Gibraltar (2): 
Churchill ließ Affen aus Marokko importieren, um den vermutlich wegen Inzucht kränkelnden Affenstamm wieder zu stärken.




Blick von oben auf die Stadt Gibraltar. 





Der Flughafen von Gibraltar: 
Bei der Einreise überquert man als erstes das Rollfeld, 
wenn nicht gerade ein Flugzeug startet/landet und die Ampel auf Rot steht.