Mittwoch, 19. Juni 2013

Kalifornien 2: Von Monterey nach Santa Barbara

9.5.2013  bis  17.5.2013

Am nächsten Tag fahren wir auf dem 17-Mile-Drive, einer wunderschönen Strecke, die direkt an der hier noch weitgehend flachen Küste vorbeiführt, nach Carmel. Monterey und Carmel wurden durch die Romane von John Steinbeck unsterblich, beide Orte sind sehr touristisch, aber auch wunderschön. (J. Steinbecks Großvater wanderte übrigens aus NRW in die USA aus, genauer gesagt aus Heiligenhaus, aber nicht Heiligenhaus/Overath, sondern Mettmann). Hinter Carmel ist es mit dem flachen Fahren vorbei, hier beginnt „Big Sur“, der legendäre, ca. 90 Meilen lange Küstenstreifen zwischen Carmel und San Simeon, bekannt für seine schroffe Felsenküste und die steil dahinter aufsteigenden Berge der Santa Lucia Range. Wir decken uns mit Vorräten ein, jetzt kommt lange kein nennenswerter Ort mehr, nur noch Einsamkeit und (fast) unberührte Natur. Es geht auf und ab, wir haben phantastische Blicke von hohen Klippen zur steil abfallenden Küste. Wir übernachten im Andrew Molera State Park, der nur einen Katzensprung von einem wunderschönen Strand entfernt liegt. Heute Abend müssen wir unsere Lebensmittel in Stahlschränken verstauen, denn unzählige Hörnchen lauern schon auf Nahrung. Man darf keinen Krümel im Zelt lassen, die dreisten Nager knabbern sich auch durch Zeltwände. Vor Jahren kamen wir in Utah einmal von einer Wanderung zurück und überraschten ein Hörnchen, wie es gerade unsere Tortillachips verzehrte. Es geriet so in Panik, dass es den Fluchtweg nicht mehr fand – zwei große Löcher, die es in unser teures Hilleberg-Zelt gefressen hatte.

Auch am nächsten Tag machen wir jede Menge Höhenmeter, es geht nur rauf und runter, bei bestem Wetter und mit supertollen Blicken auf die einsame Felsenküste. Nur vereinzelt balancieren Häuser auf den steilen Klippen, Wildcampen wäre hier unmöglich und wo es doch ginge, stehen drohend „No trespassing“-Schilder. Der Kirk Creek Campground, wo wir heute bleiben, liegt unten am Meer, ist superschön, aber seit neuestem „trocken“ – und wir haben keinen Tropfen Wasser mehr, doch freundliche Leute, die mit dem Auto da sind, helfen uns mit einer Gallone aus.

Unser letzter Tag an der Big-Sur-Küste ist noch einmal ein absoluter Höhepunkt. Der Morgen beginnt neblig, aber mehrere lange Anstiege durch den Los Padres National Forest bringen uns in die Sonne und belohnen uns mit tollen Blicken auf das Nebelmeer unter uns. Aber auch heute bleibt die Strecke für Radfahrer gefährlich. Wir haben keinen Zentimenter Randstreifen, es herrscht sehr starker Verkehr, hauptsächlich von Touristen, die natürlich genauso begeistert wie wir aufs Meer schauen und dabei gerne mal die Radler übersehen und oft nicht ahnen, wie breit ihre gemieteten Caravans sind…… Im Laufe des Vormittags beginnt der Nebel sich aufzulösen und wir haben atemberaubende Blicke auf die Steilküste. Tief unter uns hören wir manchmal Seelöwen jaulen. Dann haben wir den anstrengendsten Teil für heute hinter uns und es geht in flotter Fahrt zurück auf Meereshöhe. Die Landschaft ändert sich, die Berge haben sich zurückgezogen, wir fahren durch flaches, wüstenartiges Gebiet, stark angetrieben durch Rückenwind. Einen spektakulären Stopp haben wir heute noch. Am Point Piedras Blancas bevölkert eine See-Elefantenkolonie den Strand. Die gesamte Population beträgt ca. 17.000, es sind nie alle Tiere da, aber die meisten zwischen Januar und Mai. Im Moment ist Fellwechsel und viele See-Elefanten sehen etwas zerrupft aus, manche kämpfen oder schreien laut, die meisten allerdings liegen einfach nur lang ausgestreckt am Strand, dicht an dicht, das sieht total verrückt aus. (Live-Cam unter www.elephantseal.org) Sie lassen sich auch durch die vielen fotografierenden Touristen nicht aus der Ruhe bringen. Die Männchen tauchen im Schnitt 20 bis 30 Minuten, können aber auch mehr als zwei Stunden am Stück unter Wasser bleiben.

Der spektakulärste Teil unserer Fahrradtour auf dem Pacific Coast Highway ist damit vorbei. Hinter Big Sur fahren wir oft landeinwärts und ohne Küstenblicke, durch Farmland und riesige Gemüseplantagen, aber auch das ist für uns ein Erlebnis: Über die Weite der Landschaft in den USA staunen wir immer wieder aufs Neue. Weniger schön finden wir den starken Verkehr, auch wenn wir jetzt oft einen komfortablen Randstreifen haben. Kurz vor dem Refugio State Beach, unserem vielleicht schönsten Campingplatz, der direkt am Meer liegt, haben wir eine skurrile Begegnung. Wir halten an einem Rastplatz, mit uns kommt ein Auto an, dem eine dralle Schönheit entsteigt. Zu Beginn verhält sich die Dame noch relativ normal und stellt die üblichen Fragen: Woher, wohin….. Dann bricht es plötzlich aus ihr hervor und sie verfällt in den Ton, den man aus einschlägigen Predigersendungen im amerikanischen Fernsehen kennt: Sie sei neulich auf Leben und Tod mit einer Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus gewesen und da sei ihr der „Lord“ in einer Wolke erschienen etc. etc. Sie redet sich regelrecht in einen Rausch; alles verstehen wir nicht, weil sie immer schneller spricht. Sie lässt sich auch nicht irritieren, als Gerold dazwischenfragt, was der „Lord“ denn zu ihr gesagt habe. Selbstverständlich verspricht sie, ein gutes Wort für uns einzulegen, wenn sie das nächste Mal in spirituelle Verbindung zum „Lord“ tritt…

Dann erreichen wir Santa Barbara. Die Universitätsstadt gefällt uns auf Anhieb gut. Sie liegt toll, den Pazifik vor sich, die Berge im Rücken. Das Zentrum hat Charme mit seinen vielen Cafés, Restaurants, Shops, richtig nett.  Wir wohnen ca. 20 km entfernt in Goleta, wo sich die Universität befindet, aber nach Santa Barbara hinein führt ein wunderschöner Radweg. Drei Tage genießen wir die unglaubliche Gastfreundschaft von Harold Marcuse, der uns mit seiner unkomplizierten, netten Art sofort sympathisch ist. Er ist Professor für Neuere Deutsche Geschichte an der UCSB (University of California Santa Barbara) – und begeisterter Radfahrer. Marcuse??!! Ja, genau! Harold ist der Enkel von Herbert Marcuse, des berühmten deutsch-jüdischen Philosophen und Mitbegründers der "Frankfurter Schule", der 1933 aus Nazi-Deutschland in die USA flüchtete

Harold spricht perfekt Deutsch, sehr angenehm für uns, obwohl Deutsch nicht seine Muttersprache ist, aber er hat lange in Deutschland gelebt und studiert. Einmal besuchen wir eine Vorlesung von Harold und haben so auch Gelegenheit, den amerikanischen Universitätsbetrieb kennenzulernen. Das Campusgelände liegt übrigens nur einen Katzensprung vom Meer entfernt. Abends sieht man hier die Studenten in den Wellen reiten oder mit einem Surfbrett unter dem Arm auf dem Heimweg – Kalifornien, wie man es sich in den schönsten Klischees vorstellt……


In Santa Barbara müssen wir uns neu orientieren. Eigentlich planten wir von hier aus durch den „Death Valley National Park“ und die Mojave-Wüste nach Las Vegas zu radeln, aber davon haben uns alle abgeraten. Dafür sind wir zu spät im Jahr, es ist schon viel zu heiß. Mit Harolds Hilfe stellen wir grob eine neue Route zusammen: Wir wollen über die Küstenberge, die hinter Santa Barbara aufragen, ins „Central Valley“ fahren, von dort aus Abstecher in die Sierra Nevada zu den bekannten Nationalparks Kings Canyon/Sequoia und Yosemite machen, und so allmählich nach San Francisco zurückradeln.

      Die Pacific Coast - Radroute verläuft  weitgehend auf dem Highway 1.



Begegnung auf der Straße hinter Monterey: 
Dieses Pärchen ist zu Fuß und per Anhalter von Seattle nach San Diego unterwegs. 



Die Küste von Big Sur (1)


Die Küste von Big Sur (2)




Vom Campingplatz im Andrew Molera State Park ist es nicht weit bis zum Strand.



Wasserfall an der Küste im Julia Pfeiffer Burns State Park



Big Sur: Der Highway 1 verläuft hier unmittelbar an der Steilküste.



 Kirk Creek Campground im Morgennebel



Hiker/Biker Sites auf dem  Kirk Creek Campground



Unterwegs im morgentlichen Küstennebel



Im Laufe des Vormittags kommt allmählich die Sonne durch.



Sonne gegen Nebel auf der Küstenstraße



Los Angeles ist noch weit entfernt.



Geier bei einer Straßenmahlzeit



Im Los Padres National Forest haben wir besonders viele Steigungen.



Hinter Big Sur wird die Küste flacher.



See-Elefantenkolonie am Point Piedras Blancas 



Hier kämpfen zwei Männchen.



Diesen See-Elefanten ist alles egal.



Hier verläuft die "Pacific Coast"-  Radroute weit von der Küste entfernt.



Fast einen ganzen Tag lang fahren wir durch Gemüse- und Erdbeerfelder.



Rätselhafte "Kirche" im Örtchen Guadalupe



So gefährlich ist Amerika: Schilder am Campingplatz bei Lompoc




Die wirkliche Gefahr für uns ist aber der zum Teil starke Verkehr auf der Pacific Coast - Radroute.




Wenn wir wie hier einen breiten Seitenstreifen haben, fühlen wir uns einigermaßen sicher.



Dieser Kollege hatte Pech: 
Gedenkstätte für einen tödlich verunglückten Radler am Freeway



Unterwegs auf dem Freeway zu unserem nächsten Campground



Refugio Beach: Unser schönster Campingplatz in Kalifornien 



Hinter Refugio Beach fahren wir einige Meilen auf einem wunderschönen Radweg.




In Santa Barbara (Kalifornien) wohnen wir ein paar Tage bei Harold Marcuse. 
Harold ist Professor für Neuere Deutsche Geschichte an der Universität von Santa Barbara, begeisterter Radfahrer ...



... und ein Enkel von Herbert Marcuse, einem der bedeutendsten Philosophen des 20.Jahrhunderts, Mitbegründer der "Frankfurter Schule" und Spiritus Rector der 68iger Studentenbewegung.


Amgen Tour of California Bike Race,  "America´s biggest race" - 
zeitgleich mit uns in Santa Barbara.



 Presidio of Santa Barbara: Das alte spanische Fort aus dem Jahre 1782 
ist eine der vielen Touristenattraktionen der Stadt




Oldtimer-Parade auf der Strandpromenade 



Orientierung im Schatten von blühenden Alleebäumen in Santa Barbara



Radweg am Strand



Wir verlassen Santa Barbara.