Sonntag, 20. Februar 2022

Israel, Westjordanland/Palästina und Jordanien 2019, Teil 2


 
 
Teil 2: See Genezareth/Golanhöhen, Totes Meer, Negev-Wüste, Petra (Jordanien)



Nord-Israel: See Genezareth und die Golanhöhen, Dienstag, 29.10.2019 bis Samstag, 2.11.2019




Es ist bestes Wetter in Jerusalem, als wir nach unserem kurzen Aufenthalt in Ramallah (Westjordanland) wieder dort ankommen. Ab 12 Uhr können wir unseren Mietwagen in Empfang nehmen, womit ein ganz neuer Abschnitt unseres Israel-Abenteuers beginnt. Auf dem Zentralmarkt Mahane Yehuda versorgen wir uns noch mit frischem Gemüse für ein leckeres Abendessen, dann holen wir unser Auto ab. Es ist schon fast 13 Uhr, als wir schließlich aus Jerusalem herausfahren. Ca. 180 km liegen bis zu unserem heutigen Ziel, dem Kokhav HaYarden National Park im Nordosten Israels vor uns. Auf dessen Gelände befindet sich nicht nur Belvoir, die Ruine einer Kreuzfahrerburg, dort soll es auch einen einfachen Campingplatz geben, wo wir heute übernachten möchten. Zu Beginn läuft alles gut, auf den Autobahnen 1 und 6 ist zwar viel los, aber wir kommen zügig voran, teilweise fahren wir sehr nah an den Sperranlagen vorbei, die auf einer Länge von ca. 760 km Israel und das Westjordanland trennen. Die umstrittenen Anlagen, mit deren Bau 2002 als Reaktion auf die zunehmenden Selbstmordattentate im israelischen Kernland während der Zweiten Intifada begonnen wurde, bestehen überwiegend aus einem elektrisch gesicherten Metallzaun mit Stacheldraht, an besonders heiklen Stellen wird aus ihnen auf ca. 30 km eine bis zu 8 m hohe Betonmauer - bei Jerusalem und der palästinensischen Stadt Qalqiliya, die wir heute auch passieren und die unmittelbar an der sogenannten Grünen Linie liegt, der Waffenstillstandslinie zwischen Israel und dem Westjordanland von 1949. Die Absperrungen erfüllten ihren Zweck und führten zu einer nachhaltigen Reduzierung von Selbstmordanschlägen, die vor allem von Palästinensern aus dem Westjordanland verübt wurden, die bis dahin mehr oder weniger problemlos jederzeit aus dem Westjordanland nach Israel fahren konnten. Aus israelischer Sicht sind die Sperranlagen also zum Schutze der eigenen Bevölkerung verständlicherweise absolut notwendig. Die Palästinenser sehen das natürlich anders, aus ebenfalls nachvollziehbaren Gründen. Für sie bedeutet der „Sicherheitszaun“, wie er von den Israelis auch genannt wird, in vielerlei Hinsicht erhebliche Beeinträchtigungen und Einschränkungen und zudem den Verlust von Territorium. Die Sperranlagen verlaufen nämlich zu 80 % auf palästinensischem Gebiet und nicht auf der Demarkationslinie von 1949, die mit der Grünen Linie identisch ist. Zum Teil ragen sie tief in das Westjordanland hinein, um israelische Siedlungen einzubeziehen, an einer Stelle sind sie gar ca. 20 km von der Grünen Linie entfernt… Viele Palästinenser verloren dadurch entschädigungslos Land. Wie bei allen Facetten des Nahost-Konflikts ist auch hier keine Lösung in Sicht, im Gegenteil, die Gegensätze scheinen schier unüberbrückbar.

Auf unserer Fahrt in den Norden Israels entfernen wir uns schließlich von den Sperranlagen und geraten vor Afula in einen Megastau, der uns sehr viel Zeit kostet. Es dämmert schon, als wir gegen 17 Uhr Beit She'an, eine Kleinstadt im Jordantal erreichen, wo wir nach Norden Richtung See Genezareth abbiegen müssen. Die frühe Dunkelheit, die wir schon in Tel Aviv und Jerusalem als nachteilig empfanden, ist jetzt, wo wir mit dem Auto unterwegs sind und teilweise auch zelten möchten, eine echte Beeinträchtigung. Ungefähr auf halber Strecke zwischen Beit She'an und dem See Genezareth biegen wir links auf eine Stichstraße ab, die sich in Serpentinen zum Kokhav HaYarden NP hochschraubt, der auf einer Anhöhe ca. 550 m über dem Jordantal liegt. Die schöne Aussicht, für die der Nationalpark mit seiner französischen Kreuzfahrerburg Belvoir bekannt ist, können wir heute Abend allerdings nicht mehr genießen, es ist stockfinster, als wir oben ankommen. Wir irren eine Weile auf einer mit Schlaglöchern übersäten Piste umher, können aber außer einer frei laufenden Kuhherde und ihren Hinterlassenschaften nichts entdecken, es gibt keinen Hinweis auf den Nationalpark, geschweige denn auf einen Campingplatz, wir sehen auch keine Lichter. Wild zelten wollen wir zwischen den Kühen und ihren Fladen nicht, auch ist der Untergrund steinig und uneben. Also fahren wir wieder zurück ins Jordantal und weiter zum südlichen Ende des See Genezareth , unsere Handy-Landkarte verzeichnet dort zwei Campingplätze, aber auch diese können wir in der Dunkelheit nicht finden. Die Odyssee geht weiter, eine Option haben wir noch, in dem kleinen Ort Shadmot Dvora nahe dem Berg Tabor soll es einen weiteren Campingplatz geben. Dazu müssen wir über eine schmale kurvenreiche Straße wieder aus dem Jordantal heraus auf eine Art Plateau fahren. Den Campingplatz können wir nach langem Suchen tatsächlich aufspüren, aber er ist heute Abend voll belegt mit einer Schulklasse. Die Betreiberin lässt sich auch nicht erweichen, als wir anbieten, mit einer kleinen Ecke für unser Zelt zufrieden zu sein. Mit Hilfe von OruxMaps machen wir schließlich einen Feldweg in der Nähe von Shadmot Dvora ausfindig und stellen unser Auto etwas abseits davon. Wir trauen uns nicht, das Zelt aufzubauen, weil wir die Gepflogenheiten in Israel bezüglich Wildcampen noch nicht kennen, außerdem ist es stockfinster, weshalb es auch schwierig wäre, einen geeigneten Platz auszumachen. So verbringen wir leidlich schlafend eine ziemlich unbequeme Nacht auf d
en Autositzen.



Die Mauer zwischen dem Westjordanland und Israel bei der palästinensischen Stadt Qalqiliya


 
Am nächsten Morgen sehen wir, wo wir gelandet sind, die Gegend ist landwirtschaftlich geprägt, schon früh kommen Pick-ups mit Arbeitern und Arbeiterinnen vorbei. Wir ernten erstaunte Blicke, als wir uns Kaffee am Auto kochen, aber ansonsten scheint sich niemand an uns zu stören. Einen Platz für unser Zelt hätte es auch gegeben, gleich nebenan ist ein kleiner Olivenhain. Dann fahren wir zum nahe gelegenen Berg Tabor, der sich freistehend mit einer Höhe von 588 m ziemlich markant und beeindruckend aus der Jesreel-Ebene erhebt. Der Berg ist ein beliebtes Ziel christlicher Pilger, denn hier soll die Verklärung Jesu stattgefunden haben. Der Überlieferung zufolge bestieg Jesus zusammen mit den Aposteln Petrus, Jakobus und Johannes den Berg. Als er betete, erschienen die Propheten Moses und Elija, beide aus dem Alten Testament, also quasi einer anderen Zeit, der eine verstorben, der andere in den Himmel entrückt. Im Gespräch mit ihnen wurde Jesus plötzlich in ein besonderes, überirdisches Licht getaucht, was in der Bibel als Verklärung bezeichnet wird. Eine kurvenreiche Straße führt uns auf die Spitze des Berges, wo sich die römisch-katholische Verklärungsbasilika der Franziskaner mit Kloster befindet, außerdem eine griechisch-orthodoxe Kirche, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Das katholische Kirchengelände öffnet erst um 8 Uhr, vor dem Eingang hat schon eine asiatische Pilgergruppe Stellung bezogen, später treffen immer mehr Reisegruppen ein, verglichen mit Jerusalem ist der Andrang aber eher bescheiden. Wir schauen uns um, die Blicke von hier oben auf die Umgebung sind phantastisch, man kann bis nach Nazareth sehen, leider ist es sehr dunstig heute. Eine von Zypressen flankierte Allee führt zur Basilika, die innen sehr schön mit goldenen Mosaiken geschmückt ist, mit einer Darstellung der Verklärungsszene in der Apsis. Rechts vom Eingang befindet sich eine Aussichtsplattform mit wunderbaren Blicken auf die Jesreel-Ebene. Das war schon mal ein toller Start in den Tag! Wir bekommen Nachricht von Sergej aus Afula, unserem Airbnb-Gastgeber für die heutige Nacht, dass wir schon am Vormittag einchecken können. Das ist perfekt und Afula nur noch 20 km entfernt. Den Kontakt hatten wir kurzfristig erst gestern Abend hergestellt, damit uns eine weitere Übernachtung im Auto erspart bleibt. Sergej stellt uns für nur ca. 35 € eine komplette Wohnung zur Verfügung! Wir ziehen sofort wieder los, Afula selber hat nichts Besonderes zu bieten, aber in der Umgebung gibt es einige interessante Sehenswürdigkeiten. Unser erstes Ziel ist der Beit Alpha National Park, wo man die Überreste einer antiken Synagoge aus dem 6. Jahrhundert mit gut erhaltenen Mosaikfußböden besichtigen kann, die rein zufällig 1928 bei Arbeiten für einen Bewässerungskanal entdeckt wurden. Leider ist die Anlage wegen Renovierung geschlossen, so verpassen wir die wohl ziemlich spektakulären Mosaike, die traditionelle jüdische Motive, einen Tierkreis und die biblische Szene der Opferung Isaaks durch Abraham zeigen. Weiter geht es zum Beit She'an National Park, einer ziemlich großen und sehr lohnenswerten Ausgrabungsstätte mit Ruinen aus römischer Zeit. Zu sehen gibt es u.a. ein gut erhaltenes Theater, das einst Platz für 7000 Besucher bot, einen eindrucksvollen, von Säulen flankierten Cardo, die für das Straßensystem römischer Städte typische, in Nord-Süd-Richtung verlaufende Hauptachse, Badehäuser mit Mosaiken und andere Gebäudereste. Wir steigen auch zum sogenannten Tel auf, einem Hügel hoch über der antiken römischen Stadt, der durch die Überlagerung von zwanzig Siedlungsschichten zustande kam. Von oben hat man nicht nur einen phantastischen Blick auf die Ruinen, sondern auch zum Jordantal hin. Der Kokhav HaYarden NP mit der Burg Belvoir ist jetzt nur noch ca. 20 km entfernt, also fahren wir auch dorthin noch, zu gerne möchten wir wissen, was wir gestern Abend verpasst haben. Uns erwartet eine Überraschung, es gibt tatsächlich einen Campingplatz und sogar ein Besucherzentrum für den Nationalpark, wir haben gestern einfach an der falschen Stelle gesucht, im Hellen wäre uns das natürlich nicht passiert. Die Ruinen der Kreuzfahrerburg können wir uns leider nicht mehr ansehen, der Nationalpark schließt früh um 16 Uhr, auch ein Nachteil, wenn man um diese Jahreszeit in Israel unterwegs ist, im Sommer gelten längere Öffnungszeiten. Aber zu einem Aussichtspunkt gehen wir noch und genießen lange die phantastischen Blicke ins Jordantal und nach Jordanien. Wir sprechen kurz mit einem Farmer, der zufällig vorbeikommt und wohl in der Nähe Land besitzt. Er meint auf unsere Frage hin, dass wir ohne Probleme gestern Abend hier wild hätten zelten können. Er trägt lässig und ganz offen eine Pistole am Halfter, für Israelis mag das normal sein, wir dagegen finden es befremdlich und gewöhnungsbedürftig und sind im Nachhinein doch froh, dass wir gestern noch weitergefahren sind…. In Sergejs gemütlicher Wohnung verbringen wir einen angenehmen Abend und verarbeiten endlich unser Gemüse aus Jerusalem zu einem leckeren Eintopf.
 
 


In der Jesreel-Ebene nahe dem Berg Tabor nach einer unbequemen Übernachtung im Auto



 In der Verklärungsbasilika auf dem Berg Tabor - eine Reisegruppe aus Asien posiert für ein Foto



Phantastischer Blick auf das Umland vom Berg Tabor



Beit She'an National Park: Dieses gut erhaltene römische Theater aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. bot einst 7000 Besuchern Platz



Ruinen im Beit She'an National Park - im Hintergrund der Tel, der als weithin sichtbarer Hügel die antike Ausgrabungsstätte überragt


Beit She'an NP - dieses gut erhaltene Mosaik zeigt die lokale Göttin Tyche


Löwenmosaik im Beit She'an NP


Beit She'an NP: Die sogenannte Palladius-Straße mit ihren gut erhaltenen Kolonnaden war die Hauptachse der antiken römischen Stadt und läuft vom Theater auf den Tel zu



Blick vom Tel ins Jordantal - die Berge im Hintergrund gehören schon zu Jordanien



Dito



Blick ins Jordantal vom Aussichtspunkt nahe dem Kokhav HaYarden National Park



Dito - in der Mitte hinten kann man das Südende des See Genezareth erkennen


 

Eigentlich stand heute Nazareth auf unserem Programm, eine weitere wichtige Pilgerstätte des Heiligen Lands und nur gut 10 km von Afula entfernt. Die Stadt gilt Christen als Heimatort Jesu, hier wurde Maria die Geburt des Erlösers angekündigt, von hier brachen Maria und Josef wegen des Zensus nach Bethlehem auf, hier wuchs Jesus auf. Ganz sicher lohnt Nazareth einen Besuch, aber für die größte arabische Stadt Israels mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten und einer interessanten Altstadt müsste man einen ganzen Tag einplanen. Wir jedoch sind schon heute Abend in einem Kibbuz auf den Golanhöhen zu Gast. Deshalb beschließen wir kurzerhand, Nazareth zu streichen und uns heute auf den See Genezareth zu konzentrieren. Bei unserem ersten Besuch in Israel können wir eh nicht alles anschauen. Zunächst fahren wir aber zum nördlich von Nazareth gelegenen Zippori National Park. Ausgrabungen seit den 1980er Jahren förderten hier die Überreste einer einst blühenden römisch-hellenistischen Stadt zutage, die Relikte einer Synagoge verweisen auf die jüdischen Bewohner und die Kreuzfahrer hinterließen eine Festung, deren Turm man heute noch besteigen kann. Zippori oder Sepphoris, in römischer Zeit Dicaesarea, wurde mehrfach durch Eroberung und Erdbeben zerstört, wechselte Namen und Bewohner, die heute zu besichtigenden Überreste sind aber noch ziemlich beachtlich. Der Nationalpark liegt auf einer Anhöhe, bei unserem Rundgang über das weitläufige Gelände haben wir immer wieder phantastische Blicke auf das Umland, insbesondere vom Turm der Kreuzfahrerburg. Wir brauchen fast zwei Stunden, um die wichtigsten Sachen anzusehen: ein Amphitheater, Badehäuser, Villen, einen Marktplatz, einen breiten Cardo, in dem man noch die Furchen erkennen kann, die die römischen Wagen hinterlassen haben, eine Synagoge und die Kreuzfahrerburg. Hauptattraktion im Zippori NP sind allerdings die gut erhaltenen Fußboden-Mosaiken an mehreren Stellen, allen voran das Mosaik im Speisesaal des sogenannten Dionysoshauses aus dem 3. Jahrhundert n. Chr., das das Leben und den Kult des Dionysos zeigt, mit der Darstellung des Trinkwettstreits zwischen dem Weingott und Herakles in der Mitte. Hier befindet sich auch das Mosaikporträt einer jungen Frau, die oft als die Mona Lisa von Galiläa bezeichnet wird, sehr schön, aber der Vergleich mit Leonardo da Vincis berühmten Ölgemälde im Louvre ist vielleicht doch etwas gewagt… Im sogenannten Nilhaus am Cardo befinden sich weitere spektakuläre Mosaiken aus dem 5. Jahrhundert n. Chr., die u.a. Feierlichkeiten anlässlich der Nilüberschwemmung in Ägypten zeigen. Der Künstler benutzte unglaubliche 180 Steine pro Quadratdezimeter (10 x 10 cm) mit 18 verschiedenen Farben und Schattierungen. Auch die Synagoge hat ein prächtiges Mosaik aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. zu bieten, u.a. mit traditionellen jüdischen Motiven, Szenen aus dem Alten Testament und einem Tierkreis in der Mitte, sehr beeindruckend.


Weiter geht es nach Tiberias, eine der vier heiligen Städte des Judentums, hier lebten viele bekannte Gelehrte und Rabbiner. Schon bei der Anfahrt haben wir tolle Blicke auf die größte Stadt am See Genezareth und im Jordantal. Die Israelis reisen aber nicht nur an, um die Gräber der jüdischen Weisen aufzusuchen, sondern auch wegen der Strände, des Wassersports, der Bars und der Restaurants. Wir machen einen Spaziergang entlang der Uferpromenade, die teilweise durch hässliche Bausünden verschandelt ist, und genießen die tollen Blicke auf den See, den mit 212 m unter dem Meeresspiegel am tiefsten gelegenen Süßwassersee der Erde. Er zieht auch christliche Pilger an, denn an den Ufern des biblischen Gewässers soll Jesus die Bergpredigt gehalten und etliche Wunder vollbracht haben, die Brotvermehrung, den Gang über das Wasser - also weiter links um den See herum auf den Spuren Jesu. Unser erster Stopp ist der Berg der Seligpreisungen hoch über dem Genezareth, auf dem eine achteckige, relativ neue, im italienischen Stil erbaute Kirche aus dem Jahre 1937 thront, die wie die dazugehörige Pilgerherberge von Franziskanerinnen betreut wird. Es herrscht sehr großer Andrang hier oben, in der schönen Kirche schauen wir uns deshalb nur kurz um, beim Spaziergang durch die gepflegten Gärten genießen wir aber ausgiebig die phantastischen Blicke auf den See. Ein bisschen jesusmüde sind wir mittlerweile und lassen deshalb unten am Genezareth einige heilige Stätten aus. So verpassen wir die Brotvermehrungskirche („Tabgha“), wo Jesus Brot und Fische dergestalt vermehrt haben soll, dass sie 5000 Leute sättigten. In Kapernaum halten wir zwar an, aber der Andrang ist so groß, dass wir auf eine Besichtigung der archäologischen Stätte verzichten, die dem Neuen Testament zufolge eine Zeitlang der Wohnort Jesu war. Ein Stück dahinter liegt am Ufer des Genezareth das sehr fotogene griechisch-orthodoxe Kloster der Zwölf Apostel, das wir aber auch nur von außen ansehen. Wir umrunden den See an seiner nördlichen Spitze und halten am östlichen Ufer noch für einen kurzen Spaziergang in einem Naturschutzgebiet. Der Kinneret, wie der Genezareth auf Hebräisch heißt, ist den Israelis nicht nur aus religiösen Gründen und wegen der Freizeitmöglichkeiten wichtig, der See, durch den der Jordan fließt, dient Israel auch als zentrale Trinkwasserversorgung und zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen. Jordanien wird nach einem Vertrag von 1994 ebenfalls teilweise aus dem See versorgt, dessen Wasserstand in Abhängigkeit von Niederschlägen stark schwankt, was in der israelischen Öffentlichkeit ein großes Thema ist und mit Spannung verfolgt wird, vor allem wenn der Pegelstand in den kritischen Bereich der „Roten Linie“ rückt, der auf Dauer den Salzgehalt steigen ließe und somit die Wasserqualität beeinträchtigen würde. Wasserknappheit ist ein permanentes Thema in weiten Teilen des Nahen Ostens und führt immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Israels und dem Westjordanland über die gerechte Aufteilung der Wasserressourcen. Mittlerweile deckt Israel einen großen Teil seines Trinkwasserverbrauchs zwar aus entsalztem Mittelmeerwasser, aber der See Genezareth hat immer noch große Bedeutung. So wurde mit großer Sorge beobachtet, dass der Wasserspiegel des Kinneret in den letzten Jahren nach einigen sehr trockenen Wintern auf einen historischen Tiefstand sank, was die liberale israelische Zeitung „Haaretz“ zu dem launigen Kommentar veranlasste, dass Jesus unter solchen Voraussetzungen sein Gang übers Wasser auch ohne ein Wunder gelungen wäre… Das alles recherchieren wir bei unserer kurzen Pause am östlichen Ufer des Genezareth. Im Winter 2019/2020 wurde Israels wichtigstes Trinkwasserreservoir übrigens durch starke Regenfälle und Schneeschmelze wieder bis zum Rand aufgefüllt, so voll sogar, dass über die Öffnung des Degania-Damms am Südende des Sees nachgedacht wurde. Die israelische Wasserbehörde schaut trotzdem sorgenvoll in die Zukunft, weitere trockene Jahre sind zu befürchten…..


Wie verabredet finden wir uns am Abend bei R. und S. im Kibbuz G. auf den südlichen Golanhöhen ein und werden sehr nett aufgenommen. R. holt uns am Tor des umzäunten Geländes ab, der Zaun sei gegen Tiere, erklärt er uns, nicht gegen Menschen. In diesem Zusammenhang erwähnt er auch fast entschuldigend, dass er die Sperranlagen zwischen Israel und dem Westjordanland zwar nicht gut findet, dass aber seitdem die Anzahl der Übergriffe, auch auf Kibbuzim der Golanhöhen, deutlich zurückgegangen sei - auf unsere Solidarität kann er zählen. Bei einer Reise durch Israel beginnt man Verständnis für das starke Sicherheitsbedürfnis der Israelis zu entwickeln, das sich aus der Geschichte des Staates und der Juden erklären lässt. R. und S. sind mittleren Alters, R.s Familie stammt ursprünglich aus Rumänien, S. ist Kurdin aus Syrien. Die beiden haben vier erwachsene Kinder und gehören zu den Mitbegründern dieses Kibbuz, der 1971 mit zwei Häusern startete und sich in seinen Anfängen der Grundidee der Kibbuzim verpflichtet fühlte: Man lebte zusammen in einer landwirtschaftlich geprägten, nach sozialistischen Prinzipien organisierten, solidarischen Gemeinschaft, hatte gemeinsames Eigentum, gemeinsame Einrichtungen, verrichtete gemeinsam alle Arbeiten etc. , nach dem Motto: Jeder arbeitet und setzt sich nach seinen Möglichkeiten ein und bekommt dafür, was er zum Leben braucht. R. erzählt uns, dass es z.B. früher bei ihnen keine Privatautos gab. Wenn man einen Wagen brauchte, musste man sich rechtzeitig in eine Liste eintragen, um über eins der 10 zur Verfügung stehenden Kibbuz-Autos verfügen zu können. Alles Geld wurde in einen Topf geworfen und von der Kommune verwaltet etc. Wie so viele andere Kibbuzim erfuhr aber auch dieser eine Privatisierung, jeder besitzt heute sein eigenes Auto und Haus, das verdiente Geld bleibt in der eigenen Tasche, die Landwirtschaft wurde weitgehend aufgegeben. Aber man empfindet sich immer noch als Gemeinschaft und verwaltet als solche gemeinsame Projekte, z.B. betreibt der Kibbuz eine kleine Fabrik, die professionell hochwertiges Olivenöl produziert, und besitzt eine große Kuhherde. Das alles erzählt uns R. bei einem Rundgang über das Gelände. Der frühere Gemeinschaftsraum wurde mittlerweile in einen Pub verwandelt, u.a. um mehr Geselligkeit zu bieten und die jungen Leute im Ort zu halten. Wie viele andere Kibbuzim hat auch dieser mit starker Abwanderung der Jüngeren zu kämpfen, die beiden Töchter von R. und S. z.B. leben und arbeiten in Tel Aviv, obwohl sie dort trotz guter Jobs wegen der hohen Lebenshaltungskosten kaum Erspartes zurücklegen können. Während unseres Rundgangs hat S. das Abendessen vorbereitet, es gibt Hummus, Tahina, Labneh, eine Art Frischkäse, Gurken, Tomaten und Fladenbrot, sehr lecker. Danach sitzen wir noch eine Weile zusammen. Unsere Gastgeber reisen genauso gerne wie wir und nutzen dabei auch Airbnb. S. erzählt uns in diesem Zusammenhang von einem Erlebnis in Malmö/Schweden, wo ihren Airbnb-Gastgeber, einen Iraner, das blanke Entsetzen packte, als er realisierte, dass er Israelis beherbergen sollte. Sie seien Feinde, meinte er, und könnten deshalb nicht bei ihm übernachten. Er ließ sich auch nicht beirren, als S. anmerkte, letzten Endes seien sie doch alle Menschen und alles andere sei Politik. Am Ende blieben sie trotzdem dort, weil sich so kurzfristig keine andere Unterkunft anbot und der Iraner wohl nicht seinen Rauswurf bei Airbnb riskieren wollte, aber S. tat verständlicherweise in dieser Nacht kein Auge zu…. Das nur als Beispiel dafür, mit welchen Anfeindungen und welchem Fanatismus Israelis rechnen müssen, wenn sie in der Welt unterwegs sind.


 
Zippori National Park: Das große Mosaik aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. in der Synagoge ist in verschiedene Paneele unterteilt, eins davon zeigt einen Zodiak (Tierkreis)


Zippori National Park: Das Mosaikporträt einer jungen Frau im Dionysoshaus  ist auch als die "Mona Lisa von Galiläa" bekannt



Zippori National Park: Auf dem Cardo, der Hauptachse der antiken römischen Stadt, kann man noch die Furchen erkennen, die die römischen Wagen hinterlassen haben.



Sensationelle Blicke auf den See Genezareth bei der Anfahrt nach Tiberias



Dito


Tiberias am See Genezareth


Auf dem Berg der Seligpreisungen hoch über dem See Genezareth - hier soll Jesus die Bergpredigt gehalten haben.



Das griechisch-orthodoxe Kloster der Zwölf Apostel am See Genezareth



Am nächsten Tag nehmen R. und S. sich viel Zeit für uns, weil sie wegen des beginnenden Sabbat nicht arbeiten müssen. Sie hatten uns deswegen schon im Vorfeld gebeten, doch möglichst an einem Freitag zu kommen, total nett. Bald sitzen wir schon im Auto und sind bis zum späten Nachmittag mit den beiden unterwegs. Zuerst fahren wir auf der Straße 98 Richtung Süden zum Peace Lookout beim Kibbuz Kfar Kharuv, der einen spektakulären Blick auf den See Genezareth bietet. R. und S. erzählen uns, dass während des Sechstagekriegs vom 5. bis zum 10. Juni 1967 zwischen Israel und den arabischen Staaten Ägypten, Syrien und Jordanien die syrische Armee von hier israelische Siedlungen am Fuße der Golanhöhen beschoss, die damals noch zu Syrien gehörten. Aber auch schon in den Jahren davor hatten die Syrer, die Golanhöhen quasi als Schießstand benutzend, von hier oben aus immer wieder ihre ungeliebten Nachbarn terrorisiert. Israel konnte während des kurzen Krieges im Sommer 1967 die Golanhöhen unter seine Kontrolle bringen, außerdem das Westjordanland mit der Altstadt von Jerusalem, die Sinai-Halbinsel und den Gazastreifen. Der Sinai wurde 1982 an Ägypten zurückgegeben, aus dem Gaza-Streifen zog sich die israelische Armee erst 2005 zurück, die Golanhöhen dagegen blieben besetzt und wurden 1981 von Israel annektiert. Das Hochplateau vulkanischen Ursprungs erstreckt sich auf einer Höhe von ca. 1000 m, mit einer Länge von ca. 60 km und einer Breite von ca. 25 km, nach Norden hin ansteigend zum Hermongebirge, wo mit 2224 m der höchste Punkt Israels liegt, nach israelischer Interpretation, Syrien erhebt nämlich bis heute Anspruch auf die Golanhöhen und international ist die Annexion nicht anerkannt. Israel dagegen betrachtet das Gebiet, das wegen seiner Lage von großer militärstrategischer Bedeutung ist, seit 1981 als Teil seines Staates und trieb schon nach dem Ende des Sechstagekrieges die Besiedlung des Hochplateaus voran, während nahezu alle früheren arabischen Bewohner, ca. 120.000 an der Zahl, flohen, nur die Drusen, eine religiöse Minderheit, blieben.

Außerdem sind die Golanhöhen für Israel auch aus Gründen der Wasserversorgung wichtig. Sie sichern nicht nur den alleinigen Zugang zum See Genezareth, der bedeutendsten Trinkwasserquelle des Landes, sondern auch die weitgehende Kontrolle über die drei Quellflüsse des Jordan, von denen nur einer auf israelischem Gebiet entspringt, ein anderer hat seinen Ursprung im Libanon, der dritte auf den vormals syrischen Golanhöhen. Die Sorge, Syrien könne Israel auf den Golanhöhen sozusagen das Wasser „abgraben“ ist durchaus berechtigt und ein Grund dafür, dass Israel sich weigert, das Gebiet zurückzugeben, denn es gab immer schon arabische Pläne, die Quellflüsse des Jordan zum Nachteil von Israel zu stauen oder abzuleiten. Wie bei allen Aspekten des Nahost-Konflikts ist auch hier keine Lösung in Sicht.

Nachdem wir den Peace Lookout ausgiebig genossen haben, fahren wir auf der 98 Richtung Norden, stoppen in der Nähe von Afik kurz an einer Stelle, von wo aus man nach Syrien und Jordanien schauen kann. R. erzählt uns, dass die Böden erst von dicken Steinen befreit werden mussten, bevor man hier Felder bestellen konnte, das sei harte Arbeit gewesen. Heute wird ein großer Teil des Golan landwirtschaftlich genutzt, zum Anbau von Oliven, Wein, Äpfeln, Kirschen und als Weidegebiet für Rinder und Schafe. Beim Weiterfahren sehen wir immer wieder verfallende syrische Häuser und Schilder, die vor Minen warnen, eine Hinterlassenschaft des syrischen Militärs, die nur schwer zu beseitigen ist, da Israel keine Kartographie der gefährlichen Fallen besitzt. Eigentlich planen wir, irgendwann einmal den 125 km langen Golan Trail zu laufen, der sehr schön sein soll, aber als Wanderer muss man hier wegen der Minen wirklich vorsichtig sein. Unser nächster Stopp ist ein Hügel etwas abseits der Straße 98 kurz hinter dem kleinen Ort Ramat Magshimim. Tel Saki, so heißt die Erhebung vulkanischen Ursprungs, ist gleichzeitig eine Gedenkstätte für 32 israelische Soldaten, die hier während des Jom-Kippur-Kriegs, der vom 6. bis 25. Oktober 1973 dauerte, bei erbitterten Kämpfen ihr Leben verloren, darunter ein Bekannter von S., sie zeigt uns sein Foto auf einer Gedenktafel. In einem Bunker, den man heute noch sehen kann, hatten sich 12 Israelis versteckt, die von den vorrückenden Syrern nicht entdeckt wurden. Zwei Tage harrten sie in Todesangst aus, bis sie wieder in Sicherheit waren, so R. und S., ohne die wir diese Stelle nie gefunden hätten. Tel Saki ist nur ein Schauplatz in einem Krieg, der auf beiden Seiten zu hohen Verlusten führte. Wie ein Mahnmal steht noch ein verrottender israelischer Panzer hier und die Besucher können durch die Geschützstellungen klettern. Am 6. Oktober 1973, dem Tag des jüdischen Jom-Kippur-Festes, griffen Syrien und Ägypten Israel an zwei Fronten an. Israel wurde an seinem höchsten Feiertag von dem Angriff völlig unvorbereitet überrascht und geriet zunächst stark in die Defensive. Die Syrer rückten mit 1400 Panzern auf die Golanhöhen vor, fest entschlossen, das im Sechstagekrieg verlorene Gebiet wieder zurückzuerobern, und konnten tatsächlich vorübergehend die Kontrolle über den Golan gewinnen. Aber den Israelis gelang nach dem ersten Schock eine erstaunlich schnelle Mobilisierung der Streitkräfte und in einer Gegenoffensive wurden die Syrer bis auf 32 km vor Damaskus zurückgedrängt. In wenigen Tagen war die syrische Armee besiegt und musste mehr als die Hälfte ihrer Panzer auf dem Golan zurücklassen, der letzten Endes bei Israel blieb. Für die Israelis war der Krieg trotz des Erfolgs eine traumatische Erfahrung, hatte doch die israelische Armee bis dahin den Nimbus der Unbesiegbarkeit. Ministerpräsidentin Golda Meir und ihr Verteidigungsminister Mosche Dayan mussten zurücktreten, weil sie nicht erklären konnten, wie der offenbar von langer Hand vorbereitete arabische Angriff dem israelischen Geheimdienst Mossad verborgen bleiben konnte.

Weiter geht es zum Mount Bental, einem weiteren erloschenen Vulkan mit einer Höhe von 1171 m, auf dessen Spitze sich ein Aussichtspunkt und ein Café befinden, außerdem kann man durch Schützengräben klettern und einen Bunker besichtigen. Die Attrappen von kämpfenden Soldaten verweisen ebenfalls auf die erbitterten Kämpfe, die hier stattfanden, als die Israelis sich zu Beginn des Jom-Kippur-Krieges der Übermacht von 1400 syrischen Panzern stellen mussten. Der Rundumblick vom Mount Bental ist phantastisch, auf die Hulaebene mit dem Libanon in der Ferne, das Hermongebirge und nach Syrien – die Grenze liegt nicht weit entfernt und ist von dem Aussichtsberg gut erkennbar, ebenso Qunaitra, einst die größte syrische Stadt auf den Golanhöhen mit ca. 30.000 Einwohnern, 1967 während des Sechstagekrieges von Israel besetzt, im Jom-Kippur-Krieg 1973 zeitweise von Syrien zurückerobert, dann von den geschlagenen Syrern verlassen und heute eine zum großen Teil zerstörte Geisterstadt, in der nur noch wenige Menschen leben. Nach dem Jom-Kippur-Krieg wurde 1974 in dem Grenzstreifen zwischen Israel und Syrien eine Pufferzone eingerichtet, die sich in unterschiedlicher Breite vom Libanon bis nach Jordanien zieht und von UN-Truppen kontrolliert wird, um weitere militärische Auseinandersetzungen zwischen Israel und Syrien zu verhindern, Qunaitra liegt heute in dieser Pufferzone. Damaskus ist vom Mount Bental nur noch ca. 60 km entfernt. R. und S. erzählen uns, dass sie auf dem Höhepunkt des syrischen Bürgerkriegs vor allem nachts durch Kampfgeräusche geweckt wurden und sich damals auch Bomben auf den Golan verirrten.

Weiter geht es Richtung Norden, der nächste Stopp ist ein Weinanbaugebiet, für das R. einmal verantwortlich war, er möchte bei seinen früheren Mitarbeitern vorbeischauen, die heute ein Barbecue machen. Wir bleiben eine Weile und dürfen von dem leckeren Essen probieren. Dann ernten wir in einer Plantage gleich nebenan Äpfel und fahren anschließend noch weiter nördlich ins Drusengebiet. Während nahezu alle arabischen Bewohner nach der israelischen Eroberung der Golanhöhen im Sechstagekrieg 1967 flohen bzw. vertrieben wurden, ließen die Israelis die syrischen Drusen, eine arabischsprachige Religionsgemeinschaft, die im 11. Jahrhundert als Seitenzweig des schiitischen Islam entstand, weiterhin dort wohnen, in der Hoffnung, dass sie sich, wie ihre übrigen in Israel ansässigen Glaubensgenossen, langfristig loyal gegenüber Israel verhalten und integrieren würden. Die Golan-Drusen fühlen sich aber eigentlich als Syrer und lehnten z.B. mehrheitlich das Angebot ab, israelische Staatsbürger zu werden. Die Integration gelang nur teilweise, es kam immer wieder zu Protesten, wenn auch nach dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs die Bereitschaft stieg, die israelische Staatsbürgerschaft anzunehmen und sich nicht mehr so sehr nach Syrien zu orientieren, wo viele noch verwandtschaftliche Beziehungen pflegten oder studierten. Heute leben in mehreren Dörfern ca. 25.000 Drusen auf dem Golan und etwa ebenso viele jüdische Bewohner. Wir besuchen zwei Drusenorte, Buq'ata und Mas'ada, wobei letzterer heute unser nördlichster Punkt ist. R. und S. erzählen uns, dass die Golan-Drusen traditionell von der Landwirtschaft leben, insbesondere dem Anbau von Äpfeln. Da sie eine eigenwillige Auslegung des Koran pflegen, z.B. glauben sie an die Wiedergeburt, was der Koran nicht vorsieht, wurden sie in der Vergangenheit von orthodoxen Moslems oft der Häresie beschuldigt und verfolgt, weshalb sie sich in entlegene Bergregionen, wie z.B. den nördlichen Golan, oder andere Randgebiete zurückzogen. Die Drusen machen um ihre Religion ein großes Geheimnis, so dass Regeln und Einzelheiten dazu außerhalb ihrer Gemeinschaft nicht wirklich bekannt sind und man deswegen sogar von einer Geheimreligion spricht. Drusen dürften nur untereinander heiraten, erklärt R., wer in eine andere Religion einheirate, werde verstoßen. In Buq'ata findet heute eine Art Flohmarkt statt, den wir uns kurz anschauen. Die drusischen Frauen, die wir hier sehen, sind nicht verschleiert, sie tragen nur locker ein weißes Tuch als Kopfbedeckung und dazu dunkle Kleider. Mas'ada liegt schon sehr weit im Norden am Fuße des Hermongebirges, auch hier steigen wir aus und schlendern über einen kleinen Markt mit Obst, Gemüse und Gewürzen. Auf dem Rückweg halten wir noch für einen drusischen Imbiss, dünnes Fladenbrot, auf einer Art umgedrehtem Wok über offenem Feuer frisch zubereitet, und mit Labneh und Za'atar serviert, sehr lecker.

Am späten Nachmittag sind wir wieder „zu Hause“. R. und S. bereiten ein ziemlich aufwendiges Sabbat-Essen vor, wollen dabei aber keine Hilfe von uns, also ziehen wir uns zurück, ich habe viel in mein Tagebuch zu notieren über den heutigen Tag. Der jüngere Sohn der Familie kommt später anlässlich des Sabbat mit seiner Frau vorbei. R. spricht zu Beginn des Essens ein Gebet, bricht Brot, das dann reihum gereicht wird. R. und S. haben durchblicken lassen, dass sie säkulare Juden sind, der ganze Abend verläuft also ziemlich locker. Der ältere Sohn dagegen ist orthodox und lebt mit seiner Familie in einem religiösen Kibbuz in der Nähe. R. und S. tischen ein wahres Festessen mit mehreren Gängen auf, Ofenkartoffeln und -gemüse, Hähnchen, Schnitzel, gebratene Auberginen, Reis, Brot, es schmeckt köstlich. Später gehen wir mit R. und S. noch zu Nachbarn, die in geselliger Runde mit Familie und Freunden den Sabbat feiern. Wenn es Vorbehalte gegenüber uns als Deutsche gibt, lässt sich das zumindest niemand anmerken. Großes Aufhorchen, als R. erzählt, dass wir in Ramallah waren, da wird nachgefragt. Auch R. und S. erkundigten sich aufmerksam nach unseren Eindrücken vom Westjordanland. Es war ein spannender, sehr interessanter Tag, durch den Aufenthalt bei R. und S. und ihre unvoreingenommene Gastfreundschaft haben wir einen ganz anderen Zugriff auf Israel bekommen.

 


Blick auf den See Genezareth vom Peace Lookout auf den südlichen Golanhöhen
 

 

Dito
 

 

Am Tel Saki, einem Hügel vulkanischen Ursprungs auf den Golanhöhen, erinnert eine Gedenkstätte an 32 israelische Soldaten, die hier während des Jom-Kippur-Krieges ihr Leben verloren, unter ihnen ein Bekannter von S., auf dessen Foto sie hier zeigt


Gedenkstätte Tel Saki mit einem verrottenden israelischen Panzer aus dem Jom-Kippur-Krieg- im Hintergrund sieht man den Mount Bental


Gedenkstätte Tel Saki - Geschützstellungen aus dem Jom-Kippur-Krieg



Aussichtspunkt auf dem Mount Bental



Geschützstellungen aus dem Jom-Kippur-Krieg auf dem Mount Bental


Mount Bental - Blick in die von UN-Truppen kontrollierte Pufferzone zwischen Israel und Syrien mit der zum großen Teil zerstörten  syrischen Stadt Qunaitra links hinten



Mount Bental - hier geht der Blick zum Hermongebirge in der Ferne


Kurzer Besuch bei früheren Mitarbeitern von R., die gerade ein Barbecue machen



Junge drusische Frau auf einem Markt in Buq'ata im Norden der Golanhöhen



Markt im Drusenort Mas'ada



Auf der Rückfahrt stoppen wir für einen drusischen Imbiss....



....... den diese Drusin für  uns zubereitet


Sabbat auf den Golanhöhen - mit R. und S., ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter




Süd-Israel – Totes Meer/Masada und Negev-Wüste: Samstag, 2.11.2019 bis Freitag, 15.11.2019

Am Morgen verabschieden wir uns von unseren Gastgebern und bekommen noch Proviant für die Weiterreise mit, eine große Tüte Äpfel und einen leckeren Apfelkuchen. Heute Abend sind wir schon wieder bei Israelis zu Gast, und zwar in Arad, einer Kleinstadt, die schon ziemlich weit im Süden von Israel unweit des Toten Meers und Masada liegt. Vom Norden des Landes haben wir nur einen kleinen Teil kennengelernt, aber uns ist jetzt schon klar, dass wir noch einmal nach Israel reisen werden.


Gestern Abend haben wir mit R. über unsere weitere Route gesprochen, er hat uns versichert, dass wir Richtung Süden die Straße 90 nehmen können, die teilweise durch das palästinensische Westjordanland verläuft, das seit dem Sechstagekrieg 1967 von Israel besetzt ist. Uns war nicht klar, dass das mit unserem Mietauto möglich ist, ohne R.s Rat wären wir einen großen Umweg durch das israelische Kernland gefahren. Seit dem „Oslo-II“- Abkommen von 1995 ist das Westjordanland in drei Zonen unterteilt, die Straße 90 liegt in der Zone C, die dünn besiedelte Landstriche, palästinensische Dörfer und israelische Siedlungen umfasst, ca. 60 % des Gesamtgebiets ausmacht und sowohl zivilrechtlich als auch in Sicherheitsbelangen israelischer Kontrolle untersteht. Nur in Zone A, ca. 20 % des Gesamtgebiets, haben die Palästinenser die alleinige Kontrolle, es handelt sich um die großen Städte wie z.B. Ramallah, Bethlehem und Jericho. Israelis ist es aus nachvollziehbaren Gründen von Staats wegen untersagt, die Zone A zu betreten, sie müssten mit Übergriffen durch Palästinenser und Gefahr für Leib und Leben rechnen. Für uns als Touristen wäre die Zone A zwar kein Problem, aber wegen des israelischen Auto-Kennzeichens könnten wir mit Israelis verwechselt werden, wahrscheinlich ist aber Zone A in unserem Mietwagenvertrag eh ausgeschlossen. Bleibt noch Zone B, ländliche Gebiete und ca. 20 % der Gesamtfläche, hier haben die Palästinenser zivilrechtlich das Sagen, die Sicherheitsverwaltung müssen sie sich mit den Israelis teilen. Die Grenze zum Westjordanland, wie sie auf unserer aus Deutschland mitgebrachten Landkarte eingezeichnet ist, findet man auf israelischen Karten übrigens nicht, so R. gestern Abend, sie zeigen nur eine Einteilung in die drei Zonen und bezeichnen das Westjordanland ansonsten mit dem israelischen Namen Samaria und Judäa…

Ca. 250 km liegen bis nach Arad vor uns, südlich des See Genezareth erreichen wir bald die Straße 90, die als wichtige Nord-Süd-Achse eine schnelle Verbindung der südlichsten israelischen Stadt Eilat mit dem äußersten Norden Israels sicherstellt, sie ist auch wirtschaftlich und militärstrategisch von großer Bedeutung. Ab dem See Genezareth verläuft sie durch das breite Tal des Jordan, mehr oder weniger parallel zum Fluss, der hier die Grenze zwischen Israel und Jordanien bildet.

Kurz hinter Beit She'an erreichen wir schon den Kontrollpunkt zum Westjordanland bzw. zur C-Zone. Ein mulmiges Gefühl haben wir schon, wir fahren ja ein Auto mit israelischem Kennzeichen, aber R. und S. haben uns versichert, dass sie Richtung Süden auch immer die 90 nehmen, das sei völlig problemlos. Trotzdem steigen wir nur für ein paar wenige Fotos aus und fahren ansonsten ohne längere Stopps durch, anzuschauen gibt es allerdings unterwegs eh nicht viel, das Gebiet, das wir durchfahren, ist ländlich geprägt. Wir sehen eingezäunte Dörfer, hier leben wohl israelische Siedler, und solche, wahrscheinlich palästinensische, die frei zugänglich sind, aber wir trauen uns nicht, dort anzuhalten. Ca. 450.000 Israelis leben mittlerweile in Siedlungen im Westjordanland, weitere ca. 200.000 im 1967 von Israel besetzten und 1981 annektierten Ost-Jerusalem. Der Siedlungsbau wird von der israelischen Regierung vorangetrieben und gefördert und erhielt zusätzlich starken Auftrieb durch einen Vorstoß der Trump-Administration im Jahre 2020 für einen sogenannten Friedensplan zur Lösung des Nahost-Konflikts, der im Grunde die vollständige Kapitulation der Palästinenser vorsah. Die Israelis sollten sämtliche Siedlungen behalten und neue ohne Absprache gründen dürfen etc. Kein Wunder, dass die Palästinenser auf die Barrikaden gingen und es zum ersten Mal seit langer Zeit in Ramallah wieder zu Ausschreitungen und Demonstrationen kam - und ohne Worte, dass Trump u.a. für diesen Vorstoß, der mehr Zwietracht hinterließ als Frieden und eigentlich vorrangig seine evangelikale Klientel in den USA mit Blick auf die Wahl im November 2020 ködern sollte, auch noch mit dem Friedensnobelpreis geadelt werden wollte. Israel ist ein kleines Land, Wohnraum knapp und teuer, in den Siedlungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem liegen die Preise deutlich niedriger – insofern kein Wunder also, dass es viele junge Israelis, auch säkulare, trotz der feindlichen Umgebung in diese Gebiete zieht, können sie sich doch dort großzügigen Haus- und Grundbesitz leisten.

An der Abzweigung nach Jericho, einer der Städte, die im Westjordanland in Zone A liegen und somit unter palästinensischer Kontrolle stehen, warnen große Schilder, dass es israelischen Staatsbürgern untersagt ist, diese Zone zu betreten. Kurze Zeit später erreichen wir das abflusslose Tote Meer, den mit 428 m unter dem Meeresspiegel am tiefsten gelegenen See der Erde mit einem Salzgehalt so hoch, dass man beim Baden nicht untergehen kann. Hier mündet der Jordan bzw. das, was noch von ihm übrig ist. Als wichtigste Wasserquelle für Israel und Jordanien verliert er unterwegs so viel Wasser, dass er am Ende eher zu einem Rinnsal verkommt. Aus Richtung Süden herrscht jetzt sehr viel Verkehr, heute ist Samstag, viele Israelis mögen auf dem Heimweg aus dem Sabbat sein. Bis zur Abzweigung nach Arad fahren wir nun am Toten Meer vorbei und halten immer wieder für Fotos. Die Blicke auf das blaue Wasser des Sees und seine weißen Salzkrusten tief unter uns sind unfassbar schön, rechts von der Straße ragen steile Felsen auf, die den Rand der Judäischen Wüste kennzeichnen, es ist eine traumhafte, irgendwie surreale Landschaft. Schließlich passieren wir wieder einen Kontrollpunkt, wir werden einfach durchgewunken, verlassen kurze Zeit später das Westjordanland und erreichen nach einer längeren Abfahrt den Kibbuz Ein Gedi und damit wieder israelisches Kerngebiet, da dämmert es schon. Stockfinster ist es, als wir am südlichen Ende des Toten Meers in Neve Zohar von der 90 abbiegen und in vielen Serpentinen hinauf nach Arad fahren, wo wir heute Abend von A. und R. erwartet werden und pünktlich um 18 Uhr eintreffen. Wir werden überaus nett empfangen und speisen an diesem fast lauen Novemberabend draußen auf der Terrasse. R. hat sehr lecker gekocht, es gibt eine Linsensuppe nach israelischer Art, mehrere Salate, Pilzomelette, Blätterteigtaschen mit verschiedenen Füllungen, frittierten Blumenkohl und vieles mehr, Käsekuchen und Granatapfelkerne zum Nachtisch. Wir sind, wie auf den Golanhöhen, sehr dankbar für diese Gastfreundschaft, wird sie uns doch zuteil, obwohl wir aus Deutschland kommen und zumal wir im Laufe des Abends erfahren, dass Familienangehörige von A. in Auschwitz getötet wurden. A. und R. sind sehr interessante Gesprächspartner, wir erfahren an diesem Abend viel über Israel. Z. B. über Benjamin Netanjahu, allgemein „Bibi“ genannt, seit über einem Jahrzehnt Ministerpräsident Israels, aufgewachsen in den USA, Harvard-Absolvent, hochintelligent, charismatisch, aber auch selbstverliebt, verführbar und korrupt. Die Bedrohung von außen empfinden A. und R. als sehr real, und jedem Israeli wird das vor Augen geführt, wenn er den Wehrdienst ableistet, für Frauen sind das zwei Jahre, für Männer waren es ursprünglich sogar drei, die aber mittlerweile auf 2 ½ verkürzt wurden, eine sehr lange Zeit, junge Israelis starten deshalb erst sehr spät ins Berufsleben oder Studium. Andererseits würde aber während des Wehrdienstes auch vieles gelehrt, was nichts mit militärischen Dingen zu tun habe, insofern könne man diese Zeit nicht ganz als verloren betrachten, so unsere Gastgeber. Dass sie nicht mal eben so, wie wir in Europa z.B., in ein Nachbarland reisen können, empfinden sie als große Einschränkung. Umgeben von Nachbarstaaten, die sich alle mehr oder weniger die Auslöschung Israels auf ihre Fahnen geschrieben haben, fühlen sie sich hier wie auf einer Insel, die sie nur mit dem Flugzeug verlassen können, auch R. und S. von den Golanhöhen hatten das als großen Nachteil beklagt. Trotz allem befürchtet A. aber eher, dass sich Israel von innen zerstören könne. Er spielt damit auf die ultraorthodoxen Juden an. Da sie bei den Wahlen oft das Zünglein an der Waage sind, d.h. ohne ihre Unterstützung keine Regierungsmehrheiten zustande kommen, werden sie z.B. von Netanjahu, der selbst eine ultraorthodoxe Tochter hat, entsprechend hofiert und können, obwohl nur ca. 15 % der Gesamtbevölkerung, großen Einfluss auf Politik und Gesellschaft in Israel nehmen. So haben sie z.B. durchgesetzt, dass am Sabbat öffentliche Verkehrsmittel ihren Betrieb einstellen und sogar die Flugzeuge von El Al, der israelischen Nationalfluglinie, am Boden bleiben. Ginge es nach ihnen, dann würde aus Israel ein Religionsstaat, zur Freude der arabischen Nachbarn wahrscheinlich, zumal viele Ultraorthodoxe auch den Staat Israel ablehnen, denn die Staatsgründung steht ihrer Meinung nach nur dem Messias zu und nicht den Menschen. Bei den „Charedim“, wie man die Ultraorthodoxen in Israel nennt, werden Jungen und Mädchen schon im Alter von 3 Jahren voneinander getrennt und in separaten charedischen Kindergärten und Schulen erzogen, die keine umfassende Bildung anstreben wie normale Schulen, sondern den Fokus auf die religiöse Erziehung legen. TV ist verboten und Internet nur dann erlaubt, wenn es koscher ist, d.h. entsprechend gefiltert wurde. Auch Handys müssen koscher sein, das bedeutet u.a. keine SMS-Funktion, kein Radio, keine Kamera. Die Kinder wachsen so von Anfang an in eine Parallelgesellschaft hinein, abgeschottet leben sie in speziellen Stadtvierteln oder Vororten, ohne Berührungspunkte zu der Welt der säkularen Israelis, zu denen sich R. und S. zählen. Sie halten nicht viel von den Charedim, den „Gottesfürchtigen“, weil sie wenig bis nichts zum israelischen Gemeinwesen beitragen. Im Gegenteil, eigentlich würden sie dem Staat nur auf der Tasche liegen, so unsere Gastgeber. Charedische Männer widmen sich von morgens bis abends ausschließlich dem Studium der religiösen Schriften, einer Arbeit gehen sie normalerweise nicht nach, das überlassen sie ihren Frauen, die sich mangels qualifizierter Ausbildung häufig mit schlecht bezahlten Jobs zufrieden geben müssen. Das Leben der Charedim ist deshalb geprägt von Armut, überleben können sie nur mit sozialer Unterstützung des Staates. Vielen Israelis sind sie mittlerweile ein Dorn im Auge, sie betrachten sie als Schmarotzer, vom Staat privilegierte fromme Faulenzer, die ihr Leben damit verbringen, auf den Messias zu warten und sich auf Kosten der weltlichen Allgemeinheit, die sie ja eigentlich verachten, durchfüttern lassen. Auch vom Wehrdienst sind sie ausgenommen, diese und andere Privilegien erhielten sie schon zur Zeit der Staatsgründung 1948, aber damals machten sie nur ein Prozent der Bevölkerung aus, heute sind es 15 %, Tendenz steigend, denn Ultraorthodoxe setzen durchschnittlich 7,5 Kinder in die Welt, oft mehr, 10 bis 12 sind keine Seltenheit, so A. und R. Die hohe Geburtenrate sichert den Charedim nicht nur reichlich Kindergeld, sondern auch wachsenden Einfluss, da ihr Anteil an der israelischen Gesellschaft dadurch ständig zunimmt. A. findet das besorgniserregend, wären die Ultraorthodoxen in der Regierungsverantwortung, hätten die arabischen Nachbarn leichtes Spiel mit Israel… Junge Orthodoxe, die aus ihrer Gemeinschaft aussteigen wollen, tun sich schwer mit der freien Welt, von der sie immer ferngehalten wurden, denn in ihrer Gesellschaft war jeder Schritt vorgeschrieben, sie mussten nur die Regeln befolgen und nicht selber denken. Auch in Arad leben viele Ultraorthodoxe, der Ort wurde 1962 mitten in der Wüste aus dem Boden gestampft, billiger Wohnraum und niedrige Grundstückspreise zogen damals auch die oft einkommensschwachen Charedim an. Was erfahren wir noch an diesem interessanten Abend? Die Bevölkerung von Israel ist ein buntes Gemisch von Juden aus aller Welt, in letzter Zeit kamen wegen des zunehmenden Antisemitismus in Frankreich vor allem Einwanderer von dort. Grundsätzlich wird jeder Jude aus der Diaspora aufgenommen und erhält sofort die israelische Staatsbürgerschaft. Rassismus gibt es auch hier, er richtet sich vor allem gegen Juden aus Äthiopien…

A. und R. zeigen uns noch ihren Bunker, alle Privathäuser und öffentlichen Gebäude müssen per Gesetz von 1951 über einen solchen bombensicheren Schutzraum verfügen. Seit der Ausrufung des Staates Israel im Mai 1948, auf die die arabischen Nachbarn mit einer sofortigen Kriegserklärung reagierten, prägen Konflikte und bewaffnete Auseinandersetzungen die Geschichte des Landes, insofern macht ein schnell erreichbarer Bunker in jedem Haushalt schon Sinn. A. und R. haben ihren noch nie benutzen müssen, Bekannte von ihnen in der Nähe des Gaza-Streifens dagegen so häufig, dass sie ihre Kinder grundsätzlich in dem Schutzraum übernachten lassen. Auch R. und S. von den Golanhöhen hatten uns erzählt, dass Alarmsirenen sie schon häufiger in ihren bombensicheren Unterschlupf zwangen. Bei ihnen befand sich der Bunker im Keller, bei A. und R. dagegen ist er Bestandteil der Wohnung und wird von ihnen als Arbeitszimmer genutzt, für uns ist er nicht als Bunker erkennbar. Wohnraum sei knapp und teuer in Israel, so unsere Gastgeber, folglich sei man im Laufe der Zeit dazu übergegangen, die Schutzräume in die Wohnung zu integrieren und anderweitig zu nutzen, z.B. als Arbeitszimmer, Fitnessraum etc., ihrem eigentlichen Zweck tut das ja keinen Abbruch.

 

R. bereitet das Frühstück vor am Morgen unserer Abreise von den Golanhöhen


 

Abschiedsfoto mit R. und S.

 


Minen-Warnschilder am Fuße der Golanhöhen - die Minen sind eine Hinterlassenschaft der Syrer aus dem Jom-Kippur-Krieg

 

 Am südlichen Ende des See Genezareth überqueren wir den Jordan - wir hatten einen Strom erwartet, aber dem Fluss wird auf seiner Reise durch das Jordantal so viel Wasser abgezapft, dass er zu einem Rinnsal verkommt.

 

 

An der Straße 90 im Westjordanland: Betonbarrieren schützen an dieser Bushaltestelle wartende Fahrgäste vor terroristischen Anschlägen mit Autos


Etwas abseits der Straße 90 im Westjordanland: Grenzzaun Richtung Jordanien - die eigentliche Grenze verläuft allerdings ein Stück weiter westlich durch den Jordan
 

 

Nahe der Straße 90 im Westjordanland: Das Jordantal-Denkmal des deutschstämmigen Künstlers Igael Tumarkin ist eine Gedenkstätte für gefallene israelische Soldaten

 

 

Blick vom Tumarkin-Denkmal ins Jordantal: Im Hintergrund kann man  die kleine israelische Siedlung Yafit erkennen
 


Unterwegs auf der Straße 90 im Westjordanland: An der Abzweigung zur palästinensischen Stadt Jericho, die in Zone A liegt, warnen große Schilder israelische Staatsbürger vor dem Betreten dieser Zone.


Der nördliche Teil des Toten  Meers - wunderschön, aber in großer Gefahr


Dito


Abendessen bei A. und R. in Arad



Am nächsten Morgen frühstücken wir auf der Terrasse, es ist zwar etwas frisch, aber nach deutschen Maßstäben wäre das ein Sommertag, dabei haben wir heute den 3. November! Im Sommer steigt die Temperatur hier oft auf über 40 Grad, erfahren wir, dann flüchten unsere Gastgeber in kühlere Länder, sie reisen viel. Arad liegt ca. 600 m hoch, im Winter kann, sehr selten, auch einmal etwas Schnee fallen, der kälteste Monat ist der Januar. A. und R. sind zwar beide pensioniert, arbeiten aber noch stundenweise und haben Hobbys, die man fast schon als Job bezeichnen könnte. R. schreibt Kinderbücher, vielleicht von ihren beiden Enkelkindern inspiriert. Sie zeigt uns einige, sie sind wunderschön, aufwendig und professionell illustriert, immer mit einer erzieherischen Botschaft. A., früher Ingenieur, ist Hobby-Skulpteur, überall im Haus sind sehr gelungene Skulpturen unterschiedlicher Art und Größe verteilt, auch eine von Amos Oz, dem großen israelischen Schriftsteller, der 2018 einem Krebsleiden erlag und dessen Bücher ich sehr schätze, vor allem den autobiographischen Roman „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“. Zu meinem Erstaunen erzählen mir A. und R., dass Amos Oz viele Jahre in Arad lebte und dass sie ihn persönlich kannten. Amos Oz, der israelische Patriot, aber auch unermüdlicher Verfechter einer friedlichen, gerechten Lösung mit den Palästinensern, der sich als Kind schwor, den Deutschen, die einen Teil seiner Verwandtschaft umgebracht hatten, nie zu vergeben, der in einem langsamen Prozess, auch beeinflusst durch die deutsche Literatur, begann, sich Deutschland innerlich anzunähern, hervorragend beschrieben in seinem Essay „Deutschland und Israel“, der schließlich 1983 dann zum ersten Mal doch nach Deutschland reiste und danach noch viele Male und mit Preisen überschüttet wurde, beginnend 1992 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels – dieser Amos Oz also, der den Selbstmord seiner Mutter nie verwinden konnte, zwei Jahre nach ihrem Tod im Alter von 15 Jahren mit dem Vater brach und ein Kibbuznik wurde, im Kibbuz seinen Familiennamen Klausner ablegte und den neuen Namen Oz annahm, was auf Hebräisch „Kraft, Stärke“ bedeutet, der Soldat im Sechstagekrieg und im Jom-Kippur-Krieg war, dieser Amos Oz lebte also Jahrzehnte lang in Arad, das ist eine große Überraschung und ohne unsere Gastgeber hätten wir nie erfahren, dass der ansonsten relativ unbekannte Ort quasi die zweite Heimat von Israels angesehenstem Schriftsteller war, der mehrfach für den Literaturnobelpreis nominiert wurde, dem diese höchste Auszeichnung aber letzten Endes verwehrt blieb. Das war schon mal ein interessanter und informativer Start in den Tag. 
 
Nach dem Frühstück nimmt R. sich mehrere Stunden Zeit für uns. Wir machen zuerst einen Spaziergang vom Haus aus zu einem Aussichtspunkt, R. möchte uns zeigen, wie wüstenhaft die Umgebung von Arad ist, wir sind ja gestern Abend im Dunkeln angekommen. Der Ort liegt am nördlichen Rand der Negev-Wüste, nahe der imaginären Grenze zur Judäischen Wüste. R. erzählt uns, dass man es zur Zeit der Gründung 1962 allgemein für eine verrückte Idee hielt, in dieser lebensfeindlichen Umgebung eine Stadt aus dem Boden zu stampfen, aber heute leben hier mehr als 25.000 Menschen. Arad, die Wüstenperle, wie der Ort von seinen Bewohnern auch gerne liebevoll genannt wird, kann als Ausgangspunkt für interessante Ausflüge in die Umgebung dienen. Von hier erreicht man den Westzugang des Nationalparks Masada, das Tote Meer ist nicht weit entfernt, ebenso der Nationalpark Tel Arad mit Überresten einer alten Kanaanäer-Stadt. Als nächstes fahren wir mit R. zu dem Haus, in dem Amos Oz viele Jahre lang lebte, bis ihn seine Erkrankung nach Tel Aviv zwang. Dort wohnen natürlich inzwischen andere Leute, wir schauen das Haus nur von außen an und laufen dann von da aus den Weg, den Amos Oz in der Regel am frühen Morgen zu gehen pflegte, bis zu seiner Lieblingsbank am Stadtrand mit Blick auf die Negev-Wüste. Hier begrüßte er den Tag und ließ sich vielleicht zu Ideen für ein neues Buch inspirieren. Die Wüste, ohne Zweifel ein Ort der Ruhe, Besinnung und Spiritualität, kann ich mir durchaus als Quelle der Inspiration vorstellen, allerdings ohne das Ganze esoterisch zu überhöhen.
Weiter geht es zum Mo'av Aussichtspunkt am Stadtrand von Arad mit einem phantastischen Blick in die Negev-Wüste und zum Toten Meer. Außerdem steht dort ein Werk des israelischen Bildhauers Igael Tumarkin mit dem Titel „Panorama“. Tumarkin wurde in Dresden geboren und wanderte im Alter von zwei Jahren mit seiner Mutter nach Israel aus, ursprünglich trug er einen deutschen Namen. Er ist bekannt für seine großformatigen Außenarbeiten, die u.a. in Israel und den USA zu sehen sind, eins seiner Werke haben wir schon im Westjordanland bewundern können, auch in Nürnberg steht eins. Wir fahren noch ein Stück Richtung Masada und spazieren zu einem weiteren Aussichtspunkt mit Wüstenblick, in der Ferne kann man Beduinendörfer sehen. R. erzählt uns, dass die israelische Regierung bemüht ist, die ursprünglich als Halbnomaden lebenden Beduinen in eigens für sie gegründeten Städten sesshaft zu machen, seitdem nach der Staatsgründung Israels ein großer Teil ihres früheren Lebensraums in der Negev staatliches bzw. militärisches Gebiet wurde, aber die Ureinwohner der Negev-Wüste nehmen dieses Angebot nur begrenzt an. Sie fühlen sich dem freien Leben in der Natur verbunden und ziehen es vor, in illegal errichteten Dörfern zu leben, die von den Israelis immer wieder abgerissen werden. Ca. 200.000 israelische Beduinen gibt es in der Negev, ca. 40 % davon wohnen in offiziell nicht anerkannten Dörfern unter schwierigen Bedingungen und in ärmlichen Verhältnissen, da ihnen vom Staat keine Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden. Sie sind arabischsprachig und Anhänger des Islam, die Vielehe, eigentlich in Israel schon seit 1977 verboten, ist bei ihnen weit verbreitet. Wir sehen später in den Supermärkten manchmal Beduininnen, es sind schöne, stolze Frauen. Dann fährt R. mit uns noch zum Yatir Forest ein gutes Stück nördlich von Arad. Was für ein Gegensatz, als wir plötzlich, aus der kargen, trockenen Negev-Wüste kommend, am Rande eines großen Waldgebietes stehen, das sich unmittelbar an der Grenze zum Westjordanland erstreckt. Mit ca. 30 km² handelt es sich um den größten zusammenhängenden, künstlich angelegten Wald in Israel. Seit 1964 wurden hier mehrere Millionen Bäume gepflanzt, v.a. Nadelbäume wie Kiefern und Zypressen, aber auch Laubbäume, sogar Weinanbau gibt es hier. In der nördlichen Negev-Wüste liegen die jährlichen Niederschlagsmengen höher als im extrem trockenen Süden, nur deshalb ist die Existenz des Yahir Forest möglich. Die Anpflanzungen sollten die Ausbreitung der Wüste nach Norden hin stoppen, was auch gelang, gleichzeitig ist der Wald ein gemeinsames Forschungsprojekt der NASA und Israels. Wir staunen über diese grüne Oase mitten in der Wüste, die ein beliebtes Naherholungs- und Wandergebiet ist. Nach diesem sehr interessanten Vormittag sind wir gegen Mittag wieder zurück in Arad und verabschieden uns von unseren Gastgebern, die uns noch mit Orangen aus dem eigenen Garten, belegten Broten und Wasser versorgen, total nett. Wir kaufen in der Stadt noch ein paar Lebensmittel ein und entdecken dabei zu unserer Überraschung ein Schild mit der Aufschrift „Dinslaken 4422 km“. Die Stadt am Niederrhein ist der Geburtsort von Gerolds Mutter, tatsächlich finden wir später heraus, dass Arad und Dinslaken seit 1989 eine Städtepartnerschaft verbindet, verrückt! Dann fahren wir zum Westeingang des Masada National Park, wo es auch einen Campingplatz gibt, auf dem Wege dorthin phantastische Blicke auf die Negevwüste und das Tote Meer in der Ferne. Am Parkeingang warnt man uns, dass gerade zwei Schulklassen auf dem Campingplatz seien, der Herbst ist in Israel allgemein die Zeit der Klassenfahrten, wir bleiben trotzdem und finden einen sehr schönen Platz abseits vom Schülerrummel. Für den Besuch der Ausgrabungsstätte ist es schon zu spät, der Park schließt um 16 Uhr. Der Abend ist angenehm, die Temperatur lau wie an einem Sommertag in Deutschland.
 
 
A. zeigt mir seine Skulptur von  Amos Oz, dem großen israelischen Schriftsteller, der 2018 einem Krebsleiden erlag
 
 
 
 
Mit R. auf der Bank, zu der Amos Oz am Morgen von seinem Wohnhaus in Arad aus zu spazieren pflegte
 
 
 
 
 
Wunderschön - die Wüste bei Arad

 
 
Am Stadtrand von Arad steht die Großplastik  "Panorama" des deutschstämmigen israelischen Bildhauers Igael Tumarkin, der bekannt für seine großformatigen Außenarbeiten ist.
 
 

 File:Environmental sculpture by Yigal Tumarkin at the city of Arad.JPG -  Wikimedia Commons 
Ultraorthodoxe Juden an Tumarkins "Panorama" bei Arad (Quelle:
Wikimedia Commons)
 

 
Die Negev-Wüste bei Arad
 


 
Abschiedsfoto mit A. und R. in Arad
 
 
 
 
Das gibt's doch nicht - mitten in Arad entdecken wir dieses Schild! Dinslaken am Niederrhein ist der Geburtsort von Gerolds Mutter und seit 1989 städtepartnerschaftlich mit Arad verbunden
 
 
 
 
Unfassbar schön - die Negev-Wüste bei der Anfahrt zum Masada National Park, im Hintergrund das Tote Meer, rechts hinten der Tafelberg, auf dem die Ausgrabungsstätte Masada liegt



Der Tafelberg, auf dessen Plateau einst die Felsenfestung Masada lag: Die Römer bauten eine riesige Erdrampe, etwa in der Mitte des Fotos gut zu erkennen, um Masada zu erobern



 
Der Campingplatz im Masada National Park - obwohl zwei große Schülergruppen anwesend sind, finden wir für unser Zelt eine ruhige Ecke
 
 
 
 
 
Abendspaziergang im Masada NP vor großartiger Kulisse
 
 
 
Am nächsten Morgen nehmen wir schon um halb sechs Uhr direkt vom Campingplatz aus den steilen Aufstieg zur archäologischen Stätte Masada in Angriff, über den westlichen Zugang, die frühere römische Belagerungsrampe. Der Sonnenaufgang soll nämlich die Überreste der Felsenfestung in ein besonders romantisches Licht tauchen. Masada liegt auf dem Plateau eines 440 m hohen, markanten, isolierten Tafelbergs, der schroff zum Toten Meer hin abfällt. Dort startet der östliche Zugang, entweder als Fußweg über den serpentinenreichen Schlangenpfad oder per Seilbahn. Oben auf dem Plateau haben schon einige Sonnenanbeter in Yogaposition auf der Festungsmauer Stellung bezogen, um den Tag zu begrüßen. Da die Seilbahn erst ab 8 Uhr fährt, müssen sie zu Fuß über den Schlangenpfad gekommen sein, von Westen her waren wir ganz alleine unterwegs. Der Sonnenaufgang ist nicht so spektakulär wie erwartet, aber die Blicke zum Toten Meer tief unter uns sind sensationell. Die archäologische Stätte ist seit 1966 Teil des gleichnamigen Nationalparks und seit 2001 UNESCO-Weltkulturerbe. Die Ausgrabungen sind über das gesamte Plateau verteilt, das ca. 650 m lang und 300 m breit ist, und stammen zum großen Teil aus der Zeit von Herodes d. Großen, der Masada ca. 40 bis 30 v. Chr. zu einer starken Festung ausbauen ließ, die aufgrund ihrer Lage fast uneinnehmbar schien. Heute sind noch die Überreste zweier einstmals luxuriöser Paläste und anderer Gebäude und Anlagen zu besichtigen. Wir machen einen Rundgang über das weitläufige Gelände, das von einer über 1 km langen Verteidigungsmauer umschlossen ist. Besonders beeindruckend sind die Relikte des nördlichen, sogenannten hängenden Palastes, der sich über drei Ebenen erstreckt, im Westpalast kann man noch Reste von Mosaiken bewundern, in den Überresten der Synagoge, die wohl auch zu Herodes' Zeiten entstand, wird heute noch gebetet. Wir lassen uns Zeit und schauen uns alles in Ruhe an, später treffen die ersten Reisegruppen von der östlichen Seite per Seilbahn ein.

Für die Israelis ist die Welterbestätte Masada vor allem als Erinnerungsort an den erbitterten jüdischen Widerstand gegen die Römer wichtig. Nach dem Tod von Herodes war Masada nämlich in römische Hände übergegangen, gelangte aber in der Anfangsphase des jüdischen Kriegs gegen Rom um 66 n. Chr. in die Gewalt von jüdischen Aufständischen, den sogenannten Zeloten, besonders fanatischen religiösen Eiferern. 70 n. Chr. fiel Jerusalem, dabei wurde auch der zweite jüdische Tempel auf dem Tempelberg von den Römern zerstört, als Relikt blieb nur die heutige Klagemauer übrig. Die Zeloten in der Festung Masada aber gaben nicht auf. Als die 10. Legion der römischen Armee 72 n. Chr. mit der Belagerung begann, hielten sich dort etwa 1000 jüdische Männer, Frauen und Kinder auf. Fast zwei Jahre lang behaupteten sie sich als letzte jüdische Bastion gegen die Römer. Das dramatische Finale begann, nachdem es den Angreifern mit großem Aufwand gelungen war, von der niedrigeren westlichen Seite her eine riesige Erdrampe zu bauen, sie ist heute der westliche Zugang zur Ausgrabungsstätte, und mit einem Belagerungsturm und einem Rammbock eine Bresche in die Festungsmauer zu schlagen. Die Situation der jüdischen Zeloten war nun aussichtslos, sahen sie sich doch mit der Übermacht von ca. 10.000 Mann konfrontiert, aber statt sich zu ergeben und damit in die Knechtschaft der Römer zu gelangen, zogen sie es vor, als freie Menschen zu sterben und begingen kollektiven Selbstmord - so wurde der Mythos um die legendäre Verteidigung Masadas geboren. Als Symbol für jüdischen Freiheits- und Durchhaltewillen, für Wehrhaftigkeit, Unbeugsamkeit und Patriotismus bestimmte er lange Zeit das israelische Selbstverständnis. Der junge Staat Israel, von Anfang an mit einer Überzahl von Feinden konfrontiert, die ihnen die Existenzberechtigung absprachen, sah sich in einer ähnlichen Situation wie die kämpferischen Zeloten von Masada. Bis zu Beginn der 1990er Jahre leisteten die Rekruten der israelischen Armee hier den Schwur: „Masada darf nie mehr fallen“. Mittlerweile bewertet man die Dinge allerdings etwas anders, denn schließlich endete der glorifizierte Kampf um Masada mit einer bitteren jüdischen Niederlage, und ein kollektiver Selbstmord taugt vielleicht auch nicht unbedingt als heldenhaftes Vorbild….. Wir finden die Ausgrabungen von Masada jedenfalls sehr spannend und die Blicke von hier oben sind in alle Richtungen einfach nur grandios! Als nächstes fahren wir zurück nach Arad und dann auf der Straße 31 in vielen Serpentinen abwärts zum Toten Meer, wir halten an diversen Stellen, die Ausblicke sind phantastisch. Wir wissen, dass es in Ein Bokek neben exklusiv für Hotelgäste reservierten Stränden auch einen kostenlosen öffentlichen Strandabschnitt gibt, dorthin fahren wir, denn wir wollen natürlich im Toten Meer baden. Ein Bokek ist der größte Badeort an der israelischen Seite des Salzsees – die Grenze zu Jordanien verläuft ja mitten durch das Tote Meer - , hat aber außer seiner besonderen Lage (ca. 400 m unter dem Meeresspiegel) nichts zu bieten. Ein hässliches Hotel reiht sich hier an das nächste, von lauter Musik beschallt, aber der Strand ist schön und das Wasser unwirklich blau. Wir gehen abwechselnd hinein, ich konnte es nicht wirklich glauben, aber bei einem Salzgehalt von über 30 %, das ist zehnmal salziger als das Mittelmeer, kann man tatsächlich in dem Wasser nicht untergehen, egal, ob man sich lang ausstreckt oder die Beine anzieht. Schwimmversuche sollte man tunlichst unterlassen, um kein Salzwasser in die Augen zu bekommen oder gar zu schlucken. Also lassen wir uns einfach auf dem Rücken liegend treiben und genießen dieses außergewöhnliche Badeerlebnis ausgiebig. Der Auftrieb ist so stark, dass man Schwierigkeiten hat, aus der Rückenlage wieder auf die Beine zu kommen….

Am idyllischen Strand von Ein Bokek merkt man nichts von den gravierenden Problemen, mit denen das Tote Meer zu kämpfen hat, das seit 1979 durch eine Halbinsel zweigeteilt ist: Im nördlichen See fällt der Wasserstand und das Ufer zieht sich immer weiter zurück, im seichten südlichen See dagegen steigt das Wasser, er droht überzulaufen und Hotels zu überfluten. Ein Bokek liegt am südlichen Teil, der überwiegend aus Verdunstungsbecken besteht, künstlich angelegten Pools, die mehrere Unternehmen zum industriellen Abbau von Mineralien nutzen. Für die Pools leiten sie in großem Umfang Wasser aus dem tieferen und größeren nördlichen Teil in die südlichen Becken, was dort zu einem hohen Wasserstand führt. Hauptursache für das Ansteigen des südlichen Toten Meers ist allerdings, dass sich in den Verdunstungsbecken über die Jahre Unmengen von Salzschichten abgelagert haben, die Industrieunternehmen sind nämlich nur an den wertvollen Mineralien interessiert, das Salz wird zurückgelassen. Um eine Überflutung des südlichen Sees zu verhindern, wurden sie mittlerweile immerhin verpflichtet, die Verdunstungsbecken durch Ausbaggern des abgelagerten Salzes zu vertiefen.

Im nördlichen See dagegen gestalten sich die Probleme schwieriger. Hier sinkt der Wasserspiegel seit Jahrzehnten kontinuierlich, einerseits wegen der Wasserentnahme für die künstlichen Pools im Süden, andererseits aber auch und vor allem weil der Jordan, der wichtigste Frischwasserlieferant des Toten Meers, unterwegs so viel Wasser verliert, dass er am Ende als kleines Rinnsal in den Salzsee mündet. Insbesondere Israel und Jordanien zapfen dem Jordan Unmengen für die Trinkwasserversorgung ihrer Länder und die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen ab. Das hat dramatische Konsequenzen nicht nur für den Wasserstand des nördlichen Sees, sondern auch für das gesamte Ökosystem, die Bildung von äußerst gefährlichen Senklöchern ist dabei nur eines von vielen Problemen. Das Ufer zieht sich immer weiter zurück, wo früher das Meer war, entsteht Brachland, teilweise bis zu 2 km breit. Salzkammern unter der ausgetrockneten Erdoberfläche, die vormals mit Wasser bedeckt war, werden von Süßwasser in Form von Regen oder Grundwasser ausgespült, es bilden sich Hohlräume, die irgendwann unvermittelt einbrechen und in der Vergangenheit schon ganze Häuser und Straßen verschluckt haben. In der Nähe von Ein Gedi, einem Kibbuz am nördlichen Toten Meer, verschwanden z.B. ein Campingplatz und eine Uferstraße, auch ein Restaurant und eine Tankstelle versanken in den bis zu 30 m tiefen Kratern. Der Kibbuz lag früher in unmittelbarer Nähe vom Toten Meer, heute ist das Ufer weit entfernt. Da niemand weiß, wann und wo sich der nächste Krater öffnet, sind die Uferbereiche am nördlichen Toten Meer aus Sicherheitsgründen weiträumig abgesperrt, große Schilder, die wir bei der Hinfahrt vor zwei Tagen zahlreich gesehen haben, warnen vor den Senklöchern, von denen es mittlerweile allein auf der israelischen Seite über 6000 in unterschiedlicher Tiefe und Breite gibt. Es gibt kostspielige Pläne, um den Tod des Toten Meers zu verhindern, umgesetzt wurde bisher wenig und in Ein Bokek ist die Welt zumindest vordergründig noch in Ordnung, hier fällt das langsame Austrocknen des Toten Meers nicht auf und man kann von den Hotels aus direkt ins salzige Wasser waten…

Am Nachmittag fahren wir wieder zurück zum Campingplatz und eilen im Laufschritt die Römerrampe zur Ausgrabungsstätte Masada hoch, um den Sonnenuntergang über dem Toten Meer zu erleben. Das haben sich wohl auch viele andere gedacht, denn auf dem Gipfelplateau ist die Hölle los. Der Sonnenuntergang ist schön, aber der Zauber des Ortes, wie wir ihn heute Morgen erlebt haben, geht in dem Massenandrang unter. Unten auf dem Campingplatz sind die beiden Schulklassen noch da, aber so weit von uns entfernt, dass sie uns nicht stören. Ansonsten bleiben wir wie gestern Abend erstaunlicherweise die einzigen Gäste auf diesem wunderschönen Platz, die meisten Touristen übernachten wohl am Toten Meer. Bei der Zubereitung des Abendessens geht wegen eines Defekts die Kartusche für den Gaskocher in Flammen auf, Gerold improvisiert mit unserem Hobo, der aber für einen schnellen Morgenkaffee eher unpraktisch ist, weil er mit Kleinholz betrieben wird. 
 
 
 
 
Morgenstimmung auf dem Campingplatz des Masada NP
 
 
 
Die römische Erdrampe aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. ist heute der westliche Zugang zur Ausgrabungsstätte Masada
 
 
 
 
Ausgrabungsstätte Masada am frühen Morgen - im Hintergrund das Tote Meer
 
 
 
 
Panoramablick ins Jordantal und zum Toten Meer hin von der Ausgrabungsstätte Masada
 
 
 
Masada - Modell des nördlichen Palastes aus der Herodes-Zeit: Weil er über drei Ebenen verlief, wird er auch hängender Palast genannt.
 
 
 
 
Reste des hängenden Palastes (mittlere Terrasse)
 
 
 
 
Fresken im nördlichen Palast
 
 
Israel-2013-Aerial 21-Masada.jpg
Der Tafelberg, auf dessen Plateau die Ausgrabungsstätte Masada liegt, aus der Vogelperspektive: Im Vordergrund die Reste des hängenden Palastes (Quellle: Wikipedia)
 
 
 
Blick auf unseren Campingplatz vom Masada-Tafelberg aus
 
 

 
Auf der Straße 3199 zwischen dem Masada NP und Arad - durch eine traumhaft schöne Wüstenlandschaft
 
 

Ein Beduinendorf an der Straße 3199 zwischen dem Masada NP und Arad




Aussichtspunkt zwischen Arad und Neve Zohar/Ein Bokek mit dem Toten Meer im Hintergrund



Dito - unterhalb des Aussichtspunkts ist sehr gut ein wunderschönes Wadi zu erkennen





Zwischen Arad und Neve  Zohar/Ein Bokek - schon 177 m unter dem Meeresspiegel!




Surreal - die Landschaft am Toten Meer




Totes Meer bei Ein Bokek - Untergehen ist bei einem Salzgehalt von über 30 % unmöglich




Dito




Abendstimmung über der Ausgrabungsstätte Masada



Am nächsten Morgen gehen wir schon um 5 Uhr zur Masada-Festung hoch und erleben mit nur wenigen anderen Besuchern, wie die Sonne als roter Ball über dem Toten Meer aufsteigt, viel schöner als gestern, da waren wir ein bisschen zu spät oben angekommen. Dann packen wir unsere Sachen für die Abreise zusammen. Wir haben lange überlegt, ob wir noch einen Tag bleiben sollen, genug zu tun gäbe es noch, z.B. schöne Wanderungen im Bereich von Masada und Arad oder durch die Wadis beim Kibbuz Ein Gedi, aber letzten Endes entscheiden wir uns doch für die Weiterreise, im Süden gibt es auch noch viel zu sehen. Später bereuen wir, dass wir uns für diese Region und das Tote Meer so wenig Zeit genommen haben, aber wir können bei unserem ersten Israel-Besuch halt nicht alles sehen und machen. Unser erster Stopp auf dem Weg in den Süden ist Dimona, wie Arad 1955 mitten in der Negev-Wüste aus dem Boden gestampft, als sogenannte Entwicklungsstadt, eine Bezeichnung für Orte, die in der Frühzeit des israelischen Staats eigens für die Ansiedlung von Neueinwanderern gegründet wurden, um die Bevölkerung gleichmäßiger über das Land zu verteilen. Dimona hat heute ca. 35.000 Einwohner und ist vor allem bekannt als Atomstadt, denn in der Nähe befindet sich das Negev Nuclear Research Center mit Israels einzigem Atomreaktor, lange als Textilfabrik getarnt. 2014 wurden vom Gazastreifen Raketen auf die Anlage abgefeuert, die ihr Ziel aber verfehlten. Dimona hat als Stadt nichts Besonderes zu bieten, wir stoppen nur, um in einer großen Mall nach einer neuen Gaskartusche für unseren Kocher zu suchen, werden aber nicht fündig. In einem anderen Einkaufszentrum von Dimona wurde 2008 ein Selbstmordanschlag verübt, mit vier Toten und zahlreichen Verletzten, das ging damals durch die Weltpresse.

Unser nächstes Ziel ist Sde Boker, der Kibbuz war der Altersruhesitz des israelischen Staatsgründers und ersten Ministerpräsidenten Israels David Ben-Gurion, 1973 bei Tel Aviv verstorben und in der Nähe von Sde Boker beerdigt. Wir schauen uns sein früheres Wohnhaus an, jetzt ein Museum, es ist klein und sehr bescheiden eingerichtet. Auch Konrad Adenauer weilte 1966, bereits 90jährig, im Rahmen einer neuntägigen Israel-Reise für einen privaten Besuch bei Ben-Gurion schon hier, es war ihr letztes Zusammentreffen. Der erste deutsche Bundeskanzler (1949 – 1963) war damals nicht mehr im Amt, ein Jahr später starb er, Ben-Gurion reiste ins Rheinland, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Den Israeli und den Deutschen verband eine ungewöhnliche Freundschaft, die grundlegend für die Entspannung im schwierigen deutsch-jüdischen Verhältnis war und nach der Shoa geradezu unvorstellbar erschien. Persönlich trafen sich die Politiker nur zweimal, die Bilder von ihrer historischen ersten Begegnung 1960 im Hotel Waldorf Astoria in New York gingen um die Welt, sie zeigen die beiden sehr vertraut, auf einem Foto legt Ben-Gurion Adenauer in einer fast zärtlichen Geste die Hand auf den Arm. Die beiden Staatsmänner dachten pragmatisch und ließen sich von realpolitischen Zielsetzungen leiten, das ist die eine Seite, aber Ben-Gurion und Adenauer mochten sich auch, die „Chemie“ stimmte bei ihnen auf Anhieb und für Adenauer, selbst von den Nazis verfolgt, war die Aussöhnung mit dem jüdischen Volk ein moralisches Anliegen von höchster Priorität.

Ben-Gurion wählte den Wüstenkibbuz Sde Boker nicht zufällig als Altersruhesitz. Seit der israelischen Staatsgründung hatte er sich für die Entwicklung der Negev eingesetzt, gemäß seiner Vision, „die Wüste zum Blühen“ zu bringen, sie landwirtschaftlich und angesichts der hohen Einwanderungszahlen auch als Siedlungsraum nutzbar zu machen. Die Negev macht 60 % der Fläche des Staates aus, allerdings leben dort auch heute nur ca. 10 % der Bevölkerung, die Besiedlung und Urbarmachung der Wüste blieb also weitgehend ein Traum.

Gegenüber dem Kibbuz gibt es einen Park mit Picknicktischen und einem Zeltsymbol, das behalten wir schon mal als Übernachtungsmöglichkeit im Auge. Aber zunächst fahren wir weiter zum En Avdat National Park ein Stück weiter südlich. Der Park besteht aus zwei verschiedenen Sektionen und hat deshalb zwei Eingänge, wir nehmen den nördlichen und fahren über eine kurze, steile Serpentinenstrecke sofort hinunter zum Wadi Tsin, wo es auch einen Campingplatz gibt, kostenlos. Als wir unten ankommen, wissen wir auch warum, es gibt nichts außer zwei mobilen Toiletten, das Zelt müssten wir auf dem staubigen, steinigen Parkplatz aufstellen, das wirkt nicht sehr einladend, hier will nicht einmal Gerold bleiben. Also beeilen wir uns, wenigstens noch eine kurze Wanderung durch das Wadi Tsin zu machen. Wie immer sitzt uns die Zeit im Nacken, um 16 Uhr schließen oben die Parktore, bis dahin müssen wir draußen sein. Wir lernen Volker kennen, einen Rentner aus Norddeutschland, der alleine unterwegs ist, und verabreden, heute Abend zusammen im Park gegenüber von Sde Boker zu zelten. Eine gute Stunde wandern wir im Wadi Tsin, durch die faszinierend schöne Landschaft der Negev-Wüste. Oben am Parkeingang schauen wir uns noch die Gräber von Ben Gurion und seiner Frau Paula an, die als aufwendiges Denkmal gestaltet sind und auf einer Klippe hoch über dem Wadi Tsin liegen, mit spektakulären Blicken auf den Weg, den wir gerade gegangen sind. Im Steilhang unterhalb der Klippe haben sich nubische Steinböcke mit prächtigen Hörnern niedergelassen, typische Bewohner der Negev-Wüste, und scheinen die Aussicht genauso zu genießen wie wir. Dann fahren wir zurück zum Park am Kibbuz Sde Boker und bauen unser Zelt auf, Volker ist schon da, in seiner Gesellschaft fühlen wir uns doch etwas wohler, aber den ganzen langen Abend kommt niemand vorbei und stört sich an uns. 
 
 

 
Sonnenaufgang über dem Toten Meer von der Ausgrabungsstätte Masada aus gesehen



Masada am frühen Morgen mit Blick auf das Tote Meer im Hintergrund
 


 
Der Altersruhesitz von David Ben-Gurion in Sde Boker - heute ein Museum
 
 
 
 
 
Zwei alte Männer und eine fast unmögliche Freundschaft - David Ben-Gurion und Konrad Adenauer
bei ihrem ersten Zusammentreffen 1960 im Hotel Waldorf Astoria in New York
 
 
 
En Avdat National Park: Wanderung durch das wunderschöne Wadi Tsin
 
 
 
 
Dito
 
 
 
Blick auf das Wadi Tsin von oben
 
 
 
Das Grab von David Ben-Gurion und seiner Frau Paula oberhalb vom Wadi Tsin
 
 

 
Die Nacht war ungewohnt frisch, aber wir sind hier auch knapp 500 m hoch und befinden uns im gebirgigen Teil der Negev-Wüste, der von Erhebungen, Tälern und Kratern durchzogen ist, also landschaftlich abwechslungsreicher als der eher flache, aber nicht minder schöne nördliche Teil um Arad. Am Morgen trieft das Zelt vor Nässe, es hat stark getaut in der Nacht, das mag der Grund dafür sein, dass es hier etwas grüner ist, schon während der Hinfahrt waren uns niedrige Büsche und Gras aufgefallen. Gestern Abend habe ich herausgefunden, dass wir die schönste Wanderung im En Avdat National Park zu einer engen Schlucht mit einem Wasserfall und Pools verpasst haben, wir hatten uns auf unseren Wanderführer verlassen, der diese Route nicht erwähnt. Der Park öffnet erst um 8 Uhr, wir sind aber schon um halb sieben abreisebereit und fahren dann doch weiter, weil wir so lange nicht warten möchten, sehr ärgerlich. Auch am südlichen Eingang zum Park halten wir deshalb nicht, hier gäbe es noch die beachtlichen Reste einer Nabatäer-Stadt aus dem vierten Jahrhundert vor Christus zu besichtigen, die als Karawanenstation an der Weihrauchstraße errichtet wurde, auf der vor allem Gewürze, Weihrauch und Myrrhe vom Oman aus über den Jemen, die Stadt Petra und die Wüste Negev nach Gaza und Damaskus transportiert wurden. Insbesondere Weihrauch und Myrrhe waren damals heiß begehrt, weil sie für religiöse Kulthandlungen unverzichtbar waren, die Nabatäer wurden durch den Handel mit diesen wertvollen Waren reich, wir werden später in der antiken Ruinenstätte Petra in Jordanien noch einmal auf ihren Spuren wandeln. Zunächst jedoch geht es heute weiter nach Mitzpe Ramon, wobei wir zu Beginn sehr vorsichtig fahren müssen, weil dichter Nebel herrscht, verrückt, damit hatten wir hier nicht gerechnet. In Mitzpe Ramon scheint schon wieder die Sonne, aber es ist sehr kühl, was an der Höhe von 900 m über dem Meeresspiegel liegt. Das macht die Wüstenstadt zu einem der kältesten Orte in Israel, in dem Fall eher von Vorteil, weil es hier nicht so heiß wird wie andernorts in der Negev-Wüste. Wir schauen uns kurz um, aber die relativ kleine Stadt mit nur ca. 5000 Einwohnern hat als solche nichts Besonderes zu bieten. Die Lage unmittelbar am Rand des riesigen Kraters Makhtesh Ramon ist allerdings einzigartig, die Blicke von hier oben sind atemberaubend. Ich hatte mir den Krater nicht so groß vorgestellt, aber er ist mit einer Tiefe von 300 m, einer Länge von 40 km und einer Breite von bis zu 9 km tatsächlich gigantisch und wird deshalb auch gerne als der „Grand Canyon“ Israels bezeichnet. Angesichts dieser Ausmaße denkt man spontan an einen Meteoriteneinschlag oder Vulkanausbruch, aber der Ramon ist ein Erosionskrater, der größte weltweit, entstanden über viele Millionen Jahre durch eine Kombination von tektonischen Verschiebungen und Erosion, unglaublich! Wir schauen ins Besucherzentrum direkt am Kraterrand und erkundigen uns schon mal nach Campingplätzen im Ramon, der komplett unter Naturschutz steht. Vom Besucherzentrum aus gehen wir dann ca. 2 km am Kraterrand entlang bis zum „Camel Hill Lookout“, mit sensationellen Blicken, leider ist es etwas diesig heute. Auch den nubischen Steinböcken, die wir schon aus dem En Avdat National Park kennen, scheint es hier zu gefallen. Sie sind zahlreich am Kraterrand unterwegs und überhaupt nicht scheu, balancieren nahe am Abgrund und sind dabei auch noch zu Kämpfen aufgelegt! Der „Camel Hill Lookout“ liegt, wie der Name schon sagt, auf einem Hügel, hier ist natürlich einiges los, aber die phänomenale Aussicht kann man trotzdem noch genießen. Zurück zum Besucherzentrum, da drängen sich jetzt die Schulklassen, damit muss man rechnen im Herbst, der Zeit der Klassenfahrten in Israel. Volker ist auch da, wir trinken einen Kaffee zusammen. Dann fahren wir auf der Straße 40 in Serpentinen zum Krater hinunter. Der erste Campingplatz, der uns im Besucherzentrum empfohlen wurde, liegt in unmittelbarer Nähe der Straße und gefällt uns nicht so gut, er hat auch keine Tische, der zweite, das sogenannte Be'erot Camp, ist nur über eine 7 km lange, holprige Piste zu erreichen, das klingt schon besser. Be'erot verfügt über Sanitäranlagen mit Duschen, Tische, Bänke, Wasser, allerdings werden für heute Abend ca. 200 Schüler erwartet, aber das nehmen wir in Kauf, denn der riesige Platz liegt wunderschön mitten in der Wüste, und bauen in der hintersten Ecke unser Zelt auf. Wir brechen direkt vom Campingplatz noch zu einer kurzen Wanderung auf, durch eine abwechslungsreiche, farbenprächtige Wüstenlandschaft mit Hügeln und Wadis. Vom Kraterrand aus oben in Mitzpe Ramon beeindruckte der Makhtesh durch seine schiere Größe, aber man konnte nicht erahnen, wie unfassbar schön es hier unten ist. Wir sind Wüstenfans, die karge Schönheit dieses Lebensraums fasziniert uns, seitdem wir Anfang der 90er Jahre zum ersten Mal die Wüsten in Arizona und Utah in den USA besucht haben.

Der Abend wird laut, aber wir sind weit genug entfernt von den Schülerhorden und verbringen einen sehr angenehmen Abend. Schlechter ergeht es da Volker, der auch hier zeltet, und bis spät in die Nacht von grölenden Schülern am Schlafen gehindert wurde.


Sieht echt aus, sind aber nur Attrappen - Sonnenaufgang über der Negev-Wüste zwischen Sde Boker und Mitzpe Ramon




Nubische Steinböcke sind am Rande des mächtigen Kraters Makhtesh Ramon zu Kämpfen aufgelegt



Der kleine Wüstenort Mitzpe Ramon liegt am Kraterrand des Makhtesh Ramon



Abendwanderung durch den Makhtesh Ramon nahe dem Be'erot Camp



Dito



Das Wüstencamp Be'erot im Krater Makhtesh Ramon



Sonnenuntergang über dem Be'erot Camp


Am Morgen sind wir wie immer früh auf den Beinen, da ist es noch frisch, tagsüber wird es dann sehr heiß. Wir machen eine weitere Wanderung, die noch viel spektakulärer ist als die gestrige. Zunächst folgen wir dem trockenen Flussbett des Wadi Ramon, dann zweigen wir in das Wadi Nekarot ab, durch eine grandiose Canyon-Landschaft. Zwischen hohen Felswänden und riesigen Steinblöcken steuern wir auf eine Klamm zu, die mit Wasser gefüllt ist, hier gibt es kein Weiterkommen mehr, das Wasser ist tief, aber man kann die Klamm mit einer gut gesicherten Kletterpartie oberhalb umgehen. Ein junger Mann, der hinter uns war, schwimmt einfach durch und scheint dabei viel Spaß zu haben…. Die Klamm ist der landschaftliche Höhepunkt auf dieser Wanderung, danach weitet sich der Canyon und wir erreichen bald eine Piste, auf der wir zurück zum Campingplatz gehen. Knapp drei Stunden waren wir für diese abwechslungsreiche Wanderung unterwegs. Gerold hat gestern Abend mit einem jungen Franzosen geplaudert, der den Israel National Trail, einen ca. 1000 km langen Fernwanderweg, der Israel von Norden nach Süden durchquert, mit dem Fahrrad abfährt, eine ziemlich verrückte Idee. Von ihm erfahren wir, dass es letzte Woche in dieser Region in den Wadis, normalerweise trockenen Flussbetten, zu dramatischen Sturzfluten kam. Man kann das gar nicht glauben bei der Dürre hier. Aber auch bei bestem Wetter im eigentlichen Wandergebiet können solche Flashfloods plötzlich auftreten, wenn an einer ganz anderen Stelle Niederschläge fallen, da kann ein enger Canyon schnell zur tödlichen Falle werden. Besonders groß ist die Gefahr im Winter, wenn es vermehrt regnet. Man sollte sich also tunlichst über die Wettervorhersage informieren, bevor man hier zu einer Canyon-Wanderung aufbricht, das hatte uns schon R. in Arad eingeschärft! Zurück auf dem Campingplatz überlegen wir das weitere Programm. Von Israelis nahe dem Gazastreifen, die wir besuchen wollten, haben wir bisher keine Nachricht bekommen, sie schreiben uns später, dass sie wegen eines Urlaubs außer Landes waren, für die Zukunft sind wir herzlich eingeladen, auch wieder sehr nett. Im Nachhinein war es vielleicht ganz gut so, denn Anfang November flogen vom Gazastreifen her Raketen auf das Grenzgebiet von Israel. Allerdings hatten wir diesen Aufenthalt schon in unsere Planung einbezogen und haben jetzt für den tiefsten Süden Israels ein bisschen zu viel Zeit. Zurück zum Avdat National Park oder zum Toten Meer wollen wir aber auch nicht mehr, also doch weiter Richtung Süden. Wir haben mehrere Campingplätze nahe der Straße 40 ausfindig gemacht, zwei davon können wir nicht finden oder es gibt sie nicht, aber die Tsikhor Junction Campsite existiert und gehört zu einem Naturreservat. Der Platz ist kostenlos, es ist eigentlich auch nicht mehr als eine zum Übernachten ausgewiesene Fläche, es gibt noch nicht einmal mobile Toiletten, geschweige denn Tische. Aber er liegt wunderschön, obwohl nur ein kleines Stück von der Straße 40 entfernt, ein richtiger Traumplatz. Wegen der Nähe zur 40 habe ich zunächst Bedenken, die zerstreuen sich, als noch eine Familie mit Kindern auftaucht, die etwas entfernt von uns ihr Nachtcamp aufschlagen. Es rauschen noch einige Autos vorbei, die wohl tiefer in das Naturreservat hineinfahren. Abseits der Hauptwege gibt es hier sicherlich noch viel Wüsteneinsamkeit zu entdecken, aber da bräuchte man einen Geländewagen. Als Gerold kocht, schleicht ein Fuchs um Auto und Zelt. Wir haben bald Vollmond, deshalb bleibt es relativ lange hell, es ist ein perfekter Abend, einfach nur wunderbar. Gegen 23 Uhr wird unsere Wüstenidylle jäh gestört, als drei Jeeps mit jungen Israelis auftauchen und unmittelbar neben uns ihre Zelte aufbauen, begleitet von sehr lauter Musik, obwohl es wirklich genug andere Möglichkeiten auf dem weitläufigen Gelände gäbe. Es scheint, dass sie den Platz kennen und ganz gezielt angesteuert haben. Morgen beginnt der Sabbat, wir müssen damit rechnen, dass die Campingplätze an den nächsten zwei Tagen voll sind. Nach einer Stunde geben die jungen Leute immer noch keine Ruhe und die Musik dröhnt unvermindert laut, schon ziemlich rücksichtslos. Kurzerhand bauen wir unser Zelt ab und stellen es um die Ecke, lärmgeschützt durch einen Hügel, wieder auf. Jetzt hören wir nichts mehr von den dreisten Ruhestörern und verbringen eine friedliche Nacht.

 

 

Wanderung durch das Wadi Nekarot im Makhtesh Ramon nahe dem Be'erot Camp



Dito

 

 

Dito - hier geht es nur noch schwimmend weiter........

 

.......... deshalb umgehen wir die Klamm oberhalb

 


Geschafft - nach der Kletterpartie erreichen wir das Ende der Klamm

 

Rückweg zum Be'erot Camp durch eine traumhaft schöne Wüstenlandschaft

 

 

 
 Tsikhor Junction Campsite - ein Traumplatz zum Übernachten in der Negev-Wüste am Rande eines Naturreservats
 


Am nächsten Morgen sind wir früh unterwegs, wir wissen noch nicht so recht, wo wir heute übernachten sollen, zur Not könnten wir wieder zu diesem Platz zurückfahren. Aber dann entdecken wir auf dem Weg nach Eilat rein zufällig unmittelbar neben der Straße 90 einen kleinen Campingplatz, der zum Hai Bar Yotvata Nature Reserve gehört. Eine Gruppe von Schülern ist gerade dabei, ihre Zelte abzubauen, beim Einchecken erfahren wir, dass wir Glück haben und für heute Abend keine weiteren Schüler angemeldet sind. Super! Wegen seiner Nähe zur stark befahrenen 90 liegt der Platz zwar nicht so prickelnd, aber wir sind froh, überhaupt so schnell etwas gefunden zu haben. Außerdem gibt es moderne Sanitäranlagen mit Duschen, Tische, Bänke und sogar Kühlschränke. Die Dame im Besucherzentrum outet sich als Deutsche, mit einem Israeli verheiratet und schon sehr lange in Israel lebend. Sie freut sich wohl, ihre Muttersprache anwenden zu können, und so bekommen wir noch gute Tipps. Z. B. wussten wir nicht, dass man mit einer Jahreskarte für die Nationalparks und Naturschutzgebiete sehr viel billiger wegkommt, als wenn man immer die Einzeleintritte bezahlt, die ziemlich hoch sind, noch dazu hat man zusätzliche Vergünstigungen, das ist eine wertvolle Information für den nächsten Israel-Besuch. Dann schauen wir uns erst einmal das umzäunte Naturreservat an, denn wegen des beginnenden Sabbat schließt es heute früher. Geschaffen wurde es, um ausgestorbene oder bedrohte Tierarten, die früher in den Wüstengebieten Israels heimisch waren, zu züchten und später wieder auszusiedeln. Man kann nur mit dem Auto hineinfahren und darf nicht aussteigen, der Besuch läuft also wie eine Art Safari ab und ist sehr interessant und spannend. Wir sehen viele Antilopen, Wildesel und Strauße, die besonders neugierig und sehr frech sind, sie kommen ganz nahe an unser Auto heran und picken auf der Windschutzscheibe herum, weil sie einen Aufkleber wohl für etwas Essbares halten. Die Deutsche im Besucherzentrum hatte uns gewarnt, dass wir unbedingt die Fenster geschlossen halten sollten, um von den Straußen nicht verletzt zu werden. Dann fahren wir ins nur noch ca. 30 km entfernte Eilat, die südlichste Stadt Israels, direkt am Roten Meer und in der Spitze des V-förmigen Dreiecks gelegen, das die Wüste Negev bildet, die die gesamte Südhälfte des Landes einnimmt. Eilat hat etwa 50.000 Einwohner und ist Israels einziger Zugang zum Roten Meer auf einem ca. 12 km langen Küstenabschnitt zwischen der jordanischen und ägyptischen Grenze. Mit durchschnittlich 360 Sonnentagen im Jahr kommen Sonnenhungrige hier voll auf ihre Kosten, es regnet fast nie. Das Klima und die Lage am Meer machen Eilat zu einem beliebten Urlaubsziel, das nicht nur die Israelis selber, sondern auch viele ausländische Touristen anzieht. Auch während der milden Wintermonate kann man hier noch baden, im Sommer allerdings wird es mit über 40 Grad oft zu heiß. Wir hatten so hohe Temperaturen nicht erwartet, aber tatsächlich ist es bei unserer Abreise Mitte November aus Aqaba/Jordanien, das praktisch gegenüber von Eilat und auch am Roten Meer liegt, immer noch sommerlich warm. Ins Zentrum fahren wir heute nicht mehr, nur noch zu einer Mall in den Hügeln oberhalb der Stadt, um für den beginnenden Sabbat einzukaufen. Dann eilen wir auf der serpentinenreichen Landstraße 12 schon hoch in die Eilat-Berge, wie immer sitzt uns wegen der frühen Dunkelheit die Zeit im Nacken. Unser Ziel ist der Red Canyon, ca. 20 km vom Stadtzentrum entfernt und wohl eines der beliebtesten Ausflugsziele von Eilat aus. Oben in den Bergen verläuft die Straße nahe der ägyptischen Grenze, genauer gesagt dem Sinai, von israelischer Seite aus mit einem hohen Metallzaun gesichert, hinter dem eine planierte Sandfläche jeden Eindringling verrät, der er es geschafft hat, den ersten der doppelten Grenzzäune zu überwinden. Der Bau der Sicherungsanlagen wurde 2010 von der Regierung Netanjahu beschlossen, nachdem Ägypten zunehmend und besonders während des sogenannten „Arabischen Frühlings“ ab Januar 2011 die Kontrolle über die Sinai-Halbinsel verloren hatte. Die bis dahin wenig gesicherte ägyptisch-israelische Grenze hatte sich schon in den Jahren davor zu einer wichtigen Route für illegale Migranten vor allem aus dem Sudan und Eritrea entwickelt, aber auch für Schmuggler aller Art und Terroristen. Im August 2011 schließlich drang eine palästinensische Terrorgruppe vom Sinai aus auf israelisches Staatsgebiet vor und nahm auf dem Abschnitt der Landstraße 12, den wir gerade befahren, israelische Privatwagen und Busse unter Beschuss. Die Palästinenser töteten acht Israelis, die völlig arglos auf dem Weg zu einem Badeurlaub in Eilat waren, und verletzen viele. Das gab den Ausschlag, den Bau der Sicherheitsanlagen zwischen Israel und dem Sinai voranzutreiben. Auf uns wirken diese Grenzbefestigungen etwas unheimlich, man sieht keinen Menschen, aber sie stehen unter ständiger Beobachtung durch Kontrolltürme und modernste Überwachungstechnik, das erinnert von der Art her schauerlich an die Grenzanlagen der ehemaligen DDR, die allerdings ihre eigenen Landsleute einmauerte, während die Israelis sich vor Terror von außen schützen müssen. Von der Mittelmeerküste einmal abgesehen, hat Israel sich mittlerweile quasi komplett eingezäunt. Ich weiß nicht, wie sich die Israelis damit fühlen, wahrscheinlich besser und sicherer, die aufwendigen Grenzanlagen sind wohl für sie einfach ein notwendiges Übel, das zum Alltag gehört. Die Israelis wollen nie mehr Opfer sein, deshalb verteidigen und schützen sie ihr kleines Land so entschlossen und unbeirrbar, wer wollte ihnen das nach der Erfahrung der Shoa verdenken, denn die Drohungen ihrer Feinde, den Staat Israel auslöschen zu wollen und alle Juden ins Meer zu treiben, sind durchaus ernst zu nehmen.
Nach ca. 20 km biegen wir von der Landstraße 12 Richtung Red Canyon ab. Uns bleibt nur noch Zeit für eine kurze Wanderung von knapp zwei Stunden, aber auch die ist sensationell. Wir steigen zunächst in das breite Wadi Shani ab, das sich dann bald zu einem richtigen Slot Canyon, einer Klamm, verengt, von der Art, wie wir sie vom Colorado-Plateau in den USA kennen. Mit einigen Kletterpartien, die mit Leitern, Haltegriffen und Tritten gesichert und nicht besonders schwierig sind, geht es dann in steilen Stufen abwärts, bis sich der Canyon wieder weitet. Die eigentliche Klamm ist sehr kurz, nur ca. 200 m lang, und auch nicht besonders tief, da gibt es im Südwesten der USA sehr viel spektakulärere Exemplare, trotzdem lohnt sich der Red Canyon, schon alleine wegen des roten Gesteins, dem er seinen Namen verdankt, und der grandiosen Wüstenlandschaft. Weil uns nicht so viel Zeit bleibt, gehen oder besser klettern wir denselben Weg zurück zum Parkplatz und müssen uns dann schon beeilen, vor Einbruch der Dunkelheit zurück in Eilat zu sein. Inzwischen hat der Sabbat begonnen und es ist deutlich ruhiger auf den Straßen, bis auf wenige kleinere Läden hat alles geschlossen. Wir kommen im Dunkeln auf dem Campingplatz des Hai Bar Yotvata Nature Reserve an, wo wir zunächst die einzigen bleiben, das ist natürlich wunderbar. Später am Abend kommt noch eine große Gruppe russischsprachiger Israelis an, Erwachsene mit Kindern, die aber früh ruhig sind. Für November ist es ein unfassbar warmer Abend, wir sitzen noch lange in sommerlicher Bekleidung draußen.
 

 

 

Am frühen Morgen auf der Tsikhor Junction Campsite - hier kocht das Wasser für den Frühstückskaffee

 

Im  Hai Bar Yotvata Natur Reserve bei Eilat

 

 

Dito

 

 
Dito





Dieser freche Strauß näherte sich unserem Auto und bearbeitete mit seinem Schnabel dreist unsere Windschutzscheibe


 

Unterwegs zum Red Canyon auf der Landstraße 12 in den Eilat-Bergen - der Drahtzaun links sichert die Grenze zu Ägypten

 

Im Wadi Shani - unterwegs zum Red Canyon
 

 

Dito

 

Der sogenannte Red Canyon ist eine ca. 200 m lange Klamm, hier schauen wir von oben hinein
 

 

Im Red Canyon - am späten Nachmittag sind wir hier fast alleine unterwegs

 

Einige Kletterpartien sind im Red Canyon zu bewältigen
 
 


Dito

 

 

Landstraße 12 auf dem Rückweg nach Eilat - hier kam es 2011 zu einem Terroranschlag, bei dem acht Israelis ihr Leben verloren
 

 


Heute steht der Timna Park auf unserem Programm. Er liegt ganz in der Nähe vom Hai Bar Yotvata Nature Reserve und ist offenbar Israels Vorzeige-Nationalpark, darauf deutet jedenfalls das aufwendige, moderne Besucherzentrum hin, mit Filmvorführungen in einem separaten Gebäude, Fahrradverleih, Snackbar und Rangern, bei denen man sich über Wandermöglichkeiten beraten lassen kann. Das haben wir in der Form in Israel noch nicht gesehen. Der Timna ist ca. 60 km² groß und liegt in der Arava-Senke, die sich vom Toten bis zum Roten Meer erstreckt und die Fortsetzung des Jordangrabens bildet, der vom Jordan durchflossen wird. Man kann sich diese Senke vorstellen wie ein großes, breites Tal, an den Rändern ansteigend zu den hohen jordanischen Bergen im Osten einerseits und den niedrigeren Bergen der israelischen Negev im Westen andererseits, die in schroffen Klippen zur Senke hin abfallen. Die höchste Erhebung im Park ist der 450 m hohe Mount Timna, den man auf einem ausgeschilderten Wanderweg besteigen kann, aber das ist eine anspruchsvolle Tour. Wir belassen es heute bei einer Autorundfahrt durch den weitläufigen Park, das ist die beste Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen und die wichtigsten Naturspektakel und archäologischen Stätten anzuschauen. Denn der Timna bietet nicht nur eine faszinierende Wüstenlandschaft, hier kann man auch Felszeichnungen aus dem 14. bis 12. Jahrhundert v. Chr. bewundern und den Spuren bergbaulicher Aktivitäten folgen, die weit in die Zeit v. Chr. zurückreichen. Unglaublich, aber die Ägypter bauten bereits vor über 6000 Jahren im Bereich des Parks Kupfer ab, hier finden sich Reste der ältesten Kupfermine der Welt und auch von antiken Schmelzanlagen.

Wir stoppen bei unserer Rundfahrt an besonders spektakulären, durch Erosion entstandenen Felsformationen, die ihre Namen dem Aussehen verdanken: den spiralförmigen „Spiral Hill“, den pilzförmigen „Mushroom“, solche „Pilze“ sind im gesamten Nationalpark verbreitet, sie bildeten sich durch unterschiedlich starke Erosion. Die Felszeichnungen im nördlichen Teil des Parks zeigen menschliche Aktivitäten und die Tierwelt der Antike, die Darstellung ägyptischer Kampfwagen verweist auf die Anwesenheit der Ägypter im Timna. Besonders spektakulär sind die sogenannten „Arches“, durch Erosion entstandene Sandsteinbögen, zu denen man hochklettern kann, aber es herrscht so großer Andrang, dass wir die Besichtigung auf morgen verschieben. Dann fahren wir noch zum Service-Bereich am künstlich angelegten Timna-See. Dort gibt es nicht nur einen großen Campingplatz und Zimmer zum Mieten, sondern auch ein Restaurant, eine Snackbar und einen Souvenirladen mit viel Kitsch. Für den See kann man sich Tretboote leihen, ein bisschen Disneyland mitten in der Wüste. Der Campingplatz ist praktisch leer, wir hatten mit viel mehr Andrang gerechnet und beschließen, morgen hierher umzuziehen. Weiter geht es nach Eilat, wo es wegen des Sabbat insgesamt immer noch relativ ruhig zugeht. Im Bereich der Hotels und der Strandpromenade am Roten Meer sieht es allerdings ganz anders aus, hier haben die Cafés, Restaurants und Clubs geöffnet und sind sehr gut besucht, am Strand tummeln sich spärlich bekleidete Sonnenanbeter, in einer Mall sind zwar einige Geschäfte geschlossen, aber auch viele geöffnet. Offenbar nimmt man es zumindest im Strandbereich mit dem Sabbat nicht so genau oder es hat damit zu tun, dass in Eilat zur Unterstützung des Tourismus eine Freihandelszone eingerichtet wurde, hier kann man zollfrei und damit wesentlich günstiger shoppen als anderswo in Israel. Die unmittelbare Lage am Roten Meer macht Eilat zwar zu etwas Besonderem, aber ansonsten können wir dem Ort nichts abgewinnen. Hier ist alles auf Konsum, Kommerz und Entertainment ausgerichtet, die Hotelanlagen sind riesig und hässlich, aber um Schönheit geht es nicht, nur um maximalen Profit. Es ist der ideale Platz zum Abhängen, Chillen, Sonnenbaden und Konsumieren, wenn man daran Spaß hat, aber man kann Eilat natürlich auch als Ausgangspunkt zum Erkunden der Negev-Wüste benutzen, viele kommen zudem wegen der Wassersportmöglichkeiten und zum Tauchen und Schnorcheln im Roten Meer. Wir flanieren einmal entlang Eilats Konsum- und Vergnügungsmeile, man muss das schon gesehen haben, und fahren dann zurück zum Hai Bar Yotvata Nature Reserve, wo wir wieder die einzigen Gäste sind.

 


An der Abzweigung zum Timna Park
 

 

Im Timna Park - links im Bild der sogenannte Spiral Hill
 
 
 
 
Timna Park - rechts im Bild eine durch Erosion entstandene Felsformation, die wie ein Pilz aussieht
 
 
 
 
Timna Park - viel los an den durch Erosion entstandenen Sandsteinbögen
 
 

 

Eilat am Roten Meer ist die südlichste Stadt Israels und liegt unmittelbar an der jordanischen und ägyptischen Grenze
  


Gegen 22 Uhr verschaffte sich gestern Abend, kurz bevor die Aufsicht das Gelände verließ, lautstark noch eine vielköpfige Familie Zutritt zu dem eingezäunten Campingplatz, für den man einen Schlüssel benötigt, aber sie verhielten sich rücksichtsvoll und waren schnell ruhig. Heute
Morgen sehen wir, dass es orthodoxe Juden sind. Während die Mutter sich mit sechs Kindern abmüht, umrundet der Vater mit einem Büchlein betend ein ums andere Mal den kleinen Platz. Die Frau trägt ein als Turban gebundenes Kopftuch (jiddisch „Tichel“, Verkleinerungsform von deutsch „Tuch“), was signalisiert, dass sie verheiratet ist. In Jerusalem haben wir solche „Turbane“ sehr oft gesehen, bunt und kunstvoll geschlungen wirken sie durchaus wie ein modisches Accessoire, man kann sich ja auch attraktiv verhüllen. Orthodoxe Jüdinnen dürfen nach der Heirat ihre Haare nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen, das ist ein Toragesetz. Haare gelten als etwas Sinnliches und könnten begehrliche Männerblicke auf sich ziehen, ihr Anblick sollte deshalb nur dem Ehepartner vorbehalten bleiben. Die Frauen müssen sich also sittsam bedecken, weil die Männer sich nicht im Zaum halten können – diese Art von Rechtfertigung für die Verhüllung von Frauen kommt mir irgendwie bekannt vor, wobei orthodoxe Jüdinnen ihre Haare erst nach der Heirat verstecken, im Islam dagegen oft schon kleine Mädchen mit einem Schleier traktiert werden. Religiöse Kopfbedeckungen sind also kein rein muslimisches Phänomen und auch im Christentum gibt es ja eine religiös motivierte Verhüllungstradition. Orthodoxe jüdische Frauen dürfen alternativ zum „Tichel“auch eine Perücke tragen, jiddisch „Scheitel“ genannt, was in streng religiösen Kreisen wegen der Ähnlichkeit mit natürlichem Haar aber nicht so gerne gesehen wird, oder sich eine Mütze aufsetzen oder ein Haarnetz überziehen. Die ultraorthodoxe Variante sind kahlgeschorene Haare unter einem Tichel oder Scheitel…

Unsere Nachbarin auf dem Campingplatz jedenfalls trägt einen eher unauffälligen Turban und grüßt freundlich, aber zurückhaltend, die Kinder schauen neugierig, die Buben haben schon Schläfenlocken, ins Gespräch kommen wir leider nicht. Wir bauen das Zelt ab, heute wollen wir nämlich im Timna Park übernachten. Gestern Abend fielen ein paar Regentropfen und es wurde vorübergehend etwas frischer, aber schon im Laufe des Vormittags steigt die Temperatur wieder, 31 Grad sind für heute, den 10. November 2019 gemeldet! Im Timna Park schauen wir uns zunächst die „Arches“ an, einen großen und einen kleinen Sandsteinbogen, Wunderwerke der Erosion. Gestern am Sabbat war hier die Hölle los, heute sind wir fast die einzigen Besucher, die die beeindruckenden Arches erklimmen. In der Nähe des Servicebereichs lassen wir dann an den „Solomon Pillars“, markanten Felssäulen, deren Entstehung ebenfalls auf Erosion zurückzuführen ist, das Auto stehen und brechen zu einer ca. vierstündigen Wanderung durch die atemberaubende Wüstenlandschaft des Timna Parks bzw. der Negev-Wüste auf. Es ist ein Rundweg, sehr abwechslungsreich, einfach nur wunderbar. Der Timna ist nicht nur bekannt für seine außergewöhnlichen Felsformationen, sondern auch für seine bunten Farben, davon bekommen wir heute einen sehr guten Eindruck. Wir folgen zunächst einem breiten Wadi, das sich schließlich zu einem ansteigenden Slot Canyon verengt, wo wir richtig klettern müssen, dann steigen wir ab in das nächste Wadi, das am Ende auch wieder sehr schmal wird, Kletterpartien haben wir hier aber nicht zu bewältigen. Niemand begegnet uns, nur die letzten drei Kilometer laufen wir im Strom anderer Besucher, am großen „Mushroom“ vorbei, einer weiteren natürlich geformten Felsskulptur, die einem überdimensionalen Pilz ähnelt. Abends auf dem Campingplatz treffen wir zufällig Volker wieder, er fliegt nach nur einer Woche Israel morgen schon wieder zurück nach Deutschland. Wir plaudern über das Land, das uns allen Dreien so gut gefällt. Volker war vor langer Zeit schon einmal hier und erzählt uns, dass sich sehr viel verändert habe. Bei seinem ersten Besuch z.B. seien die Straßen speziell in der Negev bei weitem nicht so gut ausgebaut gewesen. Einig sind wir uns darin, dass der Kulturschock ausbleibt, wenn man zum ersten Mal nach Israel kommt. Die israelische Mentalität mag anders sein als die deutsche, aber man fühlt sich hier sofort heimisch, weil Lebensstil und -art westlich geprägt sind.

 

 

Morgens auf dem Campingplatz des Hai Bar Yotvata Nature Reserve


 
Timna Park - die Sandsteinbögen sind ein Ergebnis der Erosion

 


 
Dito

 

 

Timna Park - Kletterpartie im Bereich der Sandsteinbögen


Dito


Dito

 

 
Rundwanderung durch die faszinierende Wüstenlandschaft des Timna Parks

 

 

Dito

 

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Dito
 
 
 
 
Timna Park: Die sogenannten "Säulen Salomons" in der Nähe des Campingplatzes
 
 

 

Auf dem Campingplatz des Timna Parks treffen wir Volker aus Norddeutschland wieder


Es war sehr warm in der Nacht, Gerold hat auf dem Tisch geschlafen. Morgens ist die Temperatur angenehm, im Laufe des Tages wird es dann wieder sehr heiß. Wir lassen uns im Besucherzentrum von einem Ranger beraten und starten dann unsere nächste Wanderung im Timna Park, einen Rundweg von knapp 3 Stunden, am Spiral Hill startend, in die Berge hinein und mit einigen Kletterpartien, dann durch ein breites Wadi zurück, auch wunderschön. Für das Mittagessen fahren wir zum Kibbuz Eilot in der Nähe von Eilat, ein Tipp von der netten Deutschen aus dem Hai Bar Yotvata Nature Reserve. Der Kibbuz wirkt wohlhabend und bietet auch hochpreisige Unterkünfte an, Wege und Anlagen sind sehr gepflegt, das Gemeindezentrum mit dem Speisesaal ist großzügig und gut ausgestattet, das Essen günstig. Am Nachmittag fahren wir am Roten Meer entlang Richtung ägyptische Grenze und stoppen am Naturschutzgebiet Coral Beach, wo man laut Reiseführer gut schnorcheln kann. Der Bereich ist abgezäunt und kostenpflichtig, das lohnt sich für heute nicht mehr. Auf dem Campingplatz im Timna Park sind wir am Abend alleine mit einer vielköpfigen deutschen Familie, die sich in einem der großen Mietzelte nach Beduinenart eingerichtet hat. Der Platz wirkt insgesamt etwas verlottert, der ganze Servicebereich am künstlichen Timna See scheint schon mal bessere Zeiten gesehen zu haben, aber die Lage mitten in der Wüste fernab vom Autoverkehr und dem Eilat-Trubel ist traumhaft und nicht zu überbieten. Wir zelten ganz am Rand, das ist fast wie ein Wildcamp, später steigt auch noch ein perfekter Vollmond auf und verbreitet helles Licht.

 

 

Früh am Morgen auf dem Campingplatz des Timna Parks - gleich gibt es Kaffee

 

 

Eine weitere Rundwanderung im Timna Park

 

 

Dito

 

Dito

 

Die Strandpromenade von Eilat

 

 

Vollmond über dem Campingplatz des Timna Parks

 


Gestern Abend kam noch heftiger Wind auf, der den Topf vom Kocher wehte und unser Zelt heftig zum Flattern brachte, am Morgen ist alles wieder ruhig. Wir bauen das Zelt ab, denn am Abend sind wir im Kibbuz Ketura zu Gast. Als erstes steht heute wieder eine Wanderung auf unserem Programm, und zwar der Shehoret Canyon, der außerhalb des Timna Parks auf dem Weg nach Eilat liegt und nur über eine holprige Piste zu erreichen ist. Kurz vor dem Eingang zum Canyon ist eine Fläche als Übernachtungscamp ausgewiesen, ohne irgendwelche sanitäre Einrichtungen, das scheint wohl in Israel nicht unüblich zu sein. Der Canyon selber, der wegen seines rot-schwarzen Gesteins auch Black Canyon genannt wird, ist sensationell, meterhohe dunkle Felswände begrenzen zu beiden Seiten das enge, trockene Flussbett, ein paar harmlose Klettereinlagen haben wir zu bewältigen, dann steigen wir aus der Schlucht heraus und laufen eine Weile über die Höhen, mit spektakulären Blicken auf die Arava-Senke und die Berge in Jordanien, das Gestein präsentiert sich vielfarbig in Weiß-, Gelb-, Rottönen, unglaublich schön und keine Menschenseele begegnet uns. Dann steigen wir wieder ab und erreichen bald das Shehoret Übenachtungslager, wo unser Auto steht, gut zwei Stunden waren wir unterwegs. Mittlerweile ist es sehr heiß geworden, allerdings lässt sich die trockene Hitze bis zu einer bestimmten Temperatur ganz gut aushalten. Am Abend erfahren wir von unseren Gastgebern, dass die breiten Wadis vor zwei Wochen nach starken Regenfällen kurzzeitig viel Wasser führten, wir können das gar nicht glauben, aber wir bekommen Fotos davon gezeigt.

Am späten Nachmittag fahren wir auf der 90 Richtung Norden zum Kibbuz Ketura, der ca. 50 km von Eilat entfernt liegt. Der Kibbuz ist umzäunt, das Eingangstor ganztägig geschlossen, wir müssen unsere Gastgeber anrufen, die uns ferngesteuert öffnen. F. und I. empfangen uns mit einer unkomplizierten, herzlichen Gastfreundschaft und sind uns auf Anhieb sympathisch. Sie stammen ursprünglich aus Kolumbien, haben zwei erwachsene Söhne und leben schon seit geraumer Zeit in Ketura, allerdings mit längeren Unterbrechungen, so haben sie einige Zeit in Chile verbracht und F. ist erst vor kurzem von einem anderthalbjährigen beruflichen Aufenthalt im Kongo zurückgekehrt. Darüber hinaus gehen die beiden auch viel auf Reisen. Ketura aber ist ihr Anker, man merkt, wie wichtig das Kibbuz-Leben für sie ist und dass sie stolz sind, Teil dieser Gemeinschaft zu sein, die im Gegensatz zu dem Kibbuz, den wir auf den Golanhöhen kennengelernt haben, noch eher nach der sozialistisch inspirierten Grundidee der Kibbuzim ausgerichtet ist. Gemeinschaft steht hier vor Privatheit, jeder wirft seinen Lohn in einen gemeinsamen Topf und behält lediglich einen kleinen Teil für sich. Nur wer auswärts arbeitet, besitzt ein eigenes Auto, die anderen benutzen eines der Kibbuz-Autos, für die man sich rechtzeitig in eine Liste eintragen muss. Jeder kennt hier jeden und kann den Kibbuz verlassen, wann immer er möchte, Konflikte seien aber eher selten, so F., nur ein einziges Mal habe es Probleme mit einem Bewohner gegeben. So viel Harmonie finde ich bewundernswert, immerhin leben hier fast 500 Personen auf relativ kleinem Raum zusammen, was normalerweise jede Menge Konfliktpotential böte. Für mich wäre ein Kibbuz definitiv keine Option, aber es ist interessant, diese Art des Miteinanders kennenzulernen. Man ist hier nie allein, die Gemeinschaft kümmert sich um jeden, der aus welchen Gründen auch immer Hilfe braucht, alles, was den Kibbuz betrifft, wird gemeinsam entschieden. Zum Abendessen gehen wir mit F. und I. in den großzügigen Gemeinschaftsraum, wo sich wohl ein großer Teil des Kibbuzlebens abspielt. Unsere Gastgeber nehmen alle Mahlzeiten hier ein, die in einer Großküche zubereitet werden. Es gibt eine Art Buffet, wo sich jeder sein Essen zusammenstellen kann, ziemlich praktisch, so bleibt die eigene Küche sauber und man hat auch noch Geselligkeit. Wir unterhalten uns über dies und das, F. und I. interessieren sich besonders für unseren Besuch in Ramallah und wie der Grenzübertritt ins Westjordanland verlief, das ist eine Welt, die ihnen als Israelis verschlossen bleibt.

 

 

Unterwegs im  Shehoret Canyon

 

Dito

 

 

Dito

 

Faszinierender Blick in die Arava-Ebene auf dem Rückweg zum Shehoret Übernachtungscamp - die Berge im Hintergrund gehören schon zu Jordanien

 

 

Kurz vor dem Shehoret Übernachtungslager



Mit I. und F. im Speisesaal des Kibbuz Ketura

  

 
F. und I. verabschieden sich am nächsten Morgen sehr früh, sie arbeiten beide im und für den Kibbuz, I. als Kindergärtnerin, F. im Management. F. holt uns später zum Frühstück im Gemeinschaftsraum ab und nimmt sich danach viel Zeit, uns den Kibbuz vorzustellen. Ketura wurde in den siebziger Jahren als rein landwirtschaftliche Kommune gegründet, mitten in der kargen Wüste, es muss eine Knochenarbeit gewesen sein, das Land urbar zu machen. Bis auf eine große Dattelplantage hat man mittlerweile die Land- und Viehwirtschaft wie in so vielen Kibbuzim aufgegeben, das lohnte sich nicht mehr, so F., auch Gemüseanbau wird nur noch in geringem Umfang betrieben. Der Kibbuz finanziert sich jetzt durch andere, mehr Gewinn bringende Projekte. Besonders viel Geld wirft die Zucht von Blutregenalgen ab, die die wichtigste natürliche Quelle für die Gewinnung von Astaxanthin darstellen, einem natürlichen roten Farbstoff, den die Alge unter bestimmten Bedingungen produziert. Astaxanthin gehört chemisch zu den Carotinoiden und wird z.B. als Zusatzstoff zur Färbung von Lebensmitteln verwendet, bildet aber auch die Basis für hochpreisige Kosmetika, Anti-Aging-Produkte, Nahrungsergänzungsmittel etc., wird mittlerweile sogar als Superfood gehandelt und ist deshalb ziemlich gefragt, so erklärt uns F. Der Kibbuz verfügt außerdem über das älteste Solarzellenfeld Israels und betreibt ein modernes Guest House, alles ziemlich professionell gemanagt, eigentlich ist Ketura ein florierendes Unternehmen. Auf dem Kibbuz-Gelände befindet sich zudem das international bekannte „Arava Institute for Environmental Studies“, das mit der Ben Gurion University zusammenarbeitet, eine Studien- und Forschungseinrichtung, die sich unter dem Motto „Natur kennt keine Grenzen“ mit Themen wie nachhaltige Landwirtschaft, grenzüberschreitendes Wassermanagement, biologische Vielfalt der Wüste etc. beschäftigt und Studenten aus aller Welt für Umweltstudien anzieht, Europäer, Amerikaner, aber auch Palästinenser, Jordanier, Ägypter usw., betont F. Auf dem Gelände gibt es auch noch einen Pub, einen kleinen Lebensmittelladen, ein Schwimmbad, saisonal leider schon geschlossen, einen Tennisplatz, einen Kindergarten, eine Synagoge, aber keine Schule, die müssen die Kinder außerhalb besuchen. Ketura ist kein religiöser Kibbuz, aber bekannt für seine religiöse Toleranz und pluralistische Einstellung zum Judentum und erhielt dafür auch schon Auszeichnungen. Konservative Juden sind hier ebenso willkommen wie säkulare. Wir wussten vorher nicht, was für ein außergewöhnlicher Kibbuz Ketura ist, das hat uns F. erst durch den äußerst interessanten Rundgang klargemacht. F. verabschiedet sich zum Arbeiten, wir fahren nach Eilat und lassen das wüstenverstaubte Auto putzen, das wir morgen abgeben müssen. Vom Asphalt können wir uns jetzt nicht mehr entfernen, sonst wäre der Wagen sofort wieder schmutzig, also keine Wanderung heute. So verbringen wir einen ziemlich entspannten Nachmittag, spazieren noch einmal an Eilats Strandpromenade entlang, genießen Sommerwetter im November, essen Shakshuka und trinken Kaffee, schauen uns den Botanischen Garten am Ortsrand an. Dann machen wir uns auf den Rückweg nach Ketura, vorbei am Hai Bar Yotvata Nature Reserve, wo die Zelte auf dem Campingplatz heute dicht an dicht stehen, wahrscheinlich ist eine Schulklasse angereist. Zum Abendessen gehen wir mit F. und I. wieder in das Gemeindezentrum, danach werden unsere Gastgeber geheimnisvoll, packen Kochgerät und Lebensmittel ein, holen ein Kibbuz-Auto und dann geht es los, auf der 90 Richtung Norden, dann auf die 40 Richtung Westen und schließlich die 12 Richtung Süden. Da biegt F. irgendwann auf eine holprige Piste ab, wir halten an einer riesigen Sanddüne. Während F. Feuer macht für einen Abendsnack unter freiem Wüstenhimmel, erklimmen wir mit I. die Sanddünen, die einzigen weit und breit, so I. Der Sand ist fein wie Pulver, schade, dass wir das nicht bei Tageslicht gesehen haben. Allerdings sieht die Landschaft im hellen Mondlicht, wir haben immer noch Vollmond, auch sehr schön und vielleicht sogar noch interessanter aus. Als wir von unserer kleinen Expedition zurückkehren, hat F. schon das Feuer entfacht und auf einem umgedrehten Wok aufgeschnittene Pita-Brote vorbereitet. I. beträufelt sie mit Olivenöl und bestreut sie mit Za'atar, dann werden sie geröstet und zum Essen in Labneh gedippt – so ähnlich kennen wir das auch von den Golanhöhen, aber im Vollmondlicht und mitten in der Wüste schmeckt es dreimal so köstlich! Es sei eine typische Beduinenmahlzeit, erzählen unsere Gastgeber, und servieren uns danach auch noch einen Beduinentee mit speziellen Kräutern. Was für ein Erlebnis! Wir danken F. und I. sehr herzlich für diesen besonderen Abend und sind gegen Mitternacht wieder zurück in Ketura.

 

 

F. zeigt uns den Kibbuz Ketura

 

Dito

 

Lecker und üppig - Shakshuka in Eilat

 

Am Abend überraschen uns I. und F. mit einem Ausflug in die Wüste
 

 

Dito


I. in Aktion - hier wird mitten in der Wüste eine typische Beduinenmahlzeit zubereitet

 

Lecker - Abendessen in der Wüste

 

Unsere Gastgeber verlassen wie gestern früh das Haus, wir treffen uns später zum Frühstück mit F. im Gemeindehaus. Er erzählt uns, dass vom Gazastreifen her seit zwei Tagen Raketen auf Israel abgefeuert werden, fast 200 bisher insgesamt, die meisten wurden durch das israelische Luftverteidigungssystem abgefangen, Schulen und Büros im Süden vorsorglich geschlossen, selbst in Tel Aviv heulten mehrfach die Sirenen. Angesichts dieser neuerlichen Eskalation, Folge der gezielten Tötung eines Anführers der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad durch die Israelis, hatte es im Nachhinein vielleicht doch sein Gutes, dass es mit unserem Kibbuz-Besuch in der Nähe des Gaza nicht geklappt hat. Dauerhafte friedliche Zeiten für Israel würden F. und I. sehr begrüßen, wissen aber auch nicht so recht, wie das zu erreichen wäre.

Nach dem Frühstück fährt F. mit uns noch zur Dattelpalmenplantage außerhalb des Kibbuz. Hier werden Medjool-Datteln angebaut, die Königin der Datteln. F. hat uns gestern eine Packung davon geschenkt, sie sind aromatisch und saftig und schmecken wirklich köstlich. F. erklärt uns, was man beim Anbau beachten muss. Ab einer Höhe von ca. 25 m werden die Palmen gefällt, weil sie sonst umfallen und andere beschädigen könnten. Jeder Baum braucht pro Tag einen Kubikmeter Wasser! Das ist ganz schön viel angesichts der Wasserknappheit in der Negev. Die Datteln reifen am Baum und fallen dann einfach runter. Damit sie dabei nicht beschädigt werden, bringt man vor der Reife Säcke an, in die die reifen Datteln purzeln. Die meiste Arbeit auf der Plantage wird von Thailändern verrichtet, die einmalig eine Aufenthaltsgenehmigung für vier Jahre bekommen können. Es gibt auch eine Versuchsplantage, wo mit neuen Pflanzen und Bäumen experimentiert wird, ganz schön rührig ist der Kibbuz Ketura.

Nach diesem interessanten und informativen Start in den Tag verabschieden wir uns noch von I., die im Kindergarten mit den Kleinsten des Kibbuz beschäftigt ist, und fahren nach Eilat, wo wir um 12 Uhr unseren Wagen abgeben. Gegen 14 Uhr können wir in Eilat schon bei unserem Airbnb-Gastgeber einchecken, in einem kleinen, blitzsauberen Apartment in den Hängen oberhalb des Roten Meers, die beste Unterkunft unserer Reise, zweckmäßig eingerichtet, sehr hell, mit einem kleinen Hof, in dem man abends angenehm und ruhig sitzen kann, wunderbar. Unser Gastgeber ist supernett, er reist heute nach Tel Aviv und hätte uns sonst am Samstag auch zur jordanischen Grenze gebracht. Er versorgt uns noch mit Restaurant-Tipps und Schnorchel-Ausrüstung, dann sind wir schon alleine. Einkaufsmöglichkeiten befinden sich direkt um die Ecke, ein kleiner Supermarkt, eine Bäckerei, diese Unterkunft ist wirklich empfehlenswert. Wir pausieren nur kurz und laufen dann zu Fuß zum Roten Meer, spazieren eine Weile am Ufer entlang. Die jordanische Grenze ist nur einen Katzensprung entfernt. Gegenüber von Eilat kann man Aqaba erkennen, das jordanische Pendant von Eilat und namensgebend für den Golf von Aqaba, die langgestreckte Bucht, in der das Rote Meer an seinem Nordende ausläuft, dorthin werden wir am Samstag reisen. Es ist ohne Zweifel schön hier am Roten Meer, auch wenn Eilat als Stadt nicht viel zu bieten hat. Tatsächlich geraten wir bei der Suche nach einem Restaurant für das Abendessen in einen schöneren Stadtteil, mit kleinen Shops, Cafés, Imbissen. Zurück fahren wir mit dem Bus und verbringen einen angenehmen, lauen Abend in unserer Unterkunft.

 

 

Die Dattelpalmenplantage des Kibbuz Ketura

 

 

Abschiedsfoto mit F.
 



Auf dem Weg von unserer Unterkunft in Eilat zum Roten Meer - die Stadt im Hintergrund ist Aqaba in Jordanien




Besondere Pläne haben wir für unseren letzten Tag in Israel nicht. Ohne Auto sind wir nicht mehr so mobil, eine Wanderung können wir uns nicht vornehmen. Wieder gehen wir zu Fuß zum Meer hinunter, das sind ca. 1,5 km, und nehmen dann einen Bus zur ägyptischen Grenze. Am Grenzübergang Taba steigt gerade eine asiatische Reisegruppe aus dem Bus. Viele Touristen nutzen ihren Aufenthalt in Süd-Israel für einen Ausflug nach Ägypten, aber das hätten wir langfristig vorbereiten müssen. Wir spazieren von der Grenze zurück nach Eilat, der Strand ist in diesem Bereich nicht sehr schön, steinig und teilweise auch schmutzig. Gerold schnorchelt eine Weile, ich genieße noch einmal die Sonne, nächste Woche werden wir in den deutschen Winter zurückkehren. Zurück in Eilat spazieren wir heute bis nahe an die jordanische Grenze. Auch wenn uns die Shops und hochpreisigen Restaurants nicht interessieren – die Strandpromenade ist hier wirklich sehr hübsch und lädt geradezu zum Flanieren ein. Zum Ende der Promenade hin gibt es riesige Hotelanlagen, die uns von der Art her an Las Vegas erinnern, dahinter breitet sich ein großer, desolater Campingplatz aus, wo offenbar hauptsächlich Dauercamper wohnen oder besser hausen, merkwürdiger Gegensatz zu den protzigen Hotelbauten. An der Promenade gibt es auch einen öffentlichen Strandbereich, wir gehen beide schwimmen im überraschend kühlen Wasser. Am späten Nachmittag laufen wir zu Fuß zurück zu unserer Unterkunft, Busse fahren jetzt nicht mehr, unser letzter Sabbat hat begonnen. Für den Rest des Tages genießen wir unser wunderbares Apartment und bereiten unsere Abreise nach Jordanien vor.

Und die Bilanz unseres Israel-Aufenthalts? Liebe auf den ersten Blick und nur Superlative - eine der besten, eindrucksvollsten, interessantesten, spannendsten, lehrreichsten Reisen, die wir je gemacht haben, nicht zuletzt auch wegen der Begegnungen und den Gesprächen mit unseren israelischen Freunden auf den Golanhöhen, in Arad und im Kibbuz Ketura.

 

Eilat - hier endet Israel nahe der jordanischen und ägyptischen Grenze in der südlichen Spitze des V-förmigen Dreiecks, das die Negev-Wüste bildet
 
 
 
 
Das Rote Meer nahe der ägyptischen Grenze

 

 

Die pompösen Hotelanlagen am Roten Meer in Eilat erinnern an Las Vegas
 

 

Dito
 

 

Nur ein paar Schritte bis nach Jordanien - der offizielle Grenzübergang befindet sich ein paar Kilometer weiter nördlich
 


Am Stadtrand von Eilat befindet sich ein desolater Campingplatz nahe der Grenze zu Jordanien - hier hausen wohl hauptsächlich Dauercamper

 

Der letzte Abend in Israel im schönen Innenhof unserer Unterkunft in Eilat
 




Aqaba und Petra (Jordanien): Samstag, 16.11.2019 bis Dienstag, 19.11.2019 


Gegen 10 Uhr sind wir abreisefertig und rufen über unsere „Gett“-App ein Taxi, trotz Sabbat fahren aber zu unserem Erstaunen auch vereinzelt Busse. Ansonsten ist es sehr ruhig heute, Sabbat eben. Der Taxifahrer setzt uns direkt am ca. 5 km entfernten Grenzübergang Yitzhak Rabin-Wadi Araba ab. Wir hatten noch in Deutschland versucht, ein Visum für Jordanien zu bekommen, was aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr möglich war, und sind etwas nervös, wie alles klappen wird, aber es läuft reibungslos, sowohl die Ausreise aus Israel, bei der wir noch eine Gebühr entrichten müssen, als auch die Einreise nach Jordanien, keine langen Wartezeiten, keine Probleme, wie wir allenthalben gehört hatten. Die jordanischen Beamten sind überaus freundlich, zu unserer Überraschung müssen wir nichts für unser Visum bezahlen, brauchen auch keine Passfotos, bekommen nur einen Stempel, was wohl damit zu tun hat, dass wir drei Tage in Jordanien bleiben, eine „Belohnung“ offenbar für einen längeren Aufenthalt, die dieses schöne, interessante Land aber auch verdient hat. Die Mehrzahl der Touristen kommt nur für einen Tagesausflug nach Jordanien, oft organisiert von Israel aus und einzig um Petra zu besuchen, und lässt nicht viel Geld im Land.

Heute Nacht bleiben wir in Aqaba, das zu den größeren Städten in Jordanien zählt. Der Grenzübergang liegt ein gutes Stück außerhalb der Stadt. Wir müssen ein Taxi nehmen, um ins Zentrum zu gelangen, die Taxipreise sind angeschlagen, man ist offenbar um Transparenz und ein gutes Image bemüht, und jordanische Dinar hatten wir schon in Ramallah getauscht, so geht alles sehr schnell. Um 11 Uhr stehen wir bereits vor dem Yafko Hotel, das wir im Vorfeld gebucht hatten, und können zu unserer Überraschung schon einchecken, das ist natürlich perfekt. Wir bekommen ein blitzsauberes, großzügiges Zimmer mit tollem Blick auf das Rote Meer, Aqaba und nach Eilat hinüber, wunderbar. Beim Spaziergang durch die Stadt bleibt der Kulturschock aus, auf den uns F. und I. vorbereitet hatten, Aqaba wirkt aufgeschlossen und modern. Die meisten Frauen tragen zwar ein Kopftuch, aber Vollverschleierung sehen wir kaum und man ist offenbar auch tolerant genug oder muss es gezwungenermaßen sein, die teilweise etwas freizügig gekleideten Touristinnen auszuhalten. Beim Spaziergang durch das relativ kleine Zentrum entdecken wir eine bunte Mischung aus modernen Geschäften, schicken Restaurants und Cafés und kleinen, bis zum Überquellen vollgestopften Läden im Tante-Emma-Stil, wie wir sie in Ramallah gesehen haben, oft mit viel Ramsch. Zu unserer Überraschung gibt es auch etliche Spirituosengeschäfte, damit hatten wir in einem muslimischen Land nicht gerechnet, aber Aqaba ist wohl nicht unbedingt repräsentativ für das ganze Land, wie wir später erfahren. Wir kehren in einem kleinen, modernen Restaurant ein, dem „Baba Za'atar“, das auf Manakish spezialisiert ist. Manakish, das sind Fladenbrote, mit Olivenöl beträufelt und Za'atar bestreut, nicht unähnlich den Broten, die F. und I. für uns in der Wüste zubereitet haben. Sie gehören in der gesamten Levante zu den traditionellen Gerichten und werden vor allem zum Frühstück gegessen, aber auch gerne zu anderen Tageszeiten serviert. Die einfachste Zubereitung ist die mit Olivenöl und Za'atar, der typischen levantinischen Gewürzmischung, als deren Hauptzutat Syrischer Ysop Verwendung findet, eine wilde Thymianart mit sehr intensivem Aroma. Zum Grundrezept gehören auch noch Sumach, Salz und vor allem geröstete Sesamsaat, je nach Land und Tradition können noch weitere Gewürze zugesetzt werden. Der Geschmack von Za'atar ist unverwechselbar, es ist ein wahrer Zaubermix, ein Allrounder, der nicht nur orientalischen Gerichten eine besondere Note verleiht. Das „Baba Za'atar“ bietet Manakish in vielen verschiedenen Varianten an, Gerold nimmt eine mit Hühnchen, ich die einfache mit Olivenöl und Za'atar, beide schmecken sehr gut. Anschließend versuchen wir die Weiterfahrt nach Petra zu organisieren, denn deswegen sind wir ja nach Jordanien gekommen. Wir haben herausgefunden, dass Busse zwischen Aqaba und Wadi Musa/Petra verkehren, aber sowohl der Taxifahrer als auch die Angestellten in unserem Hotel behaupteten, dass diese Busse nicht mehr führen, wahrscheinlich, weil sie uns selber Touren verkaufen wollen. Und siehe da – im Büro der Busgesellschaft stellt sich heraus, dass die Busse sehr wohl noch nach Wadi Musa fahren, morgens um 8 Uhr hin und am Nachmittag wieder zurück, Tickets können wir aber erst morgen bekommen, das finden wir natürlich nicht so toll, lieber hätten wir die Fahrscheine heute schon in der Tasche gehabt.

Als es dämmert, gehen wir zum Strand am Roten Meer. Die Einheimischen sitzen in kleinen Gruppen zusammen, plaudern, rauchen Wasserpfeife, Kinder plantschen, Frauen gehen in voller Bekleidung (!) ins Wasser. Es herrscht eine ausgesprochen schöne und friedliche Atmosphäre. Wir bleiben, bis die Sonne blutrot untergegangen ist, und essen danach in einem Imbiss in der Nähe unseres Hotels eher mäßig zu Abend. Dann packen wir um für die Weiterreise, denn das meiste Gepäck werden wir in Aqaba lassen.


Phantastischer Blick aus unserem Hotelzimmer in Aqaba - im Hintergrund sieht man Eilat/Israel


Im Restaurant "Baba Za'atar" in Aqaba


Manakish - lecker belegtes Fladenbrot im "Baba Za'atar", hier mit Hühnchen und Käse



Das hatten wir im muslimischen Jordanien nicht erwartet - Spirituosenladen in Aqaba


Dito - wer trinkt all das?? Die Touristen aus dem westlichen Ausland sicher nicht!


Gewürzeeinkauf in Aqaba


Sonnenuntergang über dem Roten Meer in Aqaba - wunderschön!


Dito


Typischer Imbiss in Aqaba



Am nächsten Morgen finden wir uns schon vor halb 8 Uhr am Büro der Jett-Busse ein, es gibt kein Problem mit den Tickets für heute und die Rückreise morgen, Gott sei dank! Sowohl der Taxifahrer als auch die nette Rezeptionistin in unserem Hotel haben uns also tatsächlich angeschwindelt. Der Omnibus fährt pünktlich um 8 Uhr ab. Unser Busfahrer sieht mit seiner roten Kufiya, bei uns als „Palästinensertuch“ bekannt, weil es das Markenzeichen von Jassir Arafat war, der das Tuch in der Öffentlichkeit trug und dadurch weltweit bekannt und zu einem politischen Symbol machte, verwegen aus und dem entspricht auch sein Fahrstil, er fährt einen ziemlich heißen Reifen, überholt waghalsig, bremst abrupt ab, beschleunigt dann wieder, dass der Motor aufheult, wir werden ganz schön durchgeschüttelt. Bald schraubt sich die Straße vom Roten Meer hinauf in die Berge von Edom, durch eine extrem lebensfeindliche Wüstenlandschaft, in der fast nichts wächst, an einigen windzerzausten Orten vorbei. Ca. 10 km vor Wadi Musa stoppt der Bus an einem Aussichtspunkt mit Souvenirshop und Café, von dem aus man die Schlucht, in der sich die Ruinenstadt Petra versteckt, nicht wirklich sehen, aber erahnen kann, der Blick von der Aussichtsterrasse ist grandios, noch besser soll er vom Dach des Shops sein, aber dahin gehen wir nicht, denn als wir aussteigen, weht mich der starke Wind fast um, es ist richtig kalt, wir befinden uns hier auf ca. 1500 m Höhe, und sieht nach Regen aus, am Ende bleibt es aber für den Rest des Tages trocken. Gerold hat heute Morgen eine jordanische Zeitung gekauft, in der steht, dass es in den letzten beiden Tagen regional in Jordanien starke Regenfälle gab, mit vollgelaufenen Häusern und weggespülten Autos – Vorzeichen des nahenden Winters, warmes, trockenes Wetter ist nur noch für das Rote Meer bzw. Aqaba vorhergesagt. Hinter dem Aussichtspunkt geht es allmählich abwärts nach Wadi Musa, wo wir nach ca. 2 ½ Stunden sicher ankommen. Der Bus hält am Besucherzentrum von Petra, das Städtchen Wadi Musa erstreckt sich direkt oberhalb davon auf einer Höhe zwischen ca. 1000 und 1400 m Höhe in die Hänge der Edom-Berge, mit atemberaubend steilen Straßen. Es ist ein hübscher, wohlhabend wirkender Ort mit ca. 7000 Einwohnern, der wohl sehr vom Petra-Tourismus profitiert und abhängt. Es gibt hier viele hochpreisige Hotels in der Nähe des Besucherzentrums, wir haben uns für ein günstigeres Guest House in der Oberstadt entschieden. Um keine Zeit zu verlieren, beschließen wir, unser Gepäck mitzunehmen, wir haben ja nur einen kleinen Tagesrucksack dabei, und erst am Abend einzuchecken. Im Besucherzentrum lösen wir ein Ticket für zwei Tage und ziehen dann sofort los. Der Weg in den weiten Talkessel, in dem die Ruinenstätte Petra liegt, verläuft zunächst durch weitgehend offenes Gelände, den sogenannten Bab as-Siq, übersetzt das „Tor zum Siq“. Entlang dieses ca. 900 m langen Wegs, auf dem eine Spur für Pferdekutschen und Pferde abgetrennt ist, kann man schon Felsgrabstätten aus der Zeit der Nabatäer sehen, z.B. das Obeliskengrab und drei monumentale Blockgräber, auch Djinn-Blöcke genannt, weil die Araber vermuteten, dass hier Geister (djinn = Geister) wohnten. Dann verengt sich der Weg zum gut 1 km langen, sanft abwärts führenden sogenannten Siq, einem spektakulären Canyon, der sich immer mehr verengt und dessen senkrechte Seitenwände immer steiler und höher werden, schon alleine das ist ein Erlebnis, das man allerdings mit vielen, sehr vielen anderen Besuchern teilen muss, insbesondere Reisegruppen. Aber wen wundert das, Petra ist schon lange UNESCO-Weltkulturerbe, gehört seit 2007 zu einem der „Neuen Sieben Weltwunder“ und ist zweifellos eine der eindrucksvollsten archäologischen Stätten der Welt. Die meisten Besucher sind zu Fuß unterwegs, aber da muss man schon viel Zeit einplanen, die Wege in Petra sind weit, alleine vom Besucherzentrum bis zum Ende des Siq ca. 2 km. Viele steigen deshalb für diese Strecke in Pferdekutschen, die an den engsten Stellen des Siq, wo er nur ca. 3 m breit ist, gefährlich nah und flott an einem vorbei galoppieren, da hilft oft nur ein schneller Sprung zur Seite. Auch im Siq, dem trockenen Bachbett des Wadi Musa, wandelt man auf den Spuren der Nabatäer. Auf beiden Seiten sind Reste einst kilometerlanger Wasserleitungen zu sehen, Teile eines ausgeklügelten, elaborierten Bewässerungs- und Dammsystems, um Wasser zu stauen, umzuleiten und zu sammeln, erdacht und umgesetzt etwa im 1. Jahrhundert vor Christus, unglaublich!

Am tiefsten Punkt des Siq ist die Schlucht wie ein Spalt, ganz schmal, dunkel und tief. Hier mündet der Siq in den Talkessel, in dem die Felsenstadt Petra liegt, und unvermittelt öffnet sich der Blick auf das sogenannte Schatzhaus, das aber gar kein Haus ist, sondern nur eine Fassade, eine der berühmtesten der Welt. Knapp 40 m hoch und 25 m breit, wurde sie direkt aus dem roten Sandstein gehauen, der, vor allem wenn man aus dem dunklen Siq heraustritt, geradezu leuchtet. Trotz des hohen Besucherandrangs ist es ohne Übertreibung ein magischer Moment, ein unbeschreibliches Erlebnis, plötzlich vor diesem monumentalen Grabmal zu stehen, das wahrscheinlich im 1. Jahrhundert vor Christus für einen Nabatäerkönig errichtet wurde. Auch die Nabatäer wussten wohl um diese Wirkung, wenn man sich ihrer Stadt bzw. dem Schatzhaus von Osten her durch den schmalen Siq näherte, das normalerweise trockene Flussbett des Wadi Musa. Wie alle Wadis kann aber auch der Siq nach starken Regenfällen aufgrund plötzlich auftretender Sturzfluten überschwemmt werden und konnte dadurch auch das Schatzhaus und das gesamte Stadtgebiet des antiken Petra gefährden. (Im November 2018 gab es im Siq eine verheerende Sturzflut, vor der mehr als 3700 Touristen in Sicherheit gebracht werden mussten, in Teilen von Petra stand das Wasser damals bis zu vier Meter hoch!!) Die Nabatäer, Meister des Wassermanagements, wie man heute sagen würde, ließen sich etwas einfallen: Sie errichteten einen hohen Damm, der den Eingang zum Siq abriegelte, und schlugen einen langen Tunnel in eine Schlucht rechts vom Siq, der die Sturzfluten umleitete – was für eine Leistung, unglaublich! Der Zugang zum Siq für Fußgänger wurde durch eine Bogenbrücke gesichert, deren Reste man heute noch sehen kann.

Wir stehen lange staunend vor dem Schatzhaus, das prachtvoll verziert ist mit Friesen und Reliefs, floralen und figurativen Elementen; korinthische Säulen verweisen auf die hellenistische Architektur des Mittelmeerraums – die Nabatäer wussten, wie sie ihre Besucher beeindrucken konnten. Zu beiden Seiten der Fassade kann man noch senkrecht angeordnete Reihen von Kerben erkennen, die wohl während des Baus zum Klettern dienten. Im Arabischen heißt das Schatzhaus „Al-Khazneh“, Schatzhaus des Pharao. Der Name stammt von Beduinen, die glaubten, dass sich in der Urne auf der Spitze des Rundtempels in der Mitte der Fassade der Schatz eines Pharaos befinden würde. Einschusslöcher erinnern daran, dass die Beduinen versuchten, mit Flintenschüssen die Urne zu zerstören und so an die vermeintlichen Schätze zu gelangen, aber die Urne besteht schlicht und einfach nur aus massivem Fels. Im Innern des Schatzhauses befindet sich leere Kammern, die man nicht betreten darf.

Vor dem Grabmal staut sich der Besucherverkehr, denn alle wollen natürlich Fotos von und mit dem prachtvollen Mausoleum, Tourguides und Beduinen mit Kamelen warten auf Kundschaft. Von hier aus kann man nämlich nicht mehr mit Pferdekutschen weiter, Fußfaule müssen jetzt auf Kamele umsteigen, Esel sind auch noch im Angebot, aber die sind wohl eher für Steigungen im Bereich der Ausgrabungsstätte gedacht. Den Transportservice für Besucher, inklusive der Pferdekutschen, bieten fast ausschließlich Beduinen an, verwegen aussehende junge Männer mit blitzenden Augen. Halbnomadische Beduinen waren es auch, die zunächst von Zeit zu Zeit Unterschlupf in den Ruinen suchten und sich später dauerhaft hier niederließen, die verlassenen Grabtempel von Petra als Wohnungen und Stallungen nutzend, seitdem die antike Stadt nach dem 12. Jahrhundert in Vergessenheit geraten war. Dabei hatte die Hauptstadt der Nabatäer in ihrer Blütezeit am Ende des 1. Jahrhunderts vor Christus schätzungsweise 20.000 bis 30.000 Einwohner. Über die Herkunft des nordarabischen Volkes gibt es sehr unterschiedliche Theorien, jedenfalls lebten sie im Bereich von Petra wohl zunächst nur saisonal in Zeltlagern und begannen sich dann im 2. Jahrhundert vor Christus im Schutz der Felsschluchten dauerhaft niederzulassen. Sie nutzten die strategisch günstige Lage Petras am Kreuzungspunkt mehrerer Karawanenwege, die zum Mittelmeer führten, reich wurden sie insbesondere als wichtiger Knotenpunkt für den Handel auf der Weihrauchstraße, eine der ältesten Handelsrouten der Welt, die wahrscheinlich schon seit dem 10. Jahrhundert vor Christus benutzt wurde und auf der vor allem Gewürze, Weihrauch und Myrrhe vom Oman aus über den Jemen, Petra und die Wüste Negev nach Gaza und Damaskus transportiert wurden. In der Blütezeit Petras zwischen dem Ende des 1. Jahrhunderts vor Christus und dem ersten Jahrhundert nach Christus entstanden die meisten der spektakulären Felsgrabstätten, deren Überreste man heute bewundern kann. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts nach Christus geriet Petra in Abhängigkeit von Rom, die Stadt florierte aber zunächst weiter. Für den allmählichen Niedergang Petras werden verschiedene Gründe verantwortlich gemacht: Der Handel verlagerte sich aufs Meer, die Stadt geriet deshalb ins Abseits und verlor an Bedeutung. Ein schweres Erdbeben richtete im 4. Jahrhundert nach Christus erhebliche Schäden an und dezimierte die Bevölkerung. Nach dem 12. Jahrhundert geriet die Stadt in Vergessenheit, außer bei den Beduinen, die ihr Geheimnis für sich behielten. Kein Europäer hatte seitdem Petra betreten, das nur noch als Mythos existierte, von dem einige wenige Gelehrte gerüchteweise zu erzählen wussten. Die Wiederentdeckung der antiken Stadt im Jahre 1812 ist der Beharrlichkeit des jungen Schweizers J. L. Burckhardt zu verdanken, der drei Jahre lang in Aleppo Arabisch gelernt hatte und fortan als Scheich verkleidet den Vorderen Orient durchstreifte. Dass er Petra fand, war kein Zufall, er suchte gezielt nach der Nabatäerstadt. Er kannte Gerüchte von einer geheimnisvollen, versunkenen Stadt aus Europa, auch Einheimische hatten ihm davon erzählt. Unter einem Vorwand ließ er sich von einem Beduinen nach Petra führen und traf, durch den Siq kommend, zuerst auf das prachtvolle Schatzhaus. Wir kannten Petra schon von Fotos und waren trotzdem überwältigt, was mag wohl Burckhardt beim Anblick dieses unvergleichlichen, aus dem Fels gemeißelten Monuments empfunden haben? Er notierte akribisch, was er sah, leider überlebte er seine sensationelle Entdeckung nur 5 Jahre und starb sehr jung in Kairo, vermutlich an der Ruhr. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde dann mit Ausgrabungen in Petra begonnen, die Touristen folgten auf dem Fuße, über 1 Million waren es im Jahr 2019, die aus dem arabischen Raum und Jordanien nicht eingerechnet. Im November 2019, dem Monat, als wir in Petra waren, kamen allein 150.000 Besucher.

Wir gehen vom Schatzhaus zu Fuß weiter durch den sogenannten äußeren Siq, einer tiefen Schlucht, die sich nach einem engen Durchgang zur „Straße der Fassaden“ weitet. Hier reihen sich große, aus dem Fels gemeißelte Grabfassaden in unterschiedlich gutem Erhaltungszustand unmittelbar nebeneinander, auch sehr beeindruckend. Auf die Straße der Fassaden folgt linkerhand das Theater, das vor mehr als 2000 Jahren von den Nabatäern als weltweit einziges Amphitheater vollständig aus dem Fels gehauen und später von den Römern verändert wurde. Es bot mehr als 8000 Zuschauern Platz, wurde im 4. Jahrhundert n. Chr. durch ein Erdbeben stark zerstört und erst zu Beginn der Sechziger Jahre wieder ausgegraben. Dann tritt man aus der Schlucht heraus und das Wadi öffnet sich und wird breiter. Ein gutes Stück oberhalb des Hauptweges rücken jetzt die sogenannten Königsgräber ins Blickfeld, ein phantastischer Anblick. Zu den vier imposanten Grabstätten, die unmittelbar nebeneinander liegen und die ebenfalls aus dem Fels gemeißelt wurden, führt eine steile Treppe. Ob es tatsächlich Königsgräber waren, kann man nicht mit Sicherheit sagen, die beeindruckenden Fassaden, die prächtigste davon die des Urnengrabs, lassen aber darauf schließen. Wir klettern zu den Gräbern hoch, das Urnengrab wurde im 5. Jahrhundert n. Chr. auch als byzantinische Kirche genutzt, es hat einen großen Innenraum, den man betreten kann, und als auffälligste Besonderheit einen Kolonnadenhof davor, wo sich die Besucher tummeln, denn von dort hat man einen phantastischen Blick auf die eigentliche antike Stadt. Bis auf die Säulenstraße und die Reste mehrerer Tempel ist allerdings vom einstigen Stadtzentrum nichts mehr erhalten. Während die aus dem Fels gehauenen Grabstätten die Jahrtausende überdauerten, blieb von den Wohnhäusern der Nabatäer nichts übrig. Wir steigen wieder ab und laufen über die Säulenstraße, deren charakteristische Kolonnaden aus der Römerzeit stammen, auf den Qasr al-Bint Far'un zu, ein von den Nabatäern erbautes, freistehendes Bauwerk, einst wohl der Haupttempel der Stadt. Anschauen können wir uns die stattlichen Überreste des Tempels nicht mehr, auch nicht den sogenannten Großen Tempel, die Zeit sitzt uns schon im Nacken, um 16 Uhr schließt nicht nur die Anlage, da werden wir in der Nähe des Besucherzentrums auch von unserem Hotel abgeholt, und wir haben noch einen langen Rückweg vor uns. Also eilen wir schnellen Schrittes zurück, nach einem beeindruckenden ersten Tag in Petra. Unser Hotel liegt in den steilen Hängen der Oberstadt, wir bekommen ein riesiges Zimmer mit drei Betten, offenbar ist das Guest House nicht ausgebucht, die Saison läuft hier allmählich aus, es geht auf den Winter zu. Das merken wir auch an den Temperaturen, es ist richtig kalt am Abend – und wir haben, nicht bedenkend, wie hoch Wadi Musa liegt, all unsere warmen Sachen in Aqaba gelassen. Von unserem Zimmer aus haben wir einen tollen Blick auf das nächtliche Wadi Musa, geradezu phänomenal ist die Aussicht vom Balkon des großzügigen Aufenthaltsraums aus. Aber leider ist es zu kalt und stürmisch, sich dort hinzusetzen. In der Nähe gibt es wenig Einkehrmöglichkeiten, wir nehmen deshalb am Buffet in unserem Hotel teil, ist nicht überragend, aber in Ordnung.



Petra - unterwegs im Siq, dem spektakulären Canyon, der zum Schatzhaus führt


Wasserleitungen der Nabatäer im Siq - aus dem 1. Jahrhundert vor Christus!!


Im Siq - die Wege in Petra sind lang, viele Besucher benutzen deshalb für die ca. 2 km lange Strecke vom Besucherzentrum zum Schatzhaus Pferdekutschen



Im faszinierend schönen Siq



Der große Moment - am Ende des Siq öffnet sich der Blick zum "Al-Khazneh", dem Schatzhaus


Dito


Dito - von diesem Blick konnten wir gar nicht genug bekommen



Das einzigartige, aus dem Fels gemeißelte Schatzhaus: Rechts und links der Fassade kann man noch gut Kerben erkennen, die wohl zum Klettern und als Halterungen für Gerüste dienten - die  Steinmetze der damaligen Zeit arbeiteten von oben nach unten



Viel los vor dem Schatzhaus - ab hier geht es für Fußfaule nur noch mit Kamelen oder Eseln weiter



Im äußeren Siq - der Transportservice mit Pferdekutschen, Kamelen und Eseln liegt ausschließlich in der Hand von Beduinen



Das Theater von Petra am Ende der Straße der Fassaden bot einst bis zu 8000 Zuschauern Platz und wurde von den Nabatäern direkt aus dem Fels gehauen. Die Römer erweiterten es nach der Annektierung im 1. Jahrhundert n. Chr.,  indem sie ältere nabatäische Gräber abschlugen, deren Reste man auf der glatten Felswand im Hintergrund man noch sehen kann.


Hinter dem engen äußeren Siq wird die Schlucht breiter und führt an der Straße der Fassaden vorbei in den breiten Talkessel, in dem die eigentliche Stadt Petra lag. Oberhalb des Talkessels liegen majestätisch die  Königsgräber, eine Reihe beeindruckender Grabanlagen, die wie das Schatzhaus aus dem Fels gemeißelt wurden


Die Königsgräber im Detail - hier das sogenannte Urnengrab (auf dem Übersichtsfoto ganz rechts).....



....... und hier das Palastgrab, das größte der Königsgräber, das einst eine fünfstöckige Fassade besaß (auf dem Übersichtsfoto ganz links)



Von den Königsgräbern hat man einen phantastischen Blick in den Talkessel, in dem Petra einst lag - hier geht der Blick Richtung Qasr al-Bint Far'un/Großer Tempel und zu den Bergen, in denen das Kloster (Ad Deir) liegt



Beim Weitergehen: Blick zurück auf die Königsgräber und den Weg, den wir gekommen sind


Hinter den Königsgräbern nähern wir uns Qasr al-Bint Far'un (links im Bild), ein von den Nabatäern erbautes, freistehendes Bauwerk, einst wohl der Haupttempel von Petra



Man betritt den heiligen Bezirk, in dem Qasr al-Bint Far'un und der Große Tempel liegen, durch das sogenannte Temenos-Tor




Nach einem aufregenden ersten Tag in Petra treten wir den Rückweg zum Besucherzentrum an und haben noch einmal phantastische Blicke auf die Königsgräber




Dito



Der Ort Wadi Musa von unserem Hotel aus gesehen


Dito





Das Frühstück ist inklusive und wird ab 6.30 Uhr serviert, um 7.30 Uhr gibt es den ersten Shuttle zum Besucherzentrum, den nehmen wir, lieber wären wir noch früher unterwegs gewesen, denn die Ausgrabungsstätte öffnet schon um 6 Uhr, aber es ist viel zu weit, um zu Fuß zu laufen. Die Chefin fährt uns persönlich, zusammen mit zwei wortkargen jungen Deutschen. Sie kommt aus Neuseeland, ist mit einem Jordanier verheiratet und lebt schon lange hier. Wir fragen sie, warum es in Aqaba so viele Spirituosenläden gebe. Das sei nicht typisch für Jordanien, meint sie, und würde es in der Form nur noch in Amman geben. Dann redet sie sich richtig in Rage und schimpft über die scheinheiligen Saudis, die gute Abnehmer für Hochprozentiges seien und nach Jordanien kämen, um hinter verschlossenen Türen ausgiebig dem Alkohol zuzusprechen. „They are boozing like hell“, meint sie abfällig. Da es eisig kalt und sehr windig war heute Morgen und wir wenig weitsichtig in sommerlicher Kleidung angereist sind, haben wir uns schon im Hotel mit Zeitungspapier versorgt, damit stopfen wir unsere dünnen Fleecejacken aus, Gerold hat sich gegen die Kälte zusätzlich eine Plastiktüte um den Kopf gewickelt. Da bin ich doch etwas eitler und kaufe mir in einem der vielen Souvenirläden am Besucherzentrum ein Palästinensertuch als Wind- und Kälteschutz für den Kopf. Trotzdem frieren wir anfangs gotterbärmlich, erst im Laufe des Vormittags wird es so warm, dass wir sogar unsere Jacken ablegen können. Obwohl wir schon vor 8 Uhr in Petra ankommen, ist dort bereits die Hölle los. Vor allem Reisegruppen, asiatische insbesondere, strömen in großer Zahl durch den Siq dem Schatzhaus entgegen. Da wir gestern die wichtigsten Attraktionen entlang des Hauptweges gesehen haben, nehmen wir uns heute Nebenrouten vor. Wir klettern zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man einen genialen Blick auf das Schatzhaus von oben werfen kann und erklimmen dann vom Theater aus die vielen steilen Treppen zum sogenannten Opferplatz, unterwegs haben wir atemberaubende Blicke zurück auf den Talkessel, in dem sich die antike Stadt ausbreitet. Und das Beste: Wir sind den Massen entkommen, hier oben sind kaum noch Leute unterwegs, denn die Treppen kann man nur zu Fuß oder mit einem Esel als Transportmittel bewältigen, was bei derart steilen Stufen vielleicht nicht so empfehlenswert ist…. Die Kultstätte liegt knapp 1100 m hoch auf einem Plateau und wurde wohl für wichtige religiöse Zeremonien benutzt. Leider ist es so kalt und stürmisch, dass wir uns mit unserer leichten Bekleidung nur kurz umschauen können. Vom Opferplatz ist ein Weg zum Qasr al-Bint Far'un ausgeschildert, wir müssen also nicht dieselbe Strecke zurückgehen und kommen so in den Genuss einer wirklich beeindruckenden Wanderung. Ohne Geländer steigen wir über steile, ausgetretene und verwitterte Stufen ins Wadi Farasa ab, wieder mit grandiosen Blicken. Aber nicht nur die Wüstenlandschaft ist sehenswert, es gibt auch noch viele Überreste aus der Zeit der Nabatäer zu entdecken. Kein Wunder, ca. 1000 Stätten sind in Petra registriert und die Ausgrabungen noch längst nicht abgeschlossen. Von den größeren Ruinen schauen wir uns den sogenannten Gartentempel und das Soldatengrab an, aber überall sind noch andere, namenlose Überreste versteckt. Es ist die Kombination aus farbenfroher Wüstenlandschaft, an vielen Stellen ist das Felsgestein von ungewöhnlichen mehrfarbigen Streifen durchzogen, und den archäologischen Stätten der Nabatäer, die diese Wanderung zu einem einmaligen Erlebnis macht. Der Weg endet oberhalb des sogenannten Großen Tempels, der aber wohl nicht als Tempel diente, sondern wahrscheinlich als königlicher Empfangssaal errichtet wurde, trotzdem hielt sich die Bezeichnung „Großer Tempel“ als eine der wichtigsten archäologischen Stätten im Zentrum von Petra. Was man heute noch sehen kann, sind die Überreste eines riesigen Kolonnadenhofs, deren Säulen teilweise mit einzigartigen Elefantenkapitellen verziert sind, und vieles andere. Wir schauen uns nur kurz um, die Zeit drängt schon wieder. Der Tempel wurde später von den Römern umgebaut und verändert und durch mehrere Erdbeben stark zerstört, im 20. Jahrhundert hausten Beduinen dort und nutzten oder besser missbrauchten die noch verbliebenen Überreste teilweise auch als Stallungen. Gleich neben dem Großen Tempel liegt der Qasr al-Bint Far'un, ein fast quadratisches Bauwerk, das auf einem Podest steht und der Haupttempel von Petra war, auch das schauen wir uns an. In der Nähe befindet sich ein Servicebereich mit Restaurant und ein Museum, wir verschnaufen kurz nach diesem intensiven, erlebnisreichen Vormittag. Obwohl die Zeit schon knapp wird, beschließen wir, noch den Aufstieg zum sogenannten Kloster in Angriff zu nehmen, dem Ad Deir, das abseits des antiken Stadtzentrums hoch in den Bergen liegt. Der Weg dorthin beginnt hinter dem Service-Bereich und folgt einem alten Prozessionsweg in eine enge Schlucht hinein. Über 800 steile Stufen sind zu bewältigen, dazwischen gibt es aber auch flache Stücke, trotzdem ein anstrengender Anstieg. Rechts und links des Weges gäbe es noch einiges zu entdecken, aber dafür fehlt uns die Zeit. Es ist sehr viel los auf der Strecke, denn das Kloster gehört zu den herausragenden Sehenswürdigkeiten in Petra, etliche Touristen lassen sich auch mit einem Esel hinauf transportieren. Der Pfad ist gesäumt von Ständen, die Souvenirs und Getränke feilbieten, die meisten von Beduinenfrauen betrieben. Die Blicke zurück in den Talkessel von Petra sind phantastisch. Schließlich erreichen wir das Plateau, auf dem das Kloster liegt, der Anblick ist überwältigend. Ad Deir ähnelt dem Schatzhaus, dem „Al-Khazneh“, ist aber monumentaler, 47 m breit und 48 m hoch, nicht so reich verziert und steht ganz offen auf dem Plateau, anders als das „Al-Khazneh“, das versteckt und eingezwängt in der engen Schlucht des äußeren Siq liegt. Wie das Schatzhaus wurde Ad Deir von den Nabatäern als Fassade aus dem Fels gemeißelt. Im Innern, das man nicht betreten kann, befindet sich eine Halle, in deren rückwärtige Wand Kreuze geritzt sind, was auf die spätere christliche Nutzung im 4. Jahrhundert nach Christus verweist, als Mönche sich hier niederließen, daher die eigentlich irreführende Bezeichnung „Kloster“. Über die Nutzung von Ad Deir zur Zeit der Nabatäer ist man sich in der Forschung uneinig: Wurde das Bauwerk als Grabstätte erbaut, wie das Schatzhaus, oder diente es als Kultstätte? Was auch immer es den Nabatäern war oder bedeutete – die einsame Lage und der Anblick sind einzigartig. Das erklärt den großen Besucherandrang, hier oben ist richtig viel los. Gegenüber dem Ad Deir gibt es eine Art Café, das gut besetzt ist, dahinter kann man noch weiter aufsteigen zum höchsten Punkt des Plateaus auf einer Felskuppe, sicher lohnenswert, aber wir fühlen uns unter Zeitdruck, unser Bus fährt um 16 Uhr am Besucherzentrum ab, bis dahin brauchen wir, auch wenn wir stramm gehen, mindestens eine Stunde, sehr schade, in der Umgebung des Ad Deir gibt es noch eine Menge zu entdecken. So eilen wir ohne weitere Pausen zurück in den Talkessel, in dem Petra liegt, und hinauf zum Besucherzentrum. Der Bus verlässt pünktlich Wadi Musa, wir fahren in die Abenddämmerung hinein und haben noch atemberaubende Blicke auf die Edom-Berge und kleine Orte, die sich steil in die Hänge ausdehnen. Nach ca. drei Stunden erreichen wir Aqaba, dort ist es angenehm warm, nach dem anstrengenden Tag reicht unsere Energie nur noch für einen Stadtspaziergang zum Abendessen.


Am Morgen im Bab as-Siq, der vom Besucherzentrum zum Siq und dem Schatzhaus führt: Trotz der frühen Stunde sind schon Karawanen von Besuchern unterwegs, die linke Spur ist für Pferde und Pferdekutschen reserviert


Dito



Im Siq an einem eiskalten Morgen - Gerold hat sich eine Plastiktüte als Kälteschutz um den Kopf gewickelt



Der canyonartige Siq ist eigentlich ein Wadi, also ein trockenes Flussbett, in dem es bei starken Regenfällen zu Sturzfluten kommen kann


Das Schatzhaus von einem Aussichtspunkt aus


Dito


 
 
Aufstieg zum Opferplatz mit phantastischem Blick in den Talkessel, in dem die antike Stadt Petra liegt
 


 

Vom Winde verweht  am Opferplatz  auf ca. 1100 m Höhe


Abstieg vom Opferplatz in das atemberaubende Wadi Farasa


Dito - dieser Beduine posierte gerne für Fotos


Abenteuerlicher Abstieg ins Wadi Farasa - links unten kann man schon das sogenannte Gartengrab erkennen, das aber wohl weder Grab noch Tempel war, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach profan genutzt wurde



Buntes Gestein im Wadi Farasa



Im Wadi Farasa: Vorne links ein Verkaufsstand der Beduinen, rechts hinten das sogenannte Renaissancegrab


Im farbenfrohen Wadi Farasa - dieser Beduine drängte sich immerzu ins Bild



Die Wanderung durch das Wadi Farasa gehört zu dem Schönsten, was wir je gemacht haben



Atemberaubend: Ad Deir,  das "Kloster", ist wie das Schatzhaus aus dem Fels gemeißelt und liegt abseits des antiken Stadtzentrums von Petra hoch oben in den Bergen



Dito


Ein letzter Blick auf die Königsgräber auf dem Rückweg zum Besucherzentrum



Am Tag unserer Abreise nach Deutschland wird es noch einmal sommerlich warm. Der Flug geht erst am späten Nachmittag, uns bleibt noch Zeit für einen letzten Spaziergang durch Aqaba und zum Roten Meer. Im Baba Za'atar lassen wir uns noch einmal Manakish schmecken, in einem modernen Supermarkt decken wir uns reichlich mit Za'atar ein. Die nette Dame von der Rezeption unseres Hotels ruft uns ein Taxi, sie empfiehlt uns wiederzukommen, denn man habe gerade angefangen, das Hotel zu modernisieren. Das war im November 2019, kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie und ich mag mir nicht vorstellen, wie es der Tourismusbranche in Jordanien seitdem ergangen ist. Den Rest des Nachmittags verbringen wir im King Hussein International Airport, so heißt der sehr kleine Flughafen etwas großspurig, aber uns ist das lieber als Massenbetrieb. Mit einer Stunde Verspätung heben wir nach Deutschland ab – nach einer der besten, spannendsten und eindrucksvollsten Reisen, die wir je gemacht haben.

 

 

Am letzten Tag unserer phantastischen Reise essen wir in Aqaba noch einmal köstliches Manakish

 

 Gerold hilft beim Zubereiten von leckeren Fladenbroten
 

 

 Großeinkauf im Supermarkt - am letzten Tag in Aqaba decken wir uns mit der Gewürzmischung Za'atar ein