Hinter Santa Barbara verlassen wir den Pacific Coast Highway und biegen
ins Landesinnere ab. Das Küstengebirge überqueren wir in zwei Tagen. Die erste
Nacht verbringen wir auf dem „Wheeler Gorge Campground“, einem einfachen
Zeltplatz, der zum Los Padres National Forest gehört. Am Wochenende war hier
alles ausgebucht, jetzt sind wir fast die einzigen Gäste. Zum Schutz gegen
hungrige Waschbären hängen wir unsere Lebensmittel in einen Baum, vergessen
aber einige Sachen und bekommen gegen Morgen prompt Waschbärenbesuch. Das Tier
kriecht zwischen Außen- und Innenzelt – auf „meiner“ Seite!! Ich bin sofort
hellwach, Gerold bewaffnet sich mit meinem Leki-Wanderstock und schlägt damit
ein paarmal auf den Boden. Das hilft, aber danach ist mein teurer Stock
zerbrochen. Der Waschbär muss wohl zum Nachbarn gegangen sein, denn kurze Zeit
später hören wir von dort Aufruhr…..
Am nächsten Tag klettern wir bei großer Hitze mit einigen Gegenanstiegen
auf ca. 1500 m. Die Strecke ist landschaftlich wunderschön, sehr trocken,
wüstenartig. Wheeler Gorge lag schon sehr einsam, hier wohnt jetzt niemand
mehr. Am höchsten Punkt geht uns das Trinkwasser aus. Wheeler Gorge war zu
unserer Überraschung „trocken“, wir hatten Glück, dass uns der Platzwart mit
einer Gallone (knapp 4 l) versorgt hat, aber die ist jetzt aufgebraucht. Wir
haben nur noch Wasser aus einem Bach, das man unbehandelt nicht trinken kann.
Vor uns breitet sich ein Meer aus Hügeln aus – das sieht nicht nach einer
einfachen Abfahrt aus, wie wir gedacht hatten, und ein Ort ist auch nicht in
Sicht. Gerold stellt sich an den Straßenrand und wedelt mit einer leeren
Wasserflasche – die Sprache versteht in der Wüste jeder. Viele Autos sind hier
nicht unterwegs, aber alle halten – ein beruhigendes Gefühl in dieser für uns Mitteleuropäer
so lebensfeindlich wirkenden Umgebung.
Nach drei Autos haben wir einen Notvorrat an Trinkwasser zusammen – und zwei
Dosen eiskaltes Bier. Im ersten Wagen, der hielt, saßen nämlich Mexikaner, die
zwar kein Wasser im Auto hatten, aber jede Menge "cerveza" …. Am selben Tag kommen
wir aber dann doch noch halbwegs zurück in die Zivilisation, in ein dünn
besiedeltes Hochtal, in dem mit großem Bewässerungsaufwand u.a. Alfalfa
angebaut wird. Verrückt! Eigentlich ist das eine Wüste. Wir zelten auf dem Reyes Creek Campground, einem staubigen
Wüstenplatz mitten im Nirgendwo. Gleich nebenan befindet sich „Camp Scheideck“,
eine kleine Siedlung aus „Mobile Homes“ mit einem etwas ungewöhnlichen
Friedhof…
Am nächsten
Morgen fahren wir steil ins sogenannte „Central Valley“ ab. Dieses Längstal ist
über 600 km lang, bis zu 80 km breit und wird von allen vier Seiten durch
Gebirgsketten begrenzt. Das kalifornische Küstengebirge im Westen haben wir
gerade überquert, jetzt wollen wir mitten durch das Tal Richtung Norden fahren
und dabei Abstecher in die Sierra Nevada machen, die Gebirgskette im Osten.
Nach der
langen Abfahrt umfängt uns unten im Tal auf nur noch ca. 200 m Höhe
Backofenluft, es ist fast 37 Grad heiß, aber für die nächsten Tage ist kühleres
Wetter angesagt, „nur“ noch um die 30 Grad. Das Central Valley ist Kaliforniens
größtes Anbaugebiet für Obst und Gemüse, von hier aus wird nicht nur in die
ganze USA geliefert, sondern auch in andere Länder. Irgendwie hatten wir uns
das deshalb alles etwas anders vorgestellt, grüner, üppiger, aber die Landschaft
ist wüstenartig. Im Sommer fällt praktisch kein Regen und es wird sehr heiß.
Die intensive landwirtschaftliche Nutzung ist nur mit gigantischem
Bewässerungsaufwand möglich.
Viele Leute
hatten uns abgeraten, durch das Central Valley zu touren, zu heiß, zu
langweilig etc. Bestätigen können wir, dass es nicht gerade die spannendste
Strecke ist, allerdings fast immer flach. Wir fahren durch endlose Obst- und
Gemüseplantagen, manchmal aber auch einfach nur durch öde Wüste, oft mit sehr
viel Gegenwind. Trotzdem ist es ein Erlebnis, dieses unglaublich weite Tal mit
dem Fahrrad zu bereisen. Wie überall in der kalifornischen Landwirtschaft dominieren
auch im Valley die Mexikaner. Sie arbeiten in den Plantagen und haben hier eine
interessante Subkultur entstehen lassen: Supermärkte, Imbisse,
Bäckereien, Geschäfte, Autowerkstätten – manchmal fühlen wir uns hier wie in
Mexiko. Wir finden das interessant und schauen uns gerne in den
Latino-Supermärkten um, aber in Kalifornien bzw. in den USA allgemein gibt es
natürlich sehr unterschiedliche Meinungen über die vielen Einwanderer aus Mittelamerika und die sich daraus ergebenden Probleme.
Nach 2 ½ Tagen erreichen wir Porterville. Der Ort liegt am Ostrand des
Valleys, quasi am Fuße der Sierra Nevada und nicht so weit entfernt vom „Kings
Canyon/Sequoia National Park“, unserem nächsten Ziel. In Porterville erwartet
uns Hank von Warmshowers. Von ihm erfahren wir, dass am Montag „Memorial Day“
ist, ein nationaler Feiertag, die Amerikaner bereiten sich also auf ein langes
Wochenende vor, außerdem beginnen die Sommerferien. Hank rät uns dringend ab,
unter diesen Umständen weiterzufahren, die Campingplätze seien nicht nur in den
Nationalparks, sondern überall schon auf Wochen ausgebucht und die Straßen
überfüllt. So kommt es, dass wir am Ende länger als geplant bei Hank bleiben.
Porterville ist nicht gerade die spannendste Stadt – man müsse dem Brötchenteig
beim Aufgehen zuschauen, wenn man hier mal ein bisschen Unterhaltung wolle, so
ein Freund von Hank. Aber das macht
nichts – wir haben noch viel am Blog zu arbeiten und Hank ist supernett. Wir
verbringen eine entspannte Zeit bei ihm, abends, wenn es kühler wird, sitzen
wir mit seinen Freunden zusammen, grillen, plaudern….
Am Memorial Day reisen wir ab – heute Abend dürften die Campingplätze
wieder leer sein. 2 ½ anstrengende Tage brauchen wir, bis wir den Kings Canyon
National Park in der Sierra Nevada erreichen, wir müssen nämlich auf über 2000
m klettern. Hinter Porterville machen wir noch einen Abstecher in den kleinen Ort Exeter, Zentrum des Obstanbaus und bekannt für seine Wandmalereien. Zum Kings Canyon National Park nehmen wir eine kaum befahrene Nebenroute, die Dry Creek Road, durch
landschaftlich sehr schönes und äußerst dünn besiedeltes Gebiet, nur vereinzelt sieht man weit von der Straße entfernt Farmhäuser. Wildzelten
wäre trotzdem unmöglich, weil alles eingezäunt und abgesperrt ist. Am zweiten Abend
haben wir Probleme, einen Übernachtungsplatz zu finden. Der Campingplatz, auf
dem wir eigentlich bleiben wollten, existiert nämlich nicht mehr und Motels
sind auf dieser Nebenstrecke dünn gesät. Wir fragen einen jungen, ortskundig
wirkenden Mann, ob er vielleicht ein günstiges Motel in der Nähe kenne. So
lernen wir Brandon und Passion kennen, die nicht weit entfernt in einem
Trailerpark (einer Art Wohnwagensiedlung) leben und uns spontan anbieten, neben
ihrem Trailer zu zelten. Es wird eine der nettesten und interessantesten
Begegnungen in Kalifornien. Brandon bezeichnet sich selbst stolz als „hillbilly“, ein Ausdruck, der in den USA oft abschätzig für Leute benutzt wird,
die verstreut oder in Wohnwagenkolonien in den Bergen (hills) leben und einen
etwas anderen Lebensstil pflegen. Brandon ist 30, Passion vielleicht Mitte 20,
im September kommt das erste Kind. Beide haben keine festen Jobs, Brandon macht
Gelegenheitsarbeiten. Sie leben in einem Wohnwagen, weit entfernt von dem nächsten größeren Ort
mitten in der Natur, haben Hühner, Enten und Hasen. Die beiden lassen es sich nicht nehmen, uns zum Abendessen
einzuladen. Brandon erzählt uns bei der Gelegenheit, was bei ihnen sonst noch
so auf den Tisch kommt: Eichhörnchen, die er mit Erdnussbutter anlockt (Passion
findet ihr Fleisch nicht so lecker), Schlangen…. Passion ist ein ganz liebes Mädchen und Brandon ein cleverer Bursche, er kann viel und interessiert sich für alles. Wir verbringen einen sehr netten Abend mit den beiden.
An dieser Stelle muss auch einmal gesagt werden, dass die Amerikaner unglaublich gastfreundlich sind. In keinem anderen Land der Welt haben wir
jemals so viel spontane Hilfsbereitschaft und überwältigende Gastfreundschaft erlebt. Am
nächsten Morgen verabschieden wir uns von Brandon und Passion, wir haben noch ein
paar anstrengende Kletterstunden vor uns, bis wir am frühen Nachmittag den
Eingang zum „Kings Canyon/Sequoia National Park“ erreichen.
Die amerikanischen Trucks gefallen uns sehr - solange sie parken.
Am Lake Casitas in den Bergen hinter Santa Barbara
Auf dem Wheeler Gorge Campground: Alle Wasserhähne sind abmontiert -
zum Glück schenkt uns der Verwalter einen Kanister mit Trinkwasser.
Auf dem Campground wächst "Poison Oak", eine giftige Pflanze,
die bei Berührung heftige allergische Reaktionen
und stark juckende Hautausschläge verursacht,
die bei Berührung heftige allergische Reaktionen
und stark juckende Hautausschläge verursacht,
die wochenlang anhalten können.
Hinter dem Wheeler Gorge Campground
geht es viele Kilometer lang nur bergauf.
Die Sonne brennt - von "icy" kann hier keine Rede sein.
Kurz vor der Passhöhe (1)
Kurz vor der Passhöhe (2)
Als wir endlich oben sind, haben wir kaum noch Trinkwasser.
Unsere einzige Chance: Autos anhalten und um Wasser bitten!
Suchbild mit Uschi: Downhill hinter dem Pass - in dem Hochtal, das man in der Ferne sieht, wird u.a. Alfalfa angebaut.
Sehr steiler Zwischenanstieg kurz vor dem nächsten Zeltplatz
Reyes Creek Campground am Rande des Los Padres National Forest
Auf nächtliche Besuche hungriger Waschbären haben wir keine Lust
und hängen daher alles Essbare hoch in einen Baum.
"Camp Scheideck" in der Nähe unseres Zeltplatzes
Auf dem Friedhof von Camp Scheideck (1)
Auf dem Friedhof von Camp Scheideck (2)
Wir verlassen den Los Padres National Forest
und fahren weiter Richtung Central Valley.
und fahren weiter Richtung Central Valley.
Mit den Ranchern hier ist offensichtlich nicht zu spaßen ...
... daher verzichten wir einstweilen lieber aufs Wildzelten.
Nutzpflanzen gedeihen hier nur mit künstlicher Bewässerung.
Frisches Alfalfa-Heu fertig zum Abtransport
Kurz vor der steilen Abfahrt ins Central Valley
- leider müssen wir hier wieder auf ziemlich gefährlichen Straßen radeln.
Ölförderung im Central Valley
Schöner Campingplatz an einem künstlichen See:
Buena Vista Aquatic Recreation Area
Buena Vista Aquatic Recreation Area
Auf solchen Straßen sind wir tagelang unterwegs.
Damit wir ihn leichter finden, hat Hank ein Schild
an seinem Briefkasten befestigt.
an seinem Briefkasten befestigt.
Zur Begrüßung kredenzt uns Hank ein eiskaltes Erfrischungsgetränk :-)
24. Mai 2013, Porterville, California: 12 000 km geschafft!
Das Städtchen Exeter ist ein Zentrum des Obstanbaus im Central Valley
und auch bekannt für seine Wandmalereien ("murals").
und auch bekannt für seine Wandmalereien ("murals").
"Murals" in Exeter (2)
"Murals" in Exeter (3)
"Murals" in Exeter (4)
"Murals" in Exeter (5)
Tante-Emma-Laden der amerikanischen Art:
Hier gibt es (fast) alles, was man in dieser Gegend zum Leben braucht: Lebensmittel, eine Tasse Kaffee, Fast Food, Propangasflaschen, Brennholz, Benzin, Autozubehör, Anglerbedarf ... und natürlich Budweiser Bier.
Hier gibt es (fast) alles, was man in dieser Gegend zum Leben braucht: Lebensmittel, eine Tasse Kaffee, Fast Food, Propangasflaschen, Brennholz, Benzin, Autozubehör, Anglerbedarf ... und natürlich Budweiser Bier.
Ein paar Meilen weiter: Die Konkurrenz
Auf der Dry Creek Road unterwegs Richtung Kings Canyon National Park
Dry Creek Road: Die Straße wird immer steiler.
Das sind 15 % Steigung!
Vor dem Trailer von Brandon und Passion
Direkt nebenan bauen wir unser Zelt auf.
Brandon hat viele Talente: Er ist passionierter Gitarrist, dreht Youtube-Filme,
kann Erste Hilfe z.B. bei Schlangenbissen leisten......
Sein Geld verdient er mit der Reparatur von Maschinen aller Art,
daher sein Spitzname "Ingenieur".
Abschied von Passion und Brandon