1. bis 8. Juli 2013
Wir landen am frühen Morgen in
Keflavik/Reykjavik. Island gehört zum Schengen-Bereich, bei der Passkontrolle
geht alles schnell für uns, wir fühlen uns fast schon heimisch. Noch am
Flughafen treffen wir uns mit Svava und Gunnar zur Schlüsselübergabe und zum
kurzen Kennenlernen. Sie fliegen heute nach England und überlassen uns ihr
Haus, wir sind echte Glückspilze. Uns bleibt nur noch Zeit für einen
gemeinsamen Kaffee, dann müssen die beiden schon los. Sehr schade, wir hätten
gerne mehr aus erster Hand über Island und das Leben hier erfahren.
Draußen weht uns kalte Luft entgegen - nur 7
Grad! Das ist ein echter Temperaturschock, in Washington hatten wir gestern
noch 35 Grad! Der internationale Flughafen Keflavik liegt ca. 50 km von
Reykjavik entfernt, es regnet, deshalb nehmen wir den Flughafenbus und steigen
in Hafnafjördur aus, wo Svava und Gunnar wohnen. Bis wir alles Gepäck und die
Räder zu ihrem Haus transportiert haben, ist es schon früher Nachmittag. Viel
machen wir an unserem ersten Island-Tag nicht, vier Stunden Zeitverschiebung
machen uns wegen der schlaflosen Flugzeugnacht schwer zu schaffen. Das Wetter
bessert sich, wir fahren noch in den Ort, um uns ein bisschen umzuschauen, und
staunen über das Sortiment im örtlichen Supermarkt. Vor ca. 30 Jahren waren wir
schon einmal mit dem Auto in Island, damals war die Versorgungslage ziemlich
schlecht. Nach unserer Erinnerung gab es praktisch nichts außer tiefgefrorenem
oder getrocknetem Fisch, ein paar Grundnahrungsmitteln und Schokoriegeln. Das
hat sich gründlich geändert. Der Supermarkt lässt keine Wünsche offen, das
Angebot ist "europäisch" - Müsli, Milchprodukte, Käse etc. in
ausgezeichneter Qualität, aber auch für die internationale Küche bekommt man
viele Zutaten. Es gibt eine Bäckerei, die diesen Namen wirklich verdient, mit
richtig gutem Brot und Brötchen. Wir hatten mit Inselpreisen gerechnet, aber
auch diesbezüglich erleben wir eine Überraschung. Manche Produkte sind nur
unwesentlich teurer oder sogar billiger als in Deutschland, frisches Obst und
Gemüse natürlich ausgenommen, aber isländische Tomaten, in geothermisch
beheizten Gewächshäusern gezogen, kosten beim Discounter z.B. auch nur 1,70
Euro/kg. Möglicherweise sind die relativ niedrigen Preise aber auch noch die
Nachwirkungen des Banken-Crashs, der Island 2008 ziemlich hart traf und zu
einer starken Abwertung der Isländischen Krone führte.
Abends um 23 Uhr scheint noch die Sonne - sie
verabschiedet sich im Moment nur für ca. drei Stunden und auch da wird es nicht
richtig dunkel, sondern nur dämmrig. Die Mitternachtssonne ist ein ganz
besonderes Erlebnis, auf das wir uns schon gefreut haben.
Am nächsten Tag radeln wir nach Reykjavik, bei
gutem, aber sehr kühlem Wetter. Die isländische Hauptstadt ist nicht gerade
eine Weltmetropole, hat aber ein sehr nettes Zentrum. Es wimmelt von Touristen,
obwohl die Saison gerade erst anläuft. Den Mittwoch nutzen wir für eine
Erkundung von Hafnafjördur und Umgebung. Der Ort wirbt für sich als „Die Stadt
in der Lava“, denn er wurde auf 7000 Jahre alter Lava erbaut. Tatsächlich
breiten sich um Hafnafjördur herum riesige Lavafelder aus, viele Häuser stehen
mittendrin, wie auch der einzige isländische Ikea, sicher auch für dieses
Weltunternehmen ein einzigartiger Standort. Hafnafjördur gehört zu den ältesten
Städten Islands und entstand v.a. wegen der guten natürlichen Hafenbedingungen,
deutsche und britische Kaufleute handelten hier schon im 15. Jahrhundert. Wir
schauen uns das kleine, sehr interessante Museum zur Geschichte des Ortes an
und bewundern die schönen, farbenfrohen alten Holzhäuser. Hafnafjördur liegt ca.
10 km von Reykjavik entfernt und gehört zum Hauptstadtgebiet, in dem gut
200.000 von den insgesamt ca. 320.000 Isländern wohnen, was zeigt, wie groß die
Verstädterung in Island ist.
Dann fahren wir noch weiter zur Halbinsel
Alftanes, wo wir uns den Außenbereich von „Bessastadir“ anschauen, seit 1944
Amtssitz des isländischen Staatspräsidenten. Es handelt sich um einen ganzen
Gebäudekomplex mit einer sehr schönen Kirche aus dem 18. Jahrhundert.
Am nächsten Tag wollen wir abreisen, aber
Gerold hat an seinem Rad Probleme mit Bremse und Schaltung festgestellt und
repariert stundenlang, also verschieben wir unseren Aufbruch.
Am Freitag geht
es dann endlich los, obwohl die Wetterprognose schlecht aussieht. Wir sind
deshalb früh unterwegs, schaffen es aber nur bis Mosfellsbaer, einen größeren
Ort, der noch zum Hauptstadtgebiet zählt. Als wir dort kurz halten, spricht uns
ein Mann an und warnt uns vor einem Unwetter, das für den Nachmittag gemeldet
sei, mit schwerem Sturm und Starkregen. Tatsächlich sieht der Himmel
rabenschwarz aus, wir nehmen die Warnung deshalb ernst und bleiben auf dem
örtlichen Campingplatz. Kaum steht das Zelt, um gerade mal 12 Uhr mittags, da
beginnt es schon zu schütten. Der Sturm wird im Laufe des Nachmittags so stark,
dass wir um unser Zelt fürchten. Es regnet und stürmt ununterbrochen bis zum
nächsten Mittag, über 12 Stunden. Am selben Tag schaffen wir es dann immerhin
noch, trocken und mit starkem Rückenwind in Þingvellir anzukommen,
UNESCO-Weltkulturerbe und eine der Hauptsehenswürdigkeiten in Island. Wenn man
den Wind hier im Rücken hat, kann man sich glücklich schätzen, wir werden
geradezu geschoben. In Þingvellir holt uns der Regen wieder ein, am Abend
können wir uns aber dann doch noch bei besserem Wetter das „nationale
Heiligtum“ der Isländer anschauen. Hier trat 930 n. Chr. zum ersten Mal das
isländische Parlament („Althing“) zusammen., der Standort lag zentral am
Kreuzpunkt zahlreicher Reitpfade aus allen Teilen des Landes. Das Althing in Þingvellir war die höchste politische Instanz des Landes und Parlament und
Gerichtsort zugleich, dort wurden Rechtsstreitigkeiten aus dem ganzen Land
geschlichtet. Bis 1798 blieb Þingvellir der Hauptversammlungsort der Nation,
obwohl Island 1264 Teil des norwegischen und später des dänischen Königreiches
wurde. Am 17.6.1944 fand hier die Unabhängigkeitsfeier statt, als die Republik
Island ausgerufen wurde, und auch heute noch werden hier große Feste gefeiert.
Das Þingvellir-Gebiet ist auch geologisch interessant. Die alte
Parlamentsstätte liegt nämlich auf einer Vulkan- und Spaltenzone, die sich quer
von Südwesten nach Nordosten durch Island zieht. Die Zone ist Teil des
nordatlantischen Rückens, der die nordamerikanische von der eurasischen
Kontinentalplatte trennt. Þingvellir liegt in einer Talsenke, die dadurch
entstanden ist, dass die Kontinentalplatten auseinanderdriften. Wir haben
Glück, diesen besonderen Ort praktisch ohne Touristen zu erleben, am nächsten
Morgen ist dort die Hölle los.
Der Sonntag bleibt trocken bis zum Mittag,
dann beginnt es wieder zu regnen. Wir machen gerade eine Pause in dem kleinen
Ort Laugarvatn, schauen uns den Regen eine Weile an und checken dann in der
örtlichen Jugendherberge ein, es ist nämlich dazu wie an den vorherigen Tagen
auch noch ziemlich kalt, nur 8 Grad. Die Jugendherberge, eine der größten des
Landes, verfügt über mehr als 100 Betten und ist bis zum Abend voll ausgebucht:
gestrandete Radler, durchgefrorene Wanderer und frustrierte Autotouristen
bevölkern den großzügigen Küchen- und Aufenthaltsbereich. Vor 30 Jahren gab es
solche Unterkunftsmöglichkeiten gar nicht, heute findet man überall Hotels,
Hütten, Hostels und praktisch jeder auch noch so kleine Ort verfügt über einen
Campingplatz. Wir kämpfen tapfer gegen den Frust an, dass wir wegen des Regens
pro Tag nicht über 30 km hinauskommen. Immerhin gibt es kostenlosen
Internetzugang in der Jugendherberge, was in Island noch eher eine Seltenheit
ist, und wir können am Blog arbeiten. Es regnet den ganzen Nachmittag und in
der Nacht und am nächsten Morgen immer noch. Wir brechen erst gegen 11 Uhr auf,
kaum sitzen wir auf den Rädern, beginnt es schon wieder zu nieseln, die Wolken
hängen so tief, dass wir kaum etwas sehen können. Nach ein paar Kilometern
platzt Gerold ein Reifen, irgendwie haben wir im Moment eine Pechsträhne. Aber
dann erreichen wir doch wie geplant, nur wesentlich später den Geysir
„Strokkur“, eine der bekanntesten Springquellen der Erde, von der alle Springquellen
dieser Art ihren Namen haben. Weltweit gibt es nur sechs aktive Geysirfelder,
immerhin haben wir auch schon die im Yellowstone/USA und Chile gesehen. Vor 30
Jahren konnten wir den „Strokkur“ fast alleine genießen, jetzt ist dort absolut
die Hölle los. Es gibt ein großes Service-Zentrum, mit Souvenirshop, Café,
Imbiss, Restaurant…. Der Wahnsinn, wie sich hier alles verändert hat. Im
letzten Sommer waren so viele Touristen in Island wie noch nie zuvor – das
haben uns nicht nur Svava und Gunnar erzählt. Das Wetter ist immer noch trübe,
gegen den grauen Himmel sieht der Geysir nicht ganz so beeindruckend aus.
Weiter geht’s zur nächsten Attraktion, dem
Gullfoss, einem der bekanntesten Wasserfälle Islands, der in zwei Stufen
insgesamt 32 m tief in eine bis zu 70 m tiefe und 2,5 km lange Schlucht stürzt.
Es geht schon auf den Abend zu, als wir dort ankommen, aber es ist noch einiges
los. Der Wasserfall ist so sensationell wie wir ihn in Erinnerung hatten. In
der Nähe gibt es das „Gullfoss Kaffi“, ein Besucherzentrum mit Café,
Souvenirshop und Restaurant. Die Entstehung dieses „Kaffi“ ist beispielhaft für
die vielen Veränderungen in Island, die der wachsende Tourismus mit sich
brachte: Eine Bauernfamilie errichtete 1993 zunächst ein Zelt, um dem müden
Reisenden nach der damals viel beschwerlicheren Anreise auf nicht asphaltierten
Straßen Erfrischungen anzubieten. Drei Jahre später wurde aus dem Zelt ein Haus
mit mehr Komfort und noch einmal drei Jahre später entstand schließlich das
derzeitige Gullfoss-Zentrum. Als wir Anfang der 80er Jahre in Island waren, gab
es hier nur den Wasserfall.
Beschwerlich und fast so wie damals geblieben
dagegen ist die Reise durch das isländische Hochland. Eine der Hochland-Routen,
die sogenannte Kjölur, beginnt ein Stück hinter dem Gullfoss und ist wie alle
anderen auch heute noch nicht asphaltiert - warum auch, im Hochland wohnt
niemand. Das Gullfoss Kaffi ist der letzte Halt vor dem Hochland, wo es zu
jeder Zeit im Jahr richtig kalt und stürmisch werden kann. Wir fahren heute bis
kurz vor Beginn der Schotterpiste und zelten wild im Gelände. Das große
Abenteuer beginnt erst morgen. Nachdem es den ganzen Tag über genieselt hat,
kommt abends um 19 h noch voll die Sonne durch – wenn das kein gutes Vorzeichen
ist!
Treffen mit Svava und Gunnar am Flughafen
Hafnafjördur - die Stadt in der Lava
Eines der ältesten Gebäude der Stadt - heute ein Museum
dito
Kirche in Hafnafjördur
Ikea in der Lava
Erlesene isländische Spezialitäten:
Geschmorte Lammkeule mit Preiselbeersauce
und Rotkraut auf Kartoffelpüree (links)
Geschmorte Lammkeule mit Preiselbeersauce
und Rotkraut auf Kartoffelpüree (links)
bzw. Gebratenes isländisches Wildlachsfilet mit Dillsauce,
Kartoffeln und Zuckererbsen -
Kartoffeln und Zuckererbsen -
für jeweils nur etwa 8 Euro!! Wo??? Bei Ikea in Hafnafjördur!!
Der Hafen von Hafnafjördur
Spaziergang am Stadtrand
Unterwegs zur Halbinsel Alftanes: Garðakirka
Islandpferd
Kirche in Bessastadir - dem Amtssitz des isländischen Staatspräsidenten
Blick auf Reykjavik. In der Mitte die Hallgrimskirka, die evangelisch-lutherische Pfarrkirche der Stadt
Abschied von "unserem" Haus in Hafnarfjördur
So schöne Radwege gibt es in Reykjavik!
Leider fehlt eine Beschilderung, daher ist die Orientierung schwierig.
Immer wieder müssen wir anhalten und unser GPS einschalten.
Wegen der Unwetterwarnung flüchten wir uns auf diesen Campingplatz.
Blick aus dem Zelt bei Sturm und Regen
Am nächsten Mittag scheint endlich wieder die Sonne.
Am größten Binnensee Islands: Wir erreichen den Þingvallavatn,
(Das "Þ" ist ein Runenbuchstabe des isländischen Alphabets und wird wie das englische "th" ausgesprochen.)
(Das "Þ" ist ein Runenbuchstabe des isländischen Alphabets und wird wie das englische "th" ausgesprochen.)
Am Þingvallavatn (2)
In der Schlucht von Þingvellir: Hier tagte das älteste Parlament der Welt,
das isländische Althing - zum ersten Mal im Jahre 930 n. Chr.!
Þingvellir (2): Der Althing war auch der oberste Gerichtshof des Landes.
Todesurteile durch Ertränken wurden in diesem kleinen See vollstreckt.
Todesurteile durch Ertränken wurden in diesem kleinen See vollstreckt.
Þingvellir (3): Als Wahrzeichen Þingvellirs gelten die Kirche aus dem Jahr 1859
und eine kleine Gruppe von Holzhäusern.
Þingvellir (4): Wasserfall (Öxarafoss) am Rand der Schlucht
Þingvellir (5): Die z.T. wassergefüllten Spalten hier entstanden durch
das Auseinanderdriften der eurasischen und der nordamerikanischen Kontinentalplatten.
Þingvellir (6): Besichtigen macht hungrig:
Aus Reykjavik haben wir leckere isländische Lebensmittel mitgebracht.
Auf dem Bild: Skyr, eine Art Quark; Roggenbrot mit Nüssen und Früchten; Tomaten, die aus mit geothermischer Energie beheizten Gewächshäusern stammen.
In Laugarvatn (1): Vorsicht, gefährliche heiße Quellen!
In Laugarvatn (2): Die Regenwolken hängen tief, Radelwetter sieht anders aus.
Sobald der Regen nachlässt, fahren wir weiter.
Der Strokkur ist der aktivste Geysir im Heißwassertal Haukadalur.
Er spritzt etwa alle 5 Minuten, die Wassersäule erreicht eine Höhe von 25 - 30 Metern.
Strokkur (2)
Wieder so ein Zufall: Am Geysir treffen wir diese Nachbarn aus Jexmühle!
Der Gullfoss ist der energiereichste Wasserfall Europas.