3.1.2013 bis 7.1.2013
Burma
(deutsch meist "Birma", seit 1989 offiziell "Union von Myanmar") ist
kein gewöhnliches Reiseziel und beschäftigt uns deshalb schon im
Vorfeld intensiv. Gerne würden wir von Thailand aus einfach so über
die Grenze radeln, aber die Einreise ist in der Regel nur per Flugzeug
möglich. Viele Gebiete sind immer noch gesperrt oder man kann sie nur
mit Sondergenehmigungen bereisen. Die touristische Infrastruktur ist
abseits der Hauptrouten bescheiden oder schlicht gar nicht vorhanden.
Für uns als Individualreisende ist deshalb der neueste Stand der
Informationen besonders wichtig: Wie kommen wir in Burma an Geld, wie
sieht es mit Unterkünften aus, welche Erfahrungen haben andere Radler
gemacht - das alles müssen wir bereits vor unserer Abreise
recherchieren. Zwar sind wir im Besitz des neuesten Reiseführers von
2012, aber seit der politischen Öffnung des Landes ändert sich alles
so rasant, dass selbst dieser zum Teil schon wieder überholt ist.
Laut
Internet soll es in größeren Städten neuerdings internationale
Geldautomaten geben, aber nur vereinzelt und nicht zuverlässig.
Kreditkarten kann man in Myanmar ebenso vergessen wie Reiseschecks,
unsere Notreserve. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als
ausreichend Bargeld zum Tauschen mitzunehmen, aber wie viel Geld braucht
man für knapp vier Wochen in einem Land, in dem z.B. die Hotelpreise
explodieren? Akzeptiert werden nur US $ und Euro, aber die Scheine
müssen absolut makellos sein. Ein kleiner Knick und schon wird der
Schein abgelehnt - das werden wir später selber erleben. So pilgern wir
etliche Male zum Wechselbüro um die Ecke von unserem Hotel in Bangkok
und lassen uns Dollar- und Euronoten vorlegen. Die Damen von der Bank
kennen das Problem schon und bieten Myanmar-Reisenden nur "gute" Scheine
an, wobei burmataugliche Dollars leichter zu bekommen sind als Euros.
Immerhin gibt es keinen Zwangsumtausch mehr wie noch bei unserem ersten
Besuch in Burma vor 10 Jahren, auch die Sonderwährung "FEC" (Foreign Exchange
Certificate) für Ausländer wurde abgeschafft, die man seinerzeit nur auf
dem Schwarzmarkt in die Landeswährung Kyat tauschen konnte.
Seit
der politischen Öffnung will alle Welt nach Burma (ganz früher bekam
man nur ein Visum für 7 Tage, jetzt dürfen Touristen immerhin 28 Tage
bleiben); außerdem sind wir zur besten Reisezeit dort, im trockenen und
kühleren Winter. Internetberichten zufolge ist deshalb im Moment mit
Engpässen bei der Unterbringung zu rechnen. Touristen mussten auf
Hotelfluren übernachten, weil es keine freien Betten mehr gab.....
Einen kleinen Vorgeschmack bekommen wir, als wir versuchen, eine
Unterkunft in Yangon zu finden. Die meisten Hotels sind längst
ausgebucht, erst nach intensiver Recherche schaffen wir eine
Reservierung für vier Nächte.
Am 3.1.2013 geht es
endlich los, nach einer Stunde Flug landen wir gegen 17.30 Uhr in Yangon. 2003
war der Flughafen eine triste Angelegenheit, düster, schmutzig, wenig
einladend. Mittlerweile hat Yangon ein neues Flughafengebäude, hell,
sauber, freundlich, in der Ankunftshalle gibt es sogar einen
Geldautomaten und einen Wechselschalter. Wir staunen. Vor 10 Jahren
wurden wir schon bei der Einreise von uniformierten Beamten flüsternd
angesprochen, ob wir nicht unsere FEC in Kyat tauschen wollten....
Es
ist schon dunkel, als wir mit unserem umfangreichen Gepäck ins Taxi
steigen. Unser Fahrer spricht gut Englisch und hat seine Freude daran,
wie wir über die Veränderungen in Yangon staunen. Vor 10 Jahren fuhren
wir mit den Rädern in die Stadt, über holprige Straßen, auf denen
kaum Autos unterwegs waren. Yangon bot damals einen traurigen Anblick.
Jetzt stehen wir auf der gut ausgebauten Straße teilweise im Stau,
unglaublich! Wir sehen schicke Restaurants und Kinos mit Glitzerreklame -
2003 waren die Kinoplakate noch handgemalt. Es scheint sich etwas getan
zu haben.....
Die Ankunft im Zentrum ist dann schon etwas
ernüchternder. Unser 110 $-Hotel liegt in einer schäbigen Gasse, in
der sich stellenweise der Abfall türmt. Mittendrin wird gekocht und
gegessen, in improvisierten "Restaurants" mit niedrigen Plastikhockern,
die ziemlich typisch für Burma sind und die wir so auch schon vor 10
Jahren gesehen haben. Die blankpolierten Glastüren unseres Hotels
stehen in merkwürdigem Gegensatz zu dieser tristen Umgebung. Ganz in
der Nähe ist sogar eine richtige Luxusherberge, das Traders Hotel -
schön und hässlich, sauber und schmutzig, reich und arm so dicht
nebeneinander.
In unserem sehr bescheidenen, völlig überteuerten, aber blitzsauberen Zimmer halten wir uns nicht lange auf -
wir wollen unbedingt noch kurz raus, einen kleinen Eindruck bekommen.
Die Burmesen haben ein langes Wochenende vor sich, morgen ist
Unabhängigkeitstag. Unser Hotel liegt mitten im Zentrum, die Straßen
sind brechend voll, die Bürgersteige und Straßenränder voll gepackt
mit Verkaufs- und Ess-Ständen. Wir müssen aufpassen, wohin wir unsere
Füße setzen, überall lauern Fallen, Löcher, Unebenheiten, lose
Platten, zerbrochene Kanalabdeckungen. Wir fühlen uns nach Sri Lanka
zurückversetzt, auch das Gewusel auf den Straßen erinnert uns daran
und die vielen, sehr einfachen indischen Restaurants gleich um die Ecke
von unserem Hotel. Während der britischen Herrschaft in den 30er Jahren
stellten die Inder mehr als die Hälfte der Bevölkerung Yangons und
noch immer leben viele in der Innenstadt. Wir trauen uns, Masala Dosai
zu essen, den leckeren südindischen Pfannkuchen, schmeckt gut, aber in
die Küche möchte ich hier lieber nicht schauen.... Lange bleiben wir
nicht draußen. Die Sicherheitslage in Burma ist gut, aber wir sind mit
einer Barschaft von mehreren tausend Euro unterwegs und man muss das
Schicksal ja nicht herausfordern. Vom Hotel aus, das übrigens trotz des überzogenen Preises jeden Abend ausgebucht ist, rufen wir noch Wah Wah
an und vereinbaren ein Treffen für morgen.
Wah
Wah kommt am nächsten Tag mit Di Di, ihrer 13jährigen Tochter. Wir
kennen die Familie, zu der noch Wah Wahs Ehemann Moh und der 9jährige
Sam gehören, über eine gemeinsame Freundin aus Hawaii und haben sie
schon 2003 getroffen. Den Vieren geht es im Vergleich zu der Mehrheit in
Burma, die in großer Armut lebt, relativ gut. Moh betreibt eine Art
Reiseagentur, aber jetzt gibt es mehr Konkurrenten auf dem Markt und er
muss kämpfen. Wah Wah hat einen guten Job bei einem australischen
Arbeitgeber. Die Familie lebte und arbeitete eine Zeitlang in Singapur
und ist erst vor kurzem zurückgekommen.
Wir verbringen
den Vormittag mit den beiden Damen. Di Di ist ein aufgewecktes,
hübsches Mädchen und unterscheidet sich eigentlich nicht von deutschen
Teenagern ihres Alters. Natürlich gehört sie zur Facebook-Gemeinde,
mag moderne Kleidung und träumt von einem iPhone. Wir spazieren
zusammen zur Sule-Pagode, die unweit unseres Hotels mitten in einem
Kreisverkehr liegt. Die Sule-Pagode ist bei weitem nicht so groß und
prächtig wie die berühmte Shwedagon-Pagode. Es ist mehr ein
Alltagstempel, dorthin geht man mal eben zwischendurch und in der
Mittagspause.
Wir essen mit Wah Wah und Di Di zu Mittag,
in einem Restaurant mit typisch burmesischer Küche, sehr lecker. Wegen
des Unabhängigkeitstags ist heute überall viel los, aber Wah Wah
meint, mit ironischem Unterton natürlich, die Briten wären mal besser
im Land geblieben, dann würde es ihnen heute besser gehen. Di Di
zuliebe kehren wir auch noch in einem "Donuts" ein, aber das ist kein
Ableger der amerikanischen Kette, sondern nur die burmesische Kopie. Ich
hätte nicht gedacht, dass man Donuts noch schlechter machen kann als
sie ohnehin schon sind. Ausländische Fast Food-Ketten haben sich in
Burma noch nicht angesiedelt, aber bald soll der erste McDonalds in Yangon eröffnen, außerdem eine Ikea-Filiale - das wird einen Ansturm
geben.....
Am Nachmittag verabschieden wir uns von den
beiden Damen und gehen zu Fuß zur Shwedagon-Pagode. Die Orientierung im
Zentrum ist einfach, dank der Engländer, die die Straßen des
Stadtkerns quadratisch anlegten und durchnummerierten, nur die breiten
Straßen haben Namen.
Die Shwedagon-Pagode ist die
Hauptsehenswürdigkeit in Yangon und eine der berühmtesten Pagoden überhaupt, Pilgerstätte für Buddhisten aus aller Welt, uralt,
wunderschön, unverwechselbar, sicher ein Höhepunkt für jeden
Burma-Reisenden. Sie ist das bekannteste Bauwerk Burmas, für die
Burmesen auch wichtig als Symbol des Landes und als Ort der
Freiheitsbewegung - die "Lady", Aung San Suu Kyi, hielt 1988 hier ihre
erste öffentliche Rede. Vier lange überdachte Aufgänge führen über
niedrige Stufen hinauf zu dem vergoldeten, 100 m hohen Haupt-Stupa, der
auf einer fast 60.000 qm großen Marmorplattform ruht, die voller reich
geschmückter Schreine, Gebetshallen, Pavillons und Buddhas steht. 64
kleinere und 4 große Stupas umgeben den Haupt-Stupa, Tonnen von Gold
und Tausende von Edelsteinen wurden hier verarbeitet. 2003 haben wir die
Pagode natürlich auch besucht, damals waren wir fast die einzigen
Touristen, heute wimmelt es von Ausländern. Überhaupt ist sehr viel
los, vielleicht wegen des Feiertags, und weil die kühleren Abendstunden
einfach mehr Besucher anziehen.
Die Stimmung ist schwer
zu beschreiben. Viele Gläubige sitzen ganz still im Gebet oder bringen
Buddhafiguren Blumenopfer, andere halten in Grüppchen zusammen ein
Schwätzchen oder machen Picknick, dösen, spazieren um den Stupa herum,
Kinder spielen, Touristen fotografieren die Einheimischen und diese mit
ihren Handys wiederum die Touristen.
Kurz -
andachtsvolle Ruhe herrscht hier eigentlich nicht, mehr ein ständiges
Kommen und Gehen, aber die Stimmung ist trotzdem irgendwie feierlich,
besonders als es auf den Abend zugeht und alles beleuchtet wird. Wir
bleiben fast drei Stunden. In der Dunkelheit ist die Pagode so schön,
dass man gar nicht mehr weg möchte.
Zurück nehmen wir
ein Taxi. Es gibt übrigens eine Besonderheit auf Burmas Straßen, die
uns gestern schon aufgefallen ist: Hier wird rechts gefahren (seit
1970), aber der Fahrer sitzt auch rechts, also auf der falschen Seite.
Das ist total verrückt. Das ganze Land fährt im Prinzip Autos, die
eigentlich für Linksverkehr gedacht sind, was uns immer wieder
irritiert, wenn wir ein Fahrzeug überholen und nicht der Fahrer,
sondern der Beifahrer aus dem Fenster winkt.
Wir überlegen, ob wir heute noch im teuren Traders Hotel gleich neben
unserem Hotel zu Abend essen sollen, schließlich habe ich heute
Geburtstag, entscheiden uns aber dann doch für ein bescheideneres
Restaurant, was vielleicht ein Fehler war. In der Nacht wird mir schon
schlecht, am Morgen ist mir speiübel, den Tag kann ich streichen.
Gerold geht es auch nicht gut, aber ihn hat es nicht ganz so schlimm
erwischt, er ist zumindest in der Lage, ab und zu aufzustehen. Was der
Auslöser war - keine Ahnung, das ist einfach Pech oder vielleicht eine
Warnung zur rechten Zeit. Die hygienischen Verhältnisse in Burma sind
katastrophal, das werden wir während unseres Aufenthalts noch sehen.
Dagegen war Sri Lanka ein Paradies an Sauberkeit. Die Bevölkerung kann
nichts dafür, das Land wurde in den langen Jahren der Militärregierung
auf unglaubliche Weise heruntergewirtschaftet, die öffentliche Hand
kümmert sich offenbar um gar nichts. Am Inle-See besuchen wir später
einen großen, regelmäßig stattfindenden Markt mit Hunderten von
Besuchern, auf dem es nicht eine einzige Toilette gibt. Einheimische wie
die zahlreichen Touristen erleichterten sich auf die Schnelle und ohne
Sichtschutz am Straßenrand. Die Leute tun im Rahmen ihrer
Möglichkeiten alles, um ihre nähere Umgebung sauber zu halten. Hier
wird ständig gefegt, geputzt, gewaschen. Auch die Ärmsten legen Wert
auf reinliche und ordentliche Kleidung.
Eins ist klar: Auf
der Straße dürfen wir hier nichts essen, auch Restaurants müssen wir
uns vorher ganz genau anschauen. Fleisch und Fisch sind ab sofort
gestrichen.
Bis zum Abend geht es mir nicht schlechter,
eine Lebensmittelvergiftung ist es also glücklicherweise nicht, aber
auch nicht besser, was besonders ärgerlich ist, weil Wah Wah uns zum
Essen eingeladen hat. Gerold muss alleine hinfahren, ich lasse mir
später von ihm berichten. Wah Wah hat lecker burmesisch gekocht
(Myanmar Coconut Noodles), Gerold hat das Rezept notiert, wir kochen ja
zu Hause gerne nach. Moh ist viel beschäftigt und kommt erst später
dazu. Er ist ein wacher Kopf, ein Intellektueller, für den die
Situation in Burma besonders unerträglich sein muss. Moh schätzt die
"Wende" im Land vorsichtig optimistisch ein. Zu 75 %, meint er, sei die
Entwicklung nicht mehr umkehrbar, ein Gegenputsch ultrakonservativer Offiziere sei aber immer noch
möglich. Bei der Bevölkerung sei aber bisher von den Veränderungen
noch wenig angekommen, bis auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten,
darüber hatte schon der Taxifahrer geklagt. Gerold war mit Wah Wah in
einem Supermarkt und wunderte sich über die hohen Preise. Für
ein paar kleine Einkäufe hat sie umgerechnet 16 Euro bezahlt - ein
Lehrer verdient hier monatlich zwischen 15 und 25 Euro.
Straße vor unserem Hotel
Spielende Jungs auf der Hotelstraße
Mit Wah Wah und Di Di im Donuts-Restaurant
Die Sule-Pagode im Zentrum der Altstadt von Yangon
Mitpassagiere im Bus auf dem Weg zum Mittagessen.
Mittagessen in einem burmesischen Restaurant.
Gerade wird das Essen serviert - und was macht Di Di?!
Gerade wird das Essen serviert - und was macht Di Di?!
Shwedagon-Pagode: Gläubige beim Gebet
Gläubige bringen Opfer
Liegender Buddha in einer Nebenhalle
Diese Familie hat zuerst uns mit dem Handy fotografiert, dann wir sie.
Hübsches junges Mädchen mit dem typischen burmesischen Make-up
Burmesische Familie auf der Plattform der Shwedagon-Pagode
Dieses kleine Mädchen hat Angst vor uns.
Shwedagon-Pagode in der Abenddämmerung
Nachtaufnahme
Zu Hause bei Wah Wah und Moh