11.7.2013 bis 16.7.2013
In Blönduós bleiben wir auf dem örtlichen
Campingplatz. Oberhalb davon befindet sich direkt an der Ringstraße 1 eine
Tankstelle mit Shop, Imbiss und kostenlosem Internetzugang. Dort verbringen wir
mehr oder weniger den Tag und arbeiten am Blog – es regnet nämlich
ununterbrochen bis zum späten Nachmittag.
In einer Regenpause spazieren wir durch den Ort, der
quasi zweigeteilt ist. Auf der einen Seite des Flusses Blanda, der hier ins
Meer mündet, liegt der neue Ortsteil mit der hochmodernen Tankstelle, einem
Supermarkt, Bäckerei etc., auf der anderen Seite liegt der historische Ortskern mit schönen alten Häusern und einer schmucken Holzkirche. Wir werfen einen
Blick in das Gotteshaus: Wo früher der Altar war, steht jetzt ein Sofa – die
Kirche soll in eine Art Kulturzentrum umgewandelt werden, so erzählt uns ein
Isländer, Filmregisseur von Beruf, der eigentlich in Reykjavik lebt, hier aber
seinen Zweitwohnsitz hat, im früheren Hospital und Ärztehaus, einem schönen
alten Gebäude aus dem 19. Jahrhundert.
Die Ringstraße führte einst mitten durch den alten Ortsteil, berichtet
er uns weiter, der damals ein wichtiger Zwischenstopp war. Heute spielt sich
das Leben auf der anderen Flussseite ab, v.a. in dem Tankstellenimbiss, wo es
Hot Dogs, Hamburger, Fritten, Pizza und Coca Cola gibt, und in dem Supermarkt,
der für die insgesamt 813 Einwohner ein erstaunliches Sortiment zu bieten hat.
Der alte Ortsteil von Blönduós wirkt dagegen verwaist. Es gibt zwar auch ein
Hotel, Restaurant und einen Campingplatz, aber dort sehen wir keine
Menschenseele. Der Filmregisseur ist in Plauderlaune und erzählt uns auch
noch, dass der ehemalige amerikanische
Schachweltmeister Bobby Fischer, der beste Schachspieler aller Zeiten, in
Island begraben ist, in der Nähe von Selfoss.
Fischer hatte 1972, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, in Reykjavik in einem unvergessenen,
dramatischen Kampf („Match des
Jahrhunderts“) den sowjetischen Weltmeister Boris Spasski besiegt. Später fiel
das exzentrische Schachgenie in den USA
in Ungnade, wurde per internationalem Haftbefehl gesucht, erhielt schließlich
in Island politisches Asyl und nahm sogar die isländische Staatsbürgerschaft
an.
Am Abend hört der Regen auf, aber jetzt haben wir
keine Lust mehr noch aufzubrechen. Der nächste Morgen beginnt trocken, doch
kaum haben wir die Nase aus dem Zelt gesteckt, fängt es erneut zu regnen an –
und regnet und regnet, wieder bis zum Nachmittag. Letztes Jahr gab es in Island
einen Bilderbuchsommer, davon ist dieser Sommer meilenweit entfernt. Später brechen
wir in einer Regenpause dann doch noch auf. Wir haben geplant, von Blönduós aus
an den Nordfjorden entlang Richtung Osten nach Akureyri zu fahren, der
zweitgrößten isländischen Stadt. Zuerst wollen wir die Skagi-Halbinsel
umrunden, um so zum Skaga-Fjord zu gelangen. Kaum sitzen wir auf den Rädern,
beginnt es schon wieder zu regnen. Nach nicht einmal 30 km müssen wir völlig
durchnässt in dem kleinen Ort Skagaströnd Schluss machen. Aber es gibt einen
schönen, ruhigen Campingplatz mit einem beheizten Aufenthaltsraum, wo wir den
Rest des Tages in netter Gesellschaft eines holländischen Ehepaars verbringen.
Später kommen noch Isländer an, die in der Nähe geangelt haben und uns eine küchenfertig filetierte Forelle
schenken, die wir sofort zubereiten – schmeckt köstlich!!!
Im Aufenthaltsraum hängt der Wetterbericht aus:
Morgen soll es bedeckt sein, aber trocken bleiben. So brechen wir am nächsten
Tag sehr früh auf. Um die Halbinsel Skagi herum führt nur eine Piste, die
gleich hinter Skagaströnd beginnt. Die erste Hälfte lässt sich gut fahren, der Rest ist teilweise
schwieriger, aber wir haben kaum Steigungen. Skagi ist bis auf ein paar
verstreute Bauernhöfe unbesiedelt, entsprechend wenig Autos sind unterwegs. Bis
zum Mittag ist es ungewohnt „warm“, über 10 Grad und fast windstill. Sogar ein
paar Sonnenstrahlen schaffen es durch die Wolkendecke. Landschaftlich ist die
Strecke einfach nur wunderbar, wir fahren immer mit Meeresblick, meist etwas
oberhalb der Küste. Nach Kálfshamarsvik, einem
früheren Fischerdorf, das 1940 aufgegeben wurde, führt eine Stichstraße.
Von dem Ort sieht man praktisch nichts mehr, sehr eindrucksvolle Basaltsäulen
direkt am Strand sind jetzt hier die Attraktion. Auf dem Weg dorthin werden wir
von brütenden Seeschwalben angegriffen. Hinter Kálfshamarsvik wird die
Landschaft rauher, v.a. um die Spitze der Halbinsel herum. Am Ende zieht es
sich, auch weil die Piste deutlich schlechter wird. Erst gegen Abend erreichen
wir die Abzweigung nach Saudárkrókur, der Ort liegt schon im Skaga-Fjord, und
wieder Asphalt. Gerne würden wir hier wild zelten, wir sind schon fast 100 km
gefahren, aber das Wetter sieht übel aus, bei Regen sind wir lieber auf einem
Campingplatz. So fahren wir doch noch weiter, müssen über einen Bergrücken noch
auf fast 300 m ansteigen, Saudárkrókur dagegen liegt auf Meereshöhe, nach der
Abfahrt sind wir wie Eiszapfen. 111 km sind wir heute gefahren, davon fast 90
km Piste. Kaum steht das Zelt, beginnt es schon zu regnen. Noch nicht ein
einziges Mal haben wir hier die Mitternachtssonne genießen können. Es ist
lausig kalt, nur 6 Grad, und regnet die
ganze Nacht und auch noch am nächsten Morgen.
Wir überlegen ernsthaft, die Fähre umzubuchen - mit dem Auto lässt sich so ein Wetter
aushalten, aber auf dem Rad….. Wir fahren zu einer Bäckerei mit Internet, um
erneut den Wetterbericht zu studieren. Gegen Mittag soll es aufklaren, morgen
bedeckt, aber trocken sein. Um 11 Uhr hört der Regen auf und wir können endlich
aufbrechen. Wir bleiben bei unserem Plan, an der Küste entlang nach Akureyri zu
fahren. Es klart tatsächlich
auf, bald radeln wir in voller Sonne. Die Strecke ist ein Traum, praktisch
immer mit Meeresblick wie gestern, aber lieblicher als die Skaga-Halbinsel und
viel stärker besiedelt. Leider bläst heute ein sehr starker Wind, und zwar aus
Norden - das ist die Richtung, in die wir fahren. Über 20 km kämpfen wir gegen
den Wind an, der sich allmählich zu einem Sturm entwickelt. Dann geben wir auf.
Wir könnten natürlich auf einem Campingplatz bleiben und abwarten. Aber auf der Strecke gibt es auch noch 15 km
Tunnel, einer davon ist 7 km lang. Wir müssten in einen Bus steigen, der nur
zweimal pro Tag fährt, oder auf eine Piste ausweichen, die würde allerdings
über einen Bergrücken führen. Bei guten Bedingungen hätten wir das gemacht, jetzt haben wir die Nase voll,
drehen unsere Räder und fahren zurück, nach Varmahlid an der Ringstraße. Mit dem Wind im Rücken fliegen wir nur
so dahin. Bis auf die Tatsache, dass man angetrieben wird, spürt man Rückenwind
normalerweise gar nicht, man fährt lautlos und hört nur das Surren der Räder –
ein wunderbares Geräusch. Schnell erreichen wir den kleinen Ort Varmahlid,
immer noch bei bestem Wetter. Seit den Anfangstagen in Hafnarfjördur ist das
der erste sonnige Abend. In Varmahlid
könnten wir bleiben und morgen durch das Landesinnere nach Akureyri
fahren. Erneut studieren wir den Wetterbericht – für morgen ist starker Ostwind
angekündigt, wir hätten also wieder Gegenwind,
Nein, danke. Um 22.30 Uhr fährt heute noch ein Bus nach Akureyri, den
nehmen wir und kommen gegen Mitternacht an. Der Campingplatz liegt mitten in
der Stadt, um 1 Uhr nachts ist es immer noch sehr hell.
Am nächsten Tag schauen wir uns Akureyri an, es
tröpfelt schon wieder. Wir erwarten eigentlich gar nichts anderes mehr, auch
was die Temperatur betrifft: Über 8 Grad kommen wir tagsüber nicht hinaus.
Akureyri hat ca. 18.000 Einwohner, im Vergleich dazu ist Reykjavik schon fast
eine Weltstadt. Das Zentrum ist klein, aber richtig nett, mit schönen Cafés und
alten Häusern, hier kann man gut einen Tag Pause machen.
Uns bleibt noch über eine Woche, um nach
Seydisfjördur zu fahren, dort legt die
Fähre nach Dänemark bzw. zu den Faröer-Inseln ab. Unser ursprünglicher Plan sah
deshalb vor, weiter in Richtung Osten zu radeln und dabei noch einige Fjorde
auszufahren. Aber die Wetterprognosen für den Nordosten sind katastrophal, für den
Südosten sieht es wesentlich besser aus, auch was die Windrichtung betrifft.
Wir beschließen aus diesem Grund spontan, am nächsten Tag den Bus nach Höfn an
der Südostküste zu nehmen und von dort aus nach Seydisfjördur
zurückzuradeln. Die Fahrt dauert 9
Stunden und wir verdösen sie fast komplett, aber es gibt eh nichts zu sehen, so
tief hängen die Wolken.
Blönduos: Blick auf das alte Zentrum - im Hintergrund die "Neustadt"
Die alte Kirche
Sofa statt Altar - in der alten Kirche von Blönduos
Das älteste Gebäude in Blönduos
Hier wohnt ein Künstler.
Graugänse am Ortsrand
Blönduos: In dieser Tankstelle verbringen wir fast zwei Tage.
Solche kleinen Kirchen wie hier auf der Halbinsel Skagi sieht man in Island oft.
Diese jungen Isländer haben viel mehr geangelt, als sie selbst essen können
- und schenken uns eine leckere Forelle.
In Skagaströnd (1)
In Skagaströnd (2)
Fischfabrik in Skagaströnd: "Kunst am Bau"
Bauernhof auf Skagi
Skagi: In anderen Weltgegenden wäre
solch ein Wasserfall am Meer DIE Sensation -
hier sind wir die einzigen Touristen weit und breit.
Stichstraße nach Kálfshamarsvik
Die Basaltsäulen von Kálfshamarsvik
Schon wieder: Wasserfall am Meer
Islandpferde (1)
Islandpferde (2)
Fast am Ziel: Noch 15 km -
dann haben wir die Halbinsel Skagi komplett umrundet.
Am nächsten Tag: Unterwegs nach Akureyri
Die isländischen Fahnen an diesem Automuseum flattern im Wind
- leider kommt der von vorne und wird immer stärker.
Wir haben den Kampf gegen den Wind aufgegeben und "fliegen" zurück.
Bauernhof an der Strecke (1)
Bauernhof an der Strecke (2)
Café in der Innenstadt von Akureyri
Die Kathedrale ist das Wahrzeichen von Akureyri
Kurzer Stop auf der Busfahrt nach Höfn: Der Goðafoss